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Formelle Anforderungen an die Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung
Formelle Anforderungen an die Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung
21. April 2025
19 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Eine 1999 öffentlich bekannt gemachte Allgemeinverfügung verpflichtet Eigentümer entlegener Grundstücke zum Anlegen eines Löschteichs. Bei Eigentumserwerb eines betroffenen Grundstücks 2013 hatte E davon keine Kenntnis. E zweifelt an der Wirksamkeit der Allgemeinverfügung.
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Einordnung des Falls
Formelle Anforderungen an die Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. E bezweifelt den Erlass und die wirksame Bekanntmachung der Allgemeinverfügung und geht von deren Nichtigkeit aus. Für diese drei Begehren ist jeweils die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) statthaft.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Original der Allgemeinverfügung existiert nicht mehr. Daher ist deren Erlass durch die Beklagte nicht mehr nachweisbar und sie ist unwirksam.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Allgemeinverfügung muss auch wirksam bekannt gegeben worden sein. Dies geschieht typischerweise durch öffentliche Bekanntmachung.
Ja!
4. Für eine öffentliche Bekanntmachung eines Verwaltungsakts bedarf es grundsätzlich einer ortsüblichen Bekanntmachung des verfügenden Teils (§ 41 Abs. 4 S. 1 VwVfG).
Genau, so ist das!
5. Neben dem verfügenden Teil wurde die Allgemeinverfügung hier mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung bekannt gegeben. Dieses „Mehr“ an Bekanntgabe ist für die Wirksamkeit unschädlich.
Ja, in der Tat!
6. Weil die Allgemeinverfügung im vollen Wortlaut - verfügender Teil sowie Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung - bekannt gemacht wurde, konnte auf den Hinweis, wo diese ausgelegt wird, verzichtet werden.
Ja!
7. Für die Unwirksamkeit der Allgemeinverfügung kommt nur noch deren Nichtigkeit in Betracht. Dafür müsste sie offensichtlich an einem besonders schwerwiegenden Fehler leiden (§ 44 Abs. 1 VwVfG).
Genau, so ist das!
8. E macht geltend, die Allgemeinverfügung sei materiell rechtswidrig, insbesondere ohne Rechtsgrundlage ergangen und ermessensfehlerhaft. Sofern dies zutrifft, ist sie nichtig.
Nein, das trifft nicht zu!
9. E begehrt nach erfolglosem Widerspruch hilfsweise die Aufhebung der Allgemeinverfügung. Statthaft ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO).
Ja!
10. Die Allgemeinverfügung wurde Jahre vor Es Eigentumserwerb bekanntgegeben. Trotzdem gilt sie E gegenüber. Daher ist sie bestandskräftig geworden und E kann keine Rechtsverletzung mehr geltend machen.
Genau, so ist das!
11. E’s Widerspruch und Anfechtungsklage waren wegen Bestandskraft der Allgemeinverfügung verfristet. E könnte aber konkludent ein Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) beantragt haben.
Ja, in der Tat!
12. Die von E geltend gemachten formellen und materiellen Mängel der Allgemeinverfügung beziehen sich auf deren Erlasszeitpunkt. Insoweit besteht keine Veränderung der Sach- oder Rechtslage.
Ja!
13. E's Klagen sind unbegründet.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
chuck lawris
7.9.2021, 09:03:24
Kommt es nur mir so vor, oder habt Ihr auch das Gefühl, dass die Gesetze in diesem Sinne eher ordnungsfachistische Normen als Ergüsse der alten Geister aus der Nazizeit sind? Ich dachte immer, der Staat sei um des Menschenwillen da. Dies spiegelt sich aber innerhalb der VerwaltungsG kaum wider. Ein Monat Anfechtungsfrist finde ich schon ang
esichts anderer Fristen im Recht gar nicht plausibel. Denn "Rechtssicherheit" und "Handlungsfähigkeit" der Verwalt. ist doch nur eine Frage des
Geldes, oder?
Delfinsohn
1.10.2021, 09:56:08
Wat?
Delfinsohn
1.10.2021, 09:57:28
Ich glaube dein Verwaltungsakt ist wegen Perplexität nichtig
Delfinsohn
1.10.2021, 13:05:28
Sorry ich schreib jetzt auch mal was richtiges 😅 Also ich meine, dass die VwGO weniger mit Nazigesetzen zu tun hat, sondern virlmehr eine Art Zusammenfassung von landesgesetzlichen Vorläufern der Nachkriegszeit ist. Schließlich ist sie ja auch erst 1960 inkraft getreten. Ich finde zwar die Klagefrist von einem Monat auch etwas kurz, finde aber den Vergleich mit dem ZR nicht wirklich passend. Denn im ZR geht es ja um einen Interessensausgleich zwischen Privatpersonen, bei denen es ja maßgeblich um Ansprüche der Bürger untereinander geht. Die funktionsfähigkeit des Verwaltungsapparates finde ich ist aber schon ein gewichtiges Argument. Wenn du zB etwa Klagefristen im VerwR komplett aufheben würdest, würde die Möglichkeit, dass Maßnahmen, Projekte usw noch Jahre später angefochten werden können die komplette Planungssicherheit und auch die Effektivität vom Verwaltungshandeln an sich infrage stellen. Da spielen, finde ich zumindest, nicht nur finanzielle Aspekte eine Rolle.
chuck lawris
1.10.2021, 14:29:18
Der Staat hat demnach mehr Anspruch auf Planungssicherheit als der Bürger. Wenn der Staat um des Menschenwillen da ist und nicht umgekehrt, passt das aber irgendwie nicht sauber zusammen. Würde man die Fristen verlängern, wäre die Exekutive auch vielmehr angehalten, ihr Verhalten zu überprüfen, statt erstmal loszumähen. Der Planungssicherheit steht sozusagen nur ihr eigenes rechtliches Verhalten im Wege. Ich wollte aber auch keine politische Diskussion eröffnen; mir kommt es nur so vor, dass Ordnungsprinzipien damals in den Köpfen geblieben sind und ins Gesetz Eingang gefunden haben. Und Ordnung ist mE das Gegenteil von Freiheit, also deren Feind.
TrowaBarton
13.10.2021, 08:47:50
Wenn ich das letztes Jahr richtig gelernt habe geht uns Verwaltungsverfahren auf das Preußische Recht zurück und nicht auf die Ns-Zeit. Ich benutz einfach mal die Standart Keulen des Verwaltungsrechts Effektivität der Verwaltung und der Gefahrenabewehr. Der Va wurde ja nicht einfach so erlassen sondern geht auf geschriebenes Recht zurück. Das Ziel eines Löschteichs sollte jedem klar sein. Gerade bei deinem Vergleich zum Zivilrecht fühle ich mich genötigt darauf hinzuweisen, dass ein mündiger Bürger sich um die rechtlichen Gegebenheit zu informieren hat. Und die einmonatige Frist wird ja durch das
Wiederaufgreifen des Verfahrenssogar noch aufgeweicht, wenn der Büger schon verpennt hat.
Philipp Paasch
4.7.2022, 00:03:25
Die 1 monatige Frist ist enorm kurz. Welcher Nicht-Jurist kann sich in der Zeit schon sinnvoll damit auseinandersetzen. Und wie soll man sich über die Rechtslage informieren. Man läuft ja nicht durch die Welt und analysiert alles Rechtsverhälltnisse. Ein Architekt würde die Welt auch anders sehen, als ein Mediziner. Es gibt nicht nur Recht und Rechtswissenschaften.
TrowaBarton
4.7.2022, 07:24:46
Zum einen bekommt man eine Rechtsbehelfsbelehrung - fehlt die hat man ein Jahr - und zum anderen muss man ja in den meisten Bundesländern erst noch das Widerspruchsverfahren durchlaufen, bevor die Klage überhaupt zulässig ist. Mal abgesehen davon, dass du bei Klageerhebung ja erstmal nur Klagegegnstand und Begehren anmelden musst. Im ÖR Gerichtsverfahren muss der Richter ja zum einen den Antrag des Klägers verständig deuten und zum anderen Gilt der Amtsermittlungsgrundsatz und nicht der Beibringungsgrundsatz wie im Zivilrecht.
Philipp Paasch
3.7.2022, 23:48:13
Einen schönen Abend wünsche ich Euch im Jurafuchs-Team 😊. In der letzten Audgabe ist ein kleiner, aber leider häufig gemachter Zitierfehler zu sehen. Geschrieben habt ihr §§ 70 Abs. 1. S. 1, 74 Abs. 1 VwGO. Richtig muss es heißen: § 70 Abs. 1. S. 1, § 74 Abs. 1 VwGO. LG 🥸🤓

Nora Mommsen
8.7.2022, 13:41:50
Hallo Philipp Paasch, dürfen wir fragen, wo du diese Information her hast. Die Zitierung mit §§... ist üblich im Rahmen juristischen Schreibens. So z.B. auch Schmidt, JuS 2003, 649 (653 f.). Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

kithorx
27.4.2023, 19:25:26
Die Zitierweise mit doppeltem vorangestellten Paragraphenzeichen ist aber nur üblich, wenn es sich um denselben Normkörper handelt (wie hier die VwGO), habe ich das richtig im Kopf?

CR7
1.4.2023, 19:49:26
Laut unserem Klausurenkurs lief die Klausur leicht abgewandelt im Examensdurchgang 2022/I in Sachsen, damit liegt ein Examenstreffer vor :-)

Lukas_Mengestu
4.4.2023, 13:14:39
Top, lieben Dank für den Hinweis!
pauschi
22.5.2023, 17:30:48
Liebes Jurafuchs-Team, könntet ihr in dieses Problem noch das Urteil vom 22.01.2021 - BVerwG 6 C 26.19 mit einbauen? Sowohl in dem Verzeichnis als auch in der Quizgestaltung vielleicht? Das wäre super! LG

DDoubleYou
21.12.2023, 23:20:00
Liebes Jurafuchs-Team, vielen Dank für die schöne Zusammenfassung! Bei der dritten Frage hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen. Dort wird (wahrscheinlich weil zuvor auf die
Feststellungsklageverwiesen wurde) auf §
43 VwGOanstatt § 43 VwVfG verwiesen. Vielen Dank und beste Grüße!
Leo Lee
25.12.2023, 11:23:48
Hallo DDoubleYou, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat hatte sich ein Fehlerteufel eingeschlichen, weshalb wir den Fehler nun korrigiert haben :). B
esinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!
/qwas
9.1.2024, 08:35:49
Im Text steht: „Fehler in der Rechtsanwendung führen zur
Rechtswidrigkeiteines Verwaltungsakts, haben aber keine Auswirkung auf deren Wirksamkeit. Das gilt auch bei fehlender Rechtsgrundlage.“ Wieso ist eine fehlende Rechtsgrundlage ein Rechtsanwendungsfehler? Die Rechtsgrundlage ist doch gerade Voraussetzung für das Tätigwerden, oder nicht? Oder ist damit gemeint, dass eine fehlende Rechtsgrundlage ebenfalls keine Auswirkung auf die Wirksamkeit hat?

Linne_Karlotta_
1.12.2024, 09:24:54
Hey @[/qwas](135153), danke für deine Frage. Letzteres ist der Fall. Ein Verwaltungsakt ist nur dann unwirksam, wenn der Fehler zur Nichtigkeit, nicht „nur“ zur
Rechtswidrigkeit, führt (vgl. § 43 Abs. 2, 3 VwVfG). Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
Vanilla Latte
2.4.2025, 06:08:52
würdet ihr die Zulässigkeit von allen 3 köagen zusammen prüfen und die begründetheit dann einzeln?