Drohung – Gegenwärtigkeit der Gefahr
12. Juli 2025
10 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

T hat es auf Os wertvolle Uhrensammlung abgesehen. Er bricht bei O ein. Da er nicht will, dass O ihn daran hindert, mit Uhren bepackt die Wohnung zu verlassen, zieht er seine Pistole und sagt ihr, dass er morgen zurückkommen und sie erschießen werde, wenn sie ihn nicht gehen lasse. Verängstigt zieht sich O zurück.
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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn T mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, verwirklicht er den Straftatbestand des Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB).
Ja!
2. Zur Wegnahme der Uhren hat T der O „mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben gedroht“ (§ 249 Abs. 1 StGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Amtsanwaltsanwärter
20.2.2021, 19:10:51
Der Sachverhalt ist etwas dünn. Die Wegnahme könnte bei Uhren auch schon vollzogen sein und die
Drohungzur Beutesicherung erfolgt sein.

Vulpes
22.2.2021, 10:46:33
Ich weiß was du meinst, aber wenn kein Hinweis auf ein Enklave gegeben ist würde ich davon ausgehen, dass die Wegnahme innerhalb des Herrschaftsbereichs der O nicht vollendet wurde. Ansonsten ist das Sachverhaltsquetsche 🙂

APhM
12.3.2025, 13:44:48
Mit Uhren bepackt, bedeutet doch, dass er sie entweder in Hosen-/Jackentasche oder einer anderen Tasche bei sich oder eben die Uhren am Handgelenk trägt. Beides müssten, ohne jetzt die Definition aufzumachen,
Gewahrsamsenklaven sein, sodass die
Drohungnicht mehr mit Bick auf die bereits erfolgte Wegnahme (§ 249StGb), sondern zur Beutesicherung (
§ 252 StGB) erfolgt. Finde dies ist eine legitime am Wortlaut orientierte und nur logische Deutung des SV und keine SV-Quetsche. Habe hier schon Gälle falsch beantwortet, weil ich eben den SV nicht praktisch und logisch gedeutet habe. Eskommt also immer darauf an. Hier w7rde ich mich mit den genannten Argumenten, solange der Text so ist, immer wieder wie oben entscheiden.

Tim Gottschalk
5.6.2025, 19:16:10
Hallo @[Amtsanwaltsanwärter](116049) und @[APhM](115573), ich stimme @[Vulpes](105843) hier zu. "mit Uhren bepackt" muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass diese sich in einer Tasche oder am Handgelenk befinden. Der Täter kann die Uhren auch in seinen Armen raustragen oder etwa in einem Karton oder einer durchsichtigen Tüte. Dann würde ich die
Gewahrsamsenklaven eher verneinen. Insofern halte ich es für Sachverhaltsquetsche, hier von einer
Gewahrsamsenklaveauszugehen. Offensichtlich möchte der Sachverhalt jedenfalls darin kein Problem sehen, ansonsten hätte er nähere Angaben dazu gemacht, wie genau der Täter die Uhren befördert. Insofern würde ich mich auch in einer Klausur bei einer solchen Sachverhaltsschilderung nicht daran festbeißen. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

juramen
21.12.2022, 17:38:26
Aber O hätte doch dann jederzeit die Polizei um Hilfe bitten können und diese den Eintritt des Übels verhindern, wo ist hierbei dann die Gegenwärtigkeit?

Klima-Kleber
30.12.2022, 11:59:06
Der Gedanke kam mir auch…
Peter
27.2.2024, 14:13:06
So, wie ich das verlinkte BGH Urteil verstehe, wendet der BGH den Begriff der Gegenwärtigkeit hier quasi "raubspezifisch" an und weicht von der iE strenger auszulegenden "Gegenwärtigkeit" iRd §
34 StGBinsofern ab. Sinn und Zweck dieses Verständnisses der Gegenwärtigkeit ist hier effektive Schutz des
Nötigungsopfers. "Zum wirksamen Schutz von
Erpressungsopfern darf der Begriff der Gegenwärtigkeit angedrohter
Gefahren anders als bei der anderen Zwecken dienenden Regelung des rechtfertigenden Notstands in §
34 StGB, von der die in der Rechtsprechung benutzten Begriffsumschreibungen hergeleitet sind ... , nicht zu eng verstanden werden "

Tim Gottschalk
5.6.2025, 19:27:54
Hallo @[juramen](135417) und @[Klima-Kleber](119317), einerseits ist das, was @[Peter](189433) sagt, vollkommen richtig. Das bezieht sich allerdings eher auf den zeitlichen Abstand. Hinsichtlich andererseits der Möglichkeit, die Polizei zu rufen, hast du Recht, dass das möglich ist. Das hat aber meines Erachtens keine Auswirkungen auf die Gegenwärtigkeit. Für die
Drohungmit einer gegenwärtigen
Gefahrist es ja nicht erforderlich, dass die
Gefahrunausweichlich ist oder ähnliches. Vielmehr liegt in der Zuhilfenahme der Behörden ja gerade die Abwehrhandlung, die durch die Gegenwärtigkeit der
Gefahrerst erforderlich geworden ist. Also wie in der Definition gefordert sind durch die
Drohungalsbaldige Abwehrmaßnahmen zu ergreifen gewesen. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Rodihupfpferd
5.6.2025, 07:43:14
Selbst in dem zitierten Urteil, das über
Erpressunggeht, die Deutung hier aber begründen soll, steht, dass der Gegenwärtigkeitsbegriff nicht deckungsgleich mit dem der Notwehrlage ist und weiter ausgelegt werden muss. In der Sache vielleicht hier richtig, aber in der Begründung komplett falsch. Die hier angeführte Definition in einer Notwehrklausur zu nennen, halte ich für höchst riskant.

Tim Gottschalk
5.6.2025, 19:11:15
Hallo @[Sönke Laurids Rieper](282932), in der Tat war der Verweis auf §
34 StGBhier fehl am Platz. Der BGH sagt wörtlich, dass gerade eine andere Definition zugrunde zu legen ist. Wir haben die Lösung hier daher angepasst. Vielen Dank für deinen Hinweis. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team