Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Nichtigkeit von Verwaltungsakten
Nichtigkeit von Verwaltungsakten (§ 44 VwVfG)
Schema: Nichtigkeit von Verwaltungsakten (§ 44 VwVfG)
Wie prüfst Du die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts (§ 44 VwVfG)?
Positivkatalog (§ 44 Abs. 2 VwVfG)
In der Aufzählung des § 44 Abs. 2 VwVfG sind Gründe genannt, die in jedem Fall zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen (sog. absolute Nichtigkeitsgründe). Ist § 44 Abs. 2 VwVfG einschlägig, musst du nicht weiter prüfen, ob sich eine Nichtigkeit aus § 44 Abs. 1 VwVfG ergibt. Diese wäre immer zu bejahen. Denn § 44 Abs. 2 VwVfG ist die speziellere Vorschrift. Sie nennt konkrete Fallgruppen der in § 44 Abs. 1 VwVfG abstrakt beschriebenen Fehler. Das erleichtert und vereinheitlicht die Rechtsanwendung. Weiterhin hilft der Katalog bei der Wertungsfrage innerhalb des § 44 Abs. 1 VwVfG, ob ein Fehler schwerwiegend ist oder nicht.
Negativkatalog (§ 44 Abs. 3 VwVfG)
Im Gegensatz zu den in § 44 Abs. 2 VwVfG genannten Gründen reichen die in § 44 Abs. 3 genannten Gründe alleine nicht aus, um eine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG zu bejahen. Kommen jedoch noch weitere besondere Umstände hinzu, kommt eine Nichtigkeit in Betracht. Liegen die Merkmale des § 44 Abs. 3 VwVfG vor, aber fehlen solche besonderen Umstände, ist die Nichtigkeit des Verwaltungsakts abzulehnen. Er ist „nur“ rechtswidrig. Solltest Du erkennen, dass eines der Merkmale des § 44 Abs. 3 VwVfG in der Klausur vorliegt und keine weiteren besonderen Umstände ersichtlich sind, die eine Nichtigkeit begründen, kannst Du die Prüfung an der Stelle auch kürzer halten und die Nichtigkeit des Verwaltungsakts ablehnen, um in der Prüfung schnell weitergehen zu können. „Generalklausel“ (§ 44 Abs. 1 VwVfG)
In § 44 Abs. 1 VwVfG ist die sog. „relative Nichtigkeit“ geregelt. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies offensichtlich ist. Ein Verwaltungsakt leidet an einem besonders schwerwiegenden Fehler, wenn er gegen tragende Verfassungsprinzipien verstößt oder den der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen so sehr widerspricht, dass es unerträglich wäre, wenn er die mit ihm bezweckten Rechtswirkungen hätte. Offensichtlich ist der Fehler, wenn er für einen mit den Gesamtumständen vertrauten Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist, das heißt sich geradezu aufdrängt. Ein (gedanklicher) Abgleich, ob der Fehler vergleichbar schwerwiegend wie die Fehler aus § 44 Abs. 2 VwVfG ist, kann bei der Bewertung nach § 44 Abs. 1 VwVfG helfen. Mit solchen systematischen Erwägungen kannst Du in der Klausur punkten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Benedikt
24.8.2023, 12:53:10
Aus dem Wortlaut des § 44 III ergibt sich nicht, dass bei Vorliegen der Merkmale die Nichtigkeit ausgeschlossen ist ("nicht schon deshalb"). Die Nichtigkeit aus anderen Gründen ist nicht ausgeschlossen.
MLena
2.10.2023, 14:07:43
Deshalb steht in der Erklärung ja auch, dass die in Abs.3 genannten Gründe alleine nicht ausreichen ;)
Benedikt
2.10.2023, 16:22:48
Stimmt. Ich sehe im Nachhinein den Grund für meinen Post nicht so ganz. Habe wohl etwas falsch verstanden.
Benedikt
2.10.2023, 16:26:33
Ok, es ging mir wohl darum, dass im Klausurhinweis stand: „Alternativ kannst Du auch erst den Negativkatalog aus §.44 Abs. 3 VwVfG. prüfen und, sofern dieser einschlägig ist, die Nichtigkeit ohne Weiteres ablehnen.“ Das fand ich insofern missverständlich, als dass das vorliegen eines der dort genannten Gründe die Nichtigkeit aus *anderen* Gründen nicht ausschließt.
Linne_Karlotta_
23.8.2024, 17:24:15
Hallo in die Runde, Eure Anmerkungen sind natürlich genau richtig. Meines Erachtens haben wir aber in der Aufgabe auch deutlich gemacht, dass die Prüfung des Negativkatalogs nur ausreicht, wenn eine Nichtigkeit aus anderen Gründen nicht in Betracht kommt: „Solltest Du erkennen, dass eines der Merkmale des § 44 Abs. 3 VwVfG in der Klausur vorliegt und keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die eine Nichtigkeit begründen, kannst Du die Prüfung an der Stelle auch kürzer halten und die Nichtigkeit des Verwaltungsakts ablehnen, um in der Prüfung schnell weitergehen zu können.“ Falls ich etwas übersehen habe, bin ich dankbar für einen Hinweis auf die konkrete Stelle in der Aufgabe. Viele Grüße, Linne - für das Jurafuchs-Team
Elisa
12.2.2024, 07:59:56
Ich verstehe noch nicht ganz, unter welchem Prüfungspunkt ich das prüfen müsste. In der Formellen
Rechtmäßigkeit?
as.mzkw
18.8.2024, 12:17:46
Formelle
Rechtmäßigkeit> Zwischenergebnis: VA formell rechtswidrig > Möglichkeit der Heilung gem. § 45 VwVfG, die aber nur besteht, wenn der VA nicht nichtig gem.
§ 44 VwVfGist. Man würde hier also inzident - bei entsprechenden Hinweisen im SV - die Nichtigkeit prüfen.
Linne_Karlotta_
23.8.2024, 17:18:06
Hallo in die Runde, danke für Deine Frage, Elisa. Ob ein Verwaltungsakt nichtig ist oder nicht, kann an verschiedenen Stellen relevant sein. Einmal i.R.v. § 45 VwVfG, wie @[ansomzkw](244917) schon dargelegt hat. Wenn ein Verwaltungsakt also formell rechtswidrig ist, weil z.B. die erforderliche Begründung (§ 39 Abs. 1 VwVfG) fehlt, so kommt eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nur in Betracht, wenn der formelle Fehler nicht gleichzeitig zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts geführt hat. Ob ein Verwaltungsakt nichtig und damit unwirksam (§ 43 Abs. 3 VwVfG) ist, spielt aber z.B. auch prozessual im Rahmen der statthaften Klageart eine Rolle: Die Anfechtungsklage setzt nämlich grundsätzlich einen wirksamen Verwaltungsakt voraus. Ist der Verwaltungsakt nichtig, liegt die
Statthaftigkeiteiner
Nichtigkeitsfeststellungsklage(§ 43 Abs. 1 Alt. 3 VwGO) auf der Hand. Für die
Nichtigkeitsfeststellungsklagekann ich Dir folgendes Kapitel empfehlen: https://applink.jurafuchs.de/EHaL5dtAiMb Generell kann man sich dieses Schema hier als ein Baustein vorstellen, den man immer wieder an verschiedenen Stellen einbauen kann und muss. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen! Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team