Abgrenzung Mittäterschaft und Beihilfe

25. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A erzählt B von Os Reichtum. B will sie daher überfallen. A willigt ein, um mit der Beute seine Schulden tilgen zu können. Sie fahren mit C zu O, A wartet als Fahrer im Auto. B und C bedrohen O mit einem Messer und erbeuten dann Schmuck. O gibt ihnen aus Angst zudem €500 aus ihrem Safe. A erhält €50 für seine Beteiligung.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung Mittäterschaft und Beihilfe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B und C könnten sich durch die Mitnahme des Schmuckes wegen Raubes strafbar gemacht haben (§ 249 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Wegen Raubes macht sich strafbar, wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache wegnimmt, um diese sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. In § 250 StGB finden sich mit dem schweren Raub zwei Qualifikationen des Grundtatbestandes. Erfüllt der Täter eine der Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 StGB droht eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 StGB liegt die Freiheitsstrafe bei nicht unter fünf Jahren.
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2. B und C haben den Raub mittäterschaftlich verwirklicht (§ 25 Abs. 2 StGB)

Ja!

Begehen mehrere eine Straftat gemeinschaftlich, wird jeder als Täter bestraft (§ 25 Abs. 2 StGB). Mittäterschaft setzt (1) eine gemeinsame Tatausführung mit wesentlichen Tatbeiträgen sowie (2) einen Entschluss zur gemeinsamen, arbeitsteilig auf vergleichbarer Ebene begangenen Tat voraus. B und C hatten (zusammen mit A) geplant, die O zu überfallen, um sich ihre Wertgegenstände zuzueignen. Sie haben O dann mit einem Messer gedroht. Die Wegnahme vollzogen sie, indem sie Os Schmuck und damit eine fremde bewegliche Sache entwendeten. Auch der raubspezifische Zusammenhang begegnet keinen Bedenken. Den Schmuck wollten sie sich und A zueignen. Auf die mittäterschaftliche Zurechnung musst Du in der Klausur immer nur dann eingehen, wenn die Täter jeweils für sich genommen nur Teilbeiträge erbracht haben.

3. Indem B und C O mit einem Messer drohten, haben sie sich wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht.

Genau, so ist das!

Nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB muss der Täter ein gefährliches Werkzeug verwenden. Das ist der Fall, wenn er es in einer dem Nötigungszweck dienenden Weise gebraucht. Für die Definition des gefährlichen Werkzeugs greift die Rspr. auf § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zurück: Ein gefährliches Werkzeug ist danach jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Verwendung im Einzelfall dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Bei einer Drohung genügt, wenn eine Verwendung als gefährliches Werkzeug i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB angedroht wird. B und C stellten O in Aussicht, sie mit dem Messer erheblich zu verletzen. Sie drohten also vorsätzlich mit einem gefährlichen Werkzeug. Der § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist erfüllt. Ein Rückgriff auf § 224 StGB scheidet dagegen aus, wenn nur ein Beisichführen verlangt wird (so in § 250 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB), da eine Bestimmung anhand der Verwendung ausscheidet. Mehr zu dem dann streitigen Werkzeugbegriff findest Du: hier!

4. Hinsichtlich des Geldes haben B und C sich wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung strafbar gemacht (§§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Eine Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung setzt nach der Rechtsprechung (1) eine Nötigungshandlung, (2) einen Nötigungserfolg, (3) Finalität zwischen beidem, (4) Vorsatz und (5) Bereicherungsabsicht voraus. Die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter als Mittel der Nötigungshandlung ein gefährliches Werkzeug verwendet hat. B und C haben O vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht durch Drohung mit einem empfindlichen Übel - Verletzung durch ein Messer - (Nötigungshandlung) final zur Herausgabe des Geldes (Nötigungserfolg) genötigt. Dabei verwendeten sie mit dem Messer auch ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB. Die Rspr. stellt zur Abgrenzung vom Raub auf das äußere Erscheinungsbild ab (Weggabe, statt Wegnahme). Die h.L. fordert dagegen zusätzlich eine Vermögensverfügung (=innere Willensrichtung maßgeblich). Eine solche liegt aber vor, da ohne Os Mitwirkung B und C nicht an das Geld aus dem Safe gelangt wären. Auch nach der hL liegt somit eine schwere Erpressung vor, sodass es auf einen Streitentscheid nicht ankommt.

5. A hat die unmittelbaren Tathandlungen ebenfalls arbeitsteilig mit ausgeführt.

Nein!

Die Tathandlungen des Raubes (§ 249 StGB) sind (1) Gewaltanwendung/Drohung und (2) die Wegnahme. Die Tathandlung der räuberischen Erpressung ist ebenfalls der Einsatz eines Nötigungsmittels. Zwar hatte A mit B und C einen gemeinsamen Tatplan und hat die Handlungen von B und C gekannt und gebilligt. Jedoch hat A selbst keine Gewalt angewendet oder jemandem gedroht. Er hat B und C zu O gefahren und dann im Auto gewartet, um im Anschluss mit B und C sowie der Beute wegzufahren. Zu diesem Zeitpunkt waren die räuberische Erpressung und der Raub jedoch bereits vollendet. Er hat somit nicht arbeitsteilig an der unmittelbaren Tat mitgewirkt und hatte bei der Tatausführung somit keine Tatherrschaft.

6. Mittäterschaft erfordert nach Auffassung des BGH zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und die Anwesenheit am Tatort.

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB sei, wer einen eigenen Tatbeitrag leiste und diesen so in die Tat einfüge, dass er als Teil der Handlung des anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handlung als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Der Mittäter müsse dabei aber nicht zwingend am Kerngeschehen teilnehmen oder am Tatort anwesend sein. Er könne die Tatbestandsverwirklichung auch in sonstiger Weise fördern, wenn seine Mitwirkung nach dem Willen der Beteiligten ein Teil der Tat ist. Ob eine Person Mittäter ist, sei stets anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen (RdNr. 8). Der BGH vertritt bei der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme die normative Kombinationstheorie. Bei der Gesamtbetrachtung werden objektive (Umfang der Tatbeteiligung, Tatherrschaft) und subjektive (Grad des eigenen Interesses, Wille zur Tatherrschaft) Elemente kombiniert.

7. Da A lediglich den Tipp zum Reichtum der O gab und bei der Tat nur den Abtransport verantwortete, scheidet er als Mittäter automatisch aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach Ansicht der Rechtsprechung ist die Tatherrschaft in Form des Einflusses des Täters auf die Tatausführung lediglich eines der Kriterien, welche bei der wertenden Gesamtbetrachtung in den Blick zu nehmen sei. Deshalb scheidet die Mittäterschaft nicht immer dann aus, wenn dieses schwach oder gar nicht ausgeprägt sei. Vielmehr könnten Defizite in diesem Bereich ausgeglichen werden, wenn andere der in die Prüfung einzustellenden Kriterien stärker ausgeprägt sind. Bildlich gesprochen muss sich ein Mittäter also nicht zwingend selbst die Hände schmutzig machen. Es muss sich bei seinem Beitrag aber jedenfalls um einen - ex ante - auch objektiv wesentlichen Beitrag handeln und nicht um bloße Billigung oder Kenntnis der Tat.

8. Da A für sein Mitwirken bloß €50 erhalten hat, scheidet er als Mittäter nach Auffassung des BGH aus.

Nein!

Das LG Mönchengladbach hatte den A wegen Beihilfe (§ 27 StGB) verurteilt und eine Mittäterschaft verneint. Zur Begründung führte es unter anderem As geringen Taterlös an. Der BGH hingegen befand, dass A zum einen einen für Mittäterschaft hinreichenden Einfluss auf die Tat ausübte (=Tatherrschaft). Er habe nicht nur als Tippgeber fungiert, sondern wirkte maßgebend an der Entstehung des gemeinsamen Tatentschlusses mit. Den von B geschmiedeten Plan kannte und billigte er. Mit seinen Fahrdiensten habe er für den Taterfolg bedeutsame Beiträge erbracht und hatte Einfluss auf die Zeit und die Art und Weise der Tatbegehung. Trotz des niedrigen Taterlöses sei zudem sein Tatinteresse als groß zu bewerten. Die Beute habe nämlich nicht dem Tatplan entsprochen, vielmehr habe A eine größere Tatbeute erwartet, mit der er in großem Umfang Schulden tilgen wollte. Bedeutsam für das Tatinteresse war im Originalfall auch, dass Mittäter B zu den Gläubigern des A gehörte. Für die Tatherrschaft sprach zudem, dass A eine Dienstjacke der Deutschen Post als Verkleidung besorgt hatte.
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