Abgrenzung Mittäterschaft und Beihilfe

19. Mai 2025

14 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A erzählt B von Os Reichtum. B will sie daher überfallen. A willigt ein, um mit der Beute seine Schulden tilgen zu können. Sie fahren mit C zu O, A wartet als Fahrer im Auto. B und C bedrohen O mit einem Messer und erbeuten dann Schmuck. O gibt ihnen aus Angst zudem €500 aus ihrem Safe. A erhält €50 für seine Beteiligung.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung Mittäterschaft und Beihilfe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B und C könnten sich durch die Mitnahme des Schmuckes wegen Raubes strafbar gemacht haben (§ 249 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Wegen Raubes macht sich strafbar, wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache wegnimmt, um diese sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. In § 250 StGB finden sich mit dem schweren Raub zwei Qualifikationen des Grundtatbestandes. Erfüllt der Täter eine der Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 StGB droht eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 StGB liegt die Freiheitsstrafe bei nicht unter fünf Jahren.
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2. B und C haben den Raub mittäterschaftlich verwirklicht (§ 25 Abs. 2 StGB)

Ja!

Begehen mehrere eine Straftat gemeinschaftlich, wird jeder als Täter bestraft (§ 25 Abs. 2 StGB). Mittäterschaft setzt (1) eine gemeinsame Tatausführung mit wesentlichen Tatbeiträgen sowie (2) einen Entschluss zur gemeinsamen, arbeitsteilig auf vergleichbarer Ebene begangenen Tat voraus. B und C hatten (zusammen mit A) geplant, die O zu überfallen, um sich ihre Wertgegenstände zuzueignen. Sie haben O dann mit einem Messer gedroht. Die Wegnahme vollzogen sie, indem sie Os Schmuck und damit eine fremde bewegliche Sache entwendeten. Auch der raubspezifische Zusammenhang begegnet keinen Bedenken. Den Schmuck wollten sie sich und A zueignen. Auf die mittäterschaftliche Zurechnung musst Du in der Klausur immer nur dann eingehen, wenn die Täter jeweils für sich genommen nur Teilbeiträge erbracht haben.

3. Indem B und C O mit einem Messer drohten, haben sie sich wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht.

Genau, so ist das!

Nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB muss der Täter ein gefährliches Werkzeug verwenden. Das ist der Fall, wenn er es in einer dem Nötigungszweck dienenden Weise gebraucht. Für die Definition des gefährlichen Werkzeugs greift die Rspr. auf § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zurück: Ein gefährliches Werkzeug ist danach jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Verwendung im Einzelfall dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Bei einer Drohung genügt, wenn eine Verwendung als gefährliches Werkzeug i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB angedroht wird. B und C stellten O in Aussicht, sie mit dem Messer erheblich zu verletzen. Sie drohten also vorsätzlich mit einem gefährlichen Werkzeug. Der § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist erfüllt. Ein Rückgriff auf § 224 StGB scheidet dagegen aus, wenn nur ein Beisichführen verlangt wird (so in § 250 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB), da eine Bestimmung anhand der Verwendung ausscheidet. Mehr zu dem dann streitigen Werkzeugbegriff findest Du: hier!

4. Hinsichtlich des Geldes haben B und C sich wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung strafbar gemacht (§§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Eine Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung setzt nach der Rechtsprechung (1) eine Nötigungshandlung, (2) einen Nötigungserfolg, (3) Finalität zwischen beidem, (4) Vorsatz und (5) Bereicherungsabsicht voraus. Die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter als Mittel der Nötigungshandlung ein gefährliches Werkzeug verwendet hat. B und C haben O vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht durch Drohung mit einem empfindlichen Übel - Verletzung durch ein Messer - (Nötigungshandlung) final zur Herausgabe des Geldes (Nötigungserfolg) genötigt. Dabei verwendeten sie mit dem Messer auch ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB. Die Rspr. stellt zur Abgrenzung vom Raub auf das äußere Erscheinungsbild ab (Weggabe, statt Wegnahme). Die h.L. fordert dagegen zusätzlich eine Vermögensverfügung (=innere Willensrichtung maßgeblich). Eine solche liegt aber vor, da ohne Os Mitwirkung B und C nicht an das Geld aus dem Safe gelangt wären. Auch nach der hL liegt somit eine schwere Erpressung vor, sodass es auf einen Streitentscheid nicht ankommt.

5. A hat die unmittelbaren Tathandlungen ebenfalls arbeitsteilig mit ausgeführt.

Nein!

Die Tathandlungen des Raubes (§ 249 StGB) sind (1) Gewaltanwendung/Drohung und (2) die Wegnahme. Die Tathandlung der räuberischen Erpressung ist ebenfalls der Einsatz eines Nötigungsmittels. Zwar hatte A mit B und C einen gemeinsamen Tatplan und hat die Handlungen von B und C gekannt und gebilligt. Jedoch hat A selbst keine Gewalt angewendet oder jemandem gedroht. Er hat B und C zu O gefahren und dann im Auto gewartet, um im Anschluss mit B und C sowie der Beute wegzufahren. Zu diesem Zeitpunkt waren die räuberische Erpressung und der Raub jedoch bereits vollendet. Er hat somit nicht arbeitsteilig an der unmittelbaren Tat mitgewirkt und hatte bei der Tatausführung somit keine Tatherrschaft.

6. Mittäterschaft erfordert nach Auffassung des BGH zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und die Anwesenheit am Tatort.

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB sei, wer einen eigenen Tatbeitrag leiste und diesen so in die Tat einfüge, dass er als Teil der Handlung des anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handlung als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Der Mittäter müsse dabei aber nicht zwingend am Kerngeschehen teilnehmen oder am Tatort anwesend sein. Er könne die Tatbestandsverwirklichung auch in sonstiger Weise fördern, wenn seine Mitwirkung nach dem Willen der Beteiligten ein Teil der Tat ist. Ob eine Person Mittäter ist, sei stets anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen (RdNr. 8). Der BGH vertritt bei der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme die normative Kombinationstheorie. Bei der Gesamtbetrachtung werden objektive (Umfang der Tatbeteiligung, Tatherrschaft) und subjektive (Grad des eigenen Interesses, Wille zur Tatherrschaft) Elemente kombiniert.

7. Da A lediglich den Tipp zum Reichtum der O gab und bei der Tat nur den Abtransport verantwortete, scheidet er als Mittäter automatisch aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach Ansicht der Rechtsprechung ist die Tatherrschaft in Form des Einflusses des Täters auf die Tatausführung lediglich eines der Kriterien, welche bei der wertenden Gesamtbetrachtung in den Blick zu nehmen sei. Deshalb scheidet die Mittäterschaft nicht immer dann aus, wenn dieses schwach oder gar nicht ausgeprägt sei. Vielmehr könnten Defizite in diesem Bereich ausgeglichen werden, wenn andere der in die Prüfung einzustellenden Kriterien stärker ausgeprägt sind. Bildlich gesprochen muss sich ein Mittäter also nicht zwingend selbst die Hände schmutzig machen. Es muss sich bei seinem Beitrag aber jedenfalls um einen - ex ante - auch objektiv wesentlichen Beitrag handeln und nicht um bloße Billigung oder Kenntnis der Tat.

8. Da A für sein Mitwirken bloß €50 erhalten hat, scheidet er als Mittäter nach Auffassung des BGH aus.

Nein!

Das LG Mönchengladbach hatte den A wegen Beihilfe (§ 27 StGB) verurteilt und eine Mittäterschaft verneint. Zur Begründung führte es unter anderem As geringen Taterlös an. Der BGH hingegen befand, dass A zum einen einen für Mittäterschaft hinreichenden Einfluss auf die Tat ausübte (=Tatherrschaft). Er habe nicht nur als Tippgeber fungiert, sondern wirkte maßgebend an der Entstehung des gemeinsamen Tatentschlusses mit. Den von B geschmiedeten Plan kannte und billigte er. Mit seinen Fahrdiensten habe er für den Taterfolg bedeutsame Beiträge erbracht und hatte Einfluss auf die Zeit und die Art und Weise der Tatbegehung. Trotz des niedrigen Taterlöses sei zudem sein Tatinteresse als groß zu bewerten. Die Beute habe nämlich nicht dem Tatplan entsprochen, vielmehr habe A eine größere Tatbeute erwartet, mit der er in großem Umfang Schulden tilgen wollte. Bedeutsam für das Tatinteresse war im Originalfall auch, dass Mittäter B zu den Gläubigern des A gehörte. Für die Tatherrschaft sprach zudem, dass A eine Dienstjacke der Deutschen Post als Verkleidung besorgt hatte.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

23.1.2025, 00:06:14

Ich kann der Einordnung des A als Mittäter anhand der Angaben des Sachverhalts nicht folgen. Zunächst spricht § 25 II StGB davon, dass die Tat gemeinschaftlich "begangen" werden muss. Das impliziert die hervorgehobene Stellung des Merkmals der Tatherrschaft. Diese hatte A hier nicht, da er die Tat durch seine Fahrdienste zwar erleichterte, aber sicherlich das Tatgeschehen nicht planvoll lenkend in den Händen hielt. Wäre er vor Vollendung "ausgestiegen", so wären B und C eben anders zum Tatort gelangt bzw. hätten die Tat ohne A verwirklicht. Auch im Vorfeld der Tat lässt sich eine überragende Stellung des A nicht erkennen. Die Initiative zur Fassung des Tatplans ging von B aus, A willigte in diesen nur ein. Dass eine herausgehobene Stellung bei der Tatvorbereitung eine geringere Beteiligung bei der Tatausführung kompensieren kann, wurde ursprünglich für den "klassischen Bandenchef" entwickelt, der die Tat im Alleingang plant. Nicht hingegen für typische Gehilfen wie A. Auch das Tatinteresse ist angesichts der 50€ im Vergleich zu dem erbeuteten 500€ (zuzüglich des Schmuckes!) als eher gering zu werten. Dies spricht mE summa summarum - auch nach den Kriterien des BGH - gegen eine

Mittäterschaft

und eher für eine Beihilfe. Eine extensive Anwendung des § 25 II StGB halte ich angesichts des unterschiedlichen Strafmaßes und

Schuld

vorwurfs ("Du hast einen täterschaftlichen schweren Raub begangen!" vs. "Du hast Beihilfe zu einem schweren Raub geleistet!") für gefährlich.

SI

simonr

6.2.2025, 18:33:49

Nach objektiver Ansicht (Tatherrschaftslehre) ist Täter, wer als Zentralgestalt Tatherrschaft über das Geschehen hat, die Verwirklichung der Tat hemmen oder fördern kann. Ich würde sagen, dadurch, dass A derjenige gewesen ist, wer B (und C) auf die Idee zum Raub gegen O gebracht hat, ließe sich vertreten, A hätte zumindest die Tatausführung in dieser Weise gefördert. Ebenfalls spricht das Fluchtwagen-Fahren des A dafür= dadurch, dass er die Flucht vom Tatort ermöglicht, setzt ihn das in eine zentrale Position bei Ausführung der Tat, auch ohne das Messer gegen O zu führen. Wenn A jedoch vor Vollendung ausgestiegen wäre, ist für mich nicht ersichtlich inwiefern B und C in vergleichbarer Weise die Tat hätten beenden können. Ein Fluchtplan ist meines Erachtens für eine "ordentliche" Tatausführung unerlässlich, wie der Tatplan gegen das Opfer selber. Nach subjektiver Sicht ist auch nicht erkenntlich, dass A die Tat als rein

fremd

e Tat möchte. Gerade die Vorstellung des A, durch den späteren Erlös (Beuteteilung) seine

Schuld

en begleichen könnte, spricht doch dafür, dass A persönliches Interesse an der Tat hat. Dass B und C sich dann dafür entschieden haben, dem A nur einen geringen Anteil zu geben, schließt das bereits vorhandene Interesse an der Tat ja nicht mehr aus, lediglich As Vorstellungen über die Beuteteilung wurden nicht erfüllt. Sofern eine Beuteteilung im Spiel ist, ist diese regelmäßig Indiz für das persönliche Interesse der Tat. Und das führt dann mMn im Rahmen der Gesamtbetrachtung dazu, dass aufgrund des Tatinteresses des A und dem Umfang seiner Beteiligung an der Tat (liefert die Idee; lässt Flucht gelingen) zumindest die

Mittäterschaft

nicht so fernliegend wäre, wie du es darstellst. Zwar lässt sich die Gesamtbetrachtung durchaus kritisieren dahingehend, dass die Gewichtung der einzelnen Aspekte willkürlich erscheinen mag, aber in diesem Fall liegen sowohl objektive als auch subjektive Aspekte bei A bzgl. dessen Täterschaft vor, sodass davon eher keine Rede sein kann. Die von dir angesprochene Bandenchef-Thematik ist ja für die Fälle entwickelt worden, bei denen der "Bandenchef" aufgrund eines von ihm erstellten Tatplans das Fehlen am Tatort ausgleichen kann (Minus der Entscheidungsherrschaft bei Ausführung wird ausgeglichen durch Plus an Gestaltungsherrschaft bei Planung). Dabei ist aber zu beachten, dass der "Bandenchef" gar nicht erst mit am Tatort ist. A ist aber doch mit B und C am Tatort, sitzt aber eben einige Meter entfernt im Auto. Er hat somit ja genügend Entscheidungsherrschaft (könnte einfach wegfahren etc.), sodass er gar kein Minus ausgleichen müsste. Hier wäre viel eher die enge Tatherrschaftslehre zu beachten, die in solchen Fällen, zumindest die Zuschaltung des Mittäters über Funk oder Handy für Anweisungen oder ähnliches fordert. Hier ließe sich durchaus argumentieren, dass A möglicherweise während der Tatausführung durch B und C nicht im engeren Sinne "mitwirkt". Aber diese Ansicht sieht sich eigener Kritik ausgesetzt, dahingehend zu eng zu sein und solche Täter wie den "Bandenchef" ungebührend zu privilegieren. Nichts desto trotz ließe sich in der Klausur wohl beides vertreten, sofern der SV nicht in eine der beiden Richtungen noch mehr ausgestaltet wäre. Hier in der Aufgabe wird auch noch auf den Originalfall verwiesen, bei dem wohl noch andere Umstände dazukamen, welche den BGH dann im Endeffekt veranlasst haben dürften,

Mittäterschaft

über Teilnahme anzunehmen.

Erik_1995

Erik_1995

12.5.2025, 14:42:59

Moin ihr beiden, @[simonr](197213) @[Simon](131793) habt ihr vielleicht eine Antwort auf meine Frage? ich verstehe nicht ganz, weshalb der Streitentscheid entbehrlich ist. Die Rechtsprechung sieht doch vorliegend auch § 249 tatbestandlich verwirklicht an, die Literatur hingegen bereits tatbestandlich nicht. Erst auf Konkurrenzebene kommen beide abschließend zur selben Strafbarkeit. Muss ich dann den Streit nicht immer entscheiden? Denn wenn ich an der Stelle die Prüfung des Raubes abbreche, weil beide Ansichten §

§ 253

, 255 vorziehen, verkenne ich doch, dass die Rechtsprechung §

§ 253

, 255 zu § 249 tatbestandlich identisch betrachtet und erst auf Konkurrenzebene abgrenzt?

SI

simonr

12.5.2025, 19:52:16

@[Erik_1995](177911) Ich habe mir den Fall nochmal kurz angeschaut. Die Abgrenzungsproblematik wird bei der Frage nach der Strafbarkeit bzgl. des

Geld

es thematisiert, welches O in ihrem Safe aufbewahrte. Solche 'Code-' oder 'Schlüsselprobleme', bei denen der Täter nur durch aktives Mitwirken des Opfers an die Beute gelangen kann, sollten ja grundsätzlich schon im obj. Tatbestand angesprochen werden. Entweder entscheidet man sich dabei (wie die Rspr.) für

§ 249 StGB

und fängt mit der Prüfung an um dort im Rahmen der

Wegnahme

handlung das Problem zu erörtern. Andernfalls, wenn man die Lit. vertreten möchte, kann man direkt mit der Prüfung der §

§ 253

, 255 StGB anfangen und dann dort den ungeschriebenen Tatbestand der

Vermögensverfügung

thematisieren. Die Abgrenzung von §§ 249 und 253, 255 StGB auf Ebene der Konkurrenzen zu erledigen ist mir so noch nicht untergekommen. Meines Erachtens nach ist es weitaus besser die problematischen objektiven Tatbestände dort zu erörtern, wo es im Tatbestand sonst auch geprüft wird. Klausurtaktisch ist es auch besser nicht einen komplette Strafbarkeitsprüfung durchzuführen um aber bei den Konkurrenzen zu sagen, es ist doch eine andere Norm vorzugswürdig und die vorangegangene Prüfung somit überflüssig. In dem vorliegenden Fall ist meines Erachtens bereits klar, dass auf §

§ 253

, 255 StGB abgestellt wird. Es wird also der Literatur gefolgt, die eine Mitwirkung des Opfers anhand der inneren Willensrichtung (Verfügung) annimmt. Die Tat kann auch, wie hier geschehen, in verschiedene Abschnitte eingeteilt werden:

Wegnahme

des Schmucks -> Raub; Weggabe des

Geld

es durch O aus ihrem Safe -> räuberische Erpressung. Vielleicht ist es einfacher es nachzuvollziehen, wenn man die Tat in dieser Art aufteilt. Dieser Fall soll mMn wohl weniger auf die Abgrenzungsthematik eingehen, als

Mittäterschaft

zu behandeln. Möglicherweise findest du im Strafrecht BT Abschnitt hier bei Jurafuchs bessere Aufgaben für die Abgrenzungsthematik.

Erik_1995

Erik_1995

12.5.2025, 14:14:43

ich verstehe nicht ganz, weshalb der Streitentscheid entbehrlich ist. Die Rechtsprechung sieht doch vorliegend auch § 249 tatbestandlich verwirklicht an, die Literatur hingegen bereits tatbestandlich nicht. Erst auf Konkurrenzebene kommen beide abschließend zur selben Strafbarkeit. Muss ich dann den Streit eigentlich nicht immer entscheiden? Denn wenn ich an der Stelle die Prüfung des Raubes abbreche, weil beide Ansichten §

§ 253

, 255 vorziehen, verkenne ich doch, dass die Rechtsprechung §

§ 253

, 255 zu § 249 tatbestandlich identisch betrachtet und erst im Wege der

Gesetzeskonkurrenz

abgrenzt.

Erik_1995

Erik_1995

12.5.2025, 14:20:32

gerade im ersten Examen schießt man sich doch ins Knie wenn man § 249 tatbestandlich ausscheiden lässt, obwohl nach Rechtsprechung sowohl beim Geben als auch Nehmen § 249 tatbestandlich immer erfüllt ist?

Major Tom(as)

Major Tom(as)

12.5.2025, 17:31:08

So, wie ich es verstanden habe, wird hier im Fall zunächst

§ 249 StGB

bejaht und "nur" im Rahmen des §

§ 253

, 255 StGB der Streit aufgemacht, was dafür notwendig ist. Im §

§ 253

, 255 StGB kann der Streit hier tatsächlich dahinstehen (beides erfüllt). Aber, dass das keinen Sinn ergibt, dass man vorher den Raub bejaht (weil die Lit. den ja nicht bejahen würde - da stimme ich zu). Insbesondere kann man, wie du auch sagst, mE nicht einfach bei

§ 249 StGB

über das Problem "hinwegsehen" - hier wird es aber einfach "wegignoriert". Dass man sich "ins Knie schießt", wenn man § 249 ausscheiden lässt, würde ich so aber nicht sagen. Du prüfst den § 249 ja sowieso bis dahin, stellst dann den Streit dar und auf die Qualifikationen kommt man auch über den Verweis in §

§ 253

, 255 StGB zu sprechen. Zudem kann man innerhalb derer Rw. und

Schuld

ansprechen, also schneidet man sich eigentlich nichts ab...

Erik_1995

Erik_1995

12.5.2025, 17:40:23

@[Major Tom(as)](258980) ja safe, bin da ganz bei dir. Mit "ins Knie schießen" meinte ich eher, dass man beim Prüfen des § 249 bei der

Wegnahme

nicht den Streit darstellen kann, dabei sagt, es komme bei der

Wegnahme

nicht auf den Streit an (weil beide Ansichten §

§ 253

, 255 einschlägig sehen) dann mit der Prüfung aufhört und zu

§ 253

übergeht. Denn damit zeigt man, dass man die Ansicht der Rechtsprechung nicht verstanden hat. Die Rechtsprechung sieht ja gerade auch bei der Weggabe durch das Opfer § 249 vollständig tatbestandlich verwirklicht. Erst auf Konkurrenzebene tritt eines zurück. Also fange ich mit § 249 an muss ich ja zwingend nahezu immer den Streit entscheiden weil ich je nach Ansicht entweder weiterprüfe ( Rechtsprechung) oder aufhöre und mit

§ 253

weitermache (Lit). Bei §

§ 253

, 255 kann der Streit dahinstehen. Es ist insofern schwierig, als dass der Streit irgendwie halb im Tatbestand relevant ist (Literaturmeinung) halb aber erst auf Konkurrenzebene (Rspr). Frage mich wie man das am besten dogmatisch sauber im Examen hinbekommt. Wie würdest du exakt vorgehen wenn du mit § 249 anfängst und bei der

Wegnahme

den Streit darstellst im hiesigen Fall?

Major Tom(as)

Major Tom(as)

12.5.2025, 17:59:50

Ah ok, i get your point, das stimmt schon! Ich persönlich finde es am saubersten, wenn man sich bei § 249 schon fest entscheidet, welcher Meinung man folgt. Und, da ich die Literaturmeinung für überzeugender halte (warum sollte es sonst denn den § 249 I überhaupt geben, wenn man sowieso §

§ 253

, 255 in jedem dieser Fälle bejaht (?) Die Verweisung in den Raub wäre dann ja sinnfrei und den Gesetzgeber hier für so dämlich zu halten, erscheint mir dann doch als etwas "anmaßend" - dem BGH aber ja anscheinend nicht ;)). Dementsprechend würde ich § 249 I StGB mangels

Wegnahme

verneinen und dann zu §

§ 253

, 255 kommen. Das dann mit der

Vermögensverfügung

eben bejahen. (Hier kann man ergänzend anbringen, dass die Norm nach Ansicht der Rspr. auch ohne

Vermögensverfügung

zu bejahen wäre und hat alles in allem eine saubere Prüfung.) Kann man sicher auch anders machen, aber ist meine "go-to-Lösung")

Major Tom(as)

Major Tom(as)

12.5.2025, 18:02:01

(mE muss man, wenn man die BGH-Meinung bejahen möchte, mit §

§ 253

, 255 anfangen - sonst ergibt das Ganze, wie du auch sagst, wenig Sinn)

Erik_1995

Erik_1995

12.5.2025, 19:00:07

Verstehe, einfache Antworten auf komplexe Fragen sind mal eine schöne Abwechslung :D Dann mache ich es wie du sagst, stets Literatur folgen spart Zeit, Aufbauprobleme und ist logisch. Danke!

RO

Roxxin

15.5.2025, 09:32:49

es wäre schön, wenn ihr die Details des Falls in der letzten Aufgabe schon in der Frage genannt hättet. dann könnten wir uns selbst die Abwägung überlegen. so stochern wir im Dunkeln und sehen in der Lösung zur Frage völlig neue Aspekte, die die Bewertung des Sachverhalts vollständig ändern.


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