Anfängliche Unmöglichkeit
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Adelige A kauft bei Händler H einen antiken Ring, der laut H 24 Karat Gold haben soll. A bezahlt den objektiven Wert von €10.000. Später stellt sich heraus, dass der Ring in Wahrheit nur 12 Karat Gold aufweist und €5.000 wert ist, was H hätte erkennen müssen.
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Einordnung des Falls
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft, kann der Käufer unter weiteren Voraussetzungen Schadensersatz verlangen (§§ 437 Nr. 3 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. A kann den Minderwert des Ringes als Schadensersatz neben der Leistung geltend machen.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Der Anspruch aus § 311a Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Leistung von Anfang an unmöglich ist.
Ja, in der Tat!
4. Die Leistung des H – Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB) war hier von Anfang an unmöglich.
Ja!
5. H hat die anfängliche Unmöglichkeit nicht zu vertreten, weil er den Ring nicht selbst geschmiedet hat.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. A kann sich dafür entscheiden, den Ring zu behalten und gleichzeitig Ersatz des Minderwerts fordern (kleiner Schadensersatz).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
PlatschekJünger
22.8.2022, 08:37:01
Widerspricht es sich nicht erst bei der Abgrenzung zu sagen, dass eine gedachte Nacherfüllung möglich ist, in dem der Ring durch die 12 Karat „aufgepumpt“ wird und man dann später sagt, dass die Mangelbeseitigung von Anfang an unmöglich ist, weil der Ring nicht mit mehr Karat versehen werden kann?
Larissa3
25.8.2022, 15:29:13
Es geht dabei nur um die hypothetisch gedachte Nacherfüllung und nicht darum, ob sie wirklich so möglich ist.
Marius
8.1.2023, 16:11:18
Wie „PlatschekJünger“ tue ich mich mit dieser Erklärung sehr schwer: mit jedweder ausgedachten, hypothetischen Nacherfüllung kann ich ja alles reparieren, eben gerade wenn es nicht darauf ankommt ob das tatsächlich möglich ist: Zauberstäbe zum wegzaubern der Unfallwageneigenschaft eines Gebrauchtwagens, Zeitreisen um ein Produkt doch noch herzustellen, Goldschmuck mit Karat aufpumpen. Wenn es danach ginge, gäbe es doch nichts was sich nicht hypothetisch reparieren ließe.
Marius
10.1.2023, 17:03:08
Ich habe nochmal darüber nachgedacht und rudere zurück: die hypothetische Nacherfüllung ist ja eben gerade eine Testfrage. Mein vorheriger Beitrag ist damit für die Tonne. :)
Johannes Nebe
16.11.2023, 20:17:49
Schade, dass Marius seine Anmerkung zurückgezogen hat. Denn ich würde ihm doch recht geben. Man kann die hypothetische Nachholung der Leistung oder die Nacherfüllung nicht ins Endlose und über die Naturgesetze hinaus treiben. Der Gedanke bringt nur etwas, wenn die Möglichkeit der Nachholung oder der Nacherfüllung unterstellt werden kann (vgl. Looschelders SchuldR AT § 24 Rn. 17). Wo sollte sonst die Grenze zum endgültigen Schadenseintritt gezogen werden? Die Auswüchse sehen wir hier in dem Fall: Eine Legierung, die 50 % Gold enthält, kann nicht auf einen Gehalt von 100 % gebracht werden. "Hypothetisch" heißt nicht phantastisch.
QuiGonTim
21.2.2024, 23:59:03
M.E. ist hier von Bedeutung, dass es sich von Anfang an um eine
Stückschuldhandelte. Die Parteien haben vereinbart, dass der Verkäufer genau den einen Ring im Zustand zum Zeit des Vertragsschlusses übergibt (+dass er 24 Karat hat). Zwar ließe sich - unabhängig von den technischen Möglichkeiten - hinzudenken, dass der Verkäufer den Ring aufpumpen lässt, aber dann würde es sich eben nicht mehr um den einen Ring (sie zu knechten, sie alle zur finden… 😋) im Zustand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses handeln. Der Schaden könnte also nicht durch Nacherfüllung behoben werden.
Paulah
16.8.2024, 10:32:41
Ich halte die Lösung auch für falsch. In der Erklärung steht ausdrücklich in roter und fetter Schrift: "Bei Unmöglichkeit der Leistung muss man sich fiktiv eine m ö g l i c h e Nacherfüllung vorstellen." Die Nacherfüllung ist aber fiktiv nicht möglich. "Hypothetisch m ö g l i c h" wäre für mich etwas, dass zwar theoretisch vorgenommen werden könnte, aber in dem speziellen Fall aus irgendwelchen Gründen nicht geht - wie der berühmte Ring im See, der herausgeholt werden müsste. Geht theoretisch, funktioniert praktisch aber nicht.
Johannes
9.11.2024, 08:00:26
Aus den von meinen Vorrednern genannten Gründen habe ich auch nie verstanden, weshalb nach der zeitlich dynamischen Abgrenzung nicht jeder auf einem anfänglich unbehebbaren Mangel beruhender Schaden unter Schadensersatz statt der Leistung fällt. Denn diese Schäden können bei einer Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt logischerweise nicht entfallen, weil die Nacherfüllung ja zu keinem Zeitpunkt möglich war.
Diaa
3.10.2023, 07:44:52
Aber bevor man überhaupt einen Anspruch aus § 280 ablehnt, sollte man zuerst die Problematik der
Nacherfüllung bei Stückschulddarstellen und dann nach Bejahung mit § 281 beginnen oder?
Leo Lee
7.10.2023, 16:10:25
Hallo Diaa, es stimmt natürlich, dass auch in diesem Fall eigentlich der Streit angesprochen werden sollte. Wir haben jedoch darauf verzichtet, um den Rahmen dieses Falles – der sich zunächst nur auf den allgemeinen Teil fokussieren soll – nicht zu sprengen und bitten diesbzgl. Um Nachsicht. I.Ü. wäre auch hier nach der wohl h.M. die Unmöglichkeit der
Nachlieferunggegeben, da auch nach dem Parteiwillen gem. §§ 135, 157, 242 BGB der spezifische Ring nicht vertretbar/ersetzbar sein dürfte. Eine Aufgabe zu dieser Problemstellung findest du im Kapitel zur Nacherfüllung unter diesem Link: https://applink.jurafuchs.de/3PtocLAtHDb. Außerdem kann ich zu dem Streitstand die Lektüre von MüKo-BGB 8. Auflage, Westermann § 439 Rn. 15 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
JonG
14.10.2024, 11:43:49
Ich würde vorschlagen, den Sachverhalt von "antiker Ring" zu "einzigartiger Ring" oder etwas in die Richtung zu ändern. Der Aufgabensteller wollte ja anscheinend bewusst dafür sorgen, dass man eine Mischung aus Unerfüllbarkeit der Nachbesserung (objektiver Wert des Ringes) und Unmöglichkeit einer Ersatzlieferung (antiker Ring) schaffen. Zumindest würde ich das so aus den verschiedenen Erklärungsversuchen für diesen schließen.
Paulah
3.11.2024, 13:50:53
Könnte sich bitte mal jemand von den Jurafüchsen die Diskussion zur hypothetischen Möglichkeit ansehen?