Öffentliches Recht
Grundrechte
Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)
Kopftuch 2: Sachbearbeiterin in Behörde ohne Auftritt nach Außen
Kopftuch 2: Sachbearbeiterin in Behörde ohne Auftritt nach Außen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh an und ist der insgeheime Star-Beamte der Behörde B, denn er bearbeitet Akten in Rekordgeschwindigkeit und ist allseits beliebt. Da S seinen religiös verpflichtenden Turban (dastār) trägt, hat Behördenleiter L ihn in ein Kellerbüro verbannt. Schließlich entlässt L den S wegen seines Turbans.
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Einordnung des Falls
Kopftuch 2: Sachbearbeiterin in Behörde ohne Auftritt nach Außen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S kann sich wegen seiner Entlassung nicht auf die Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) berufen, da diese auf Beamte nicht anwendbar ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Glaubensfreiheit schützt S Freiheit, seinen Glauben durch das Tragen eines Turbans auf der Arbeit nach außen kundzutun.
Ja, in der Tat!
3. Die Glaubensfreiheit unterliegt ausschließlich verfassungsimmanenten Schranken. Die Entlassung des S als Eingriff in die Glaubensfreiheit bedarf daher keiner einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
Nein!
4. Im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs in die Glaubensfreiheit des S erfolgt eine Einzelfallabwägung der widerstreitenden Rechtsgüter.
Genau, so ist das!
5. Die Entlassung des S kann verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden, da durch das Tragen des Turbans keine konkrete Gefahr für widerstreitende Verfassungsgüter besteht.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Dogu
15.6.2024, 18:20:26
Ich tue mich schwer damit, den Arbeitseifer des Beamten in die Subsumtion aufzunehmen. Polemisch gesagt, kann es doch am Ergebnis nichts ändern, wenn ein Beamter wegen seiner religiösen Kopfbedeckung entlassen wird, ob er außerdem faul oder fleißig war. Das tut doch nichts zur Sache. Selbst wenn er faul gewesen wäre, ist dieser Umstand ja nicht auf seine Kopfbedeckung zurückzuführen. Auch eine etwaige Gefährdung Dritter in diesem Falle (Untätigkeit) hätte nichts mit der Kopfbedeckung zu tun.
in persona
6.7.2024, 23:02:26
da hast natürlich vollkommen Recht mit deiner Argumentation: ich denke es geht lediglich darum klarzustellen,dass kein Kündigungsgrund vorgelegen hat
Tobias Krapp
1.8.2024, 12:02:55
Hallo Dogu, danke für die absolut berechtigte Anmerkung! Wie in persona schon dazu richtig geschrieben hat, geht es hier bei diesem Punkt nur um die nicht gegebene verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Die Leistung des S spielt für eine konkrete Gefahr als solche zwar keine Rolle. Das VG Kassel hat im Originalfall (in dem es lediglich um das Verbot des Tragens der Kopfbedeckung ging, nicht um eine Kündigung) aber noch angemerkt, dass bei Anhaltspunkten für "konkrete Konfliktlagen", in denen eine "Erstbegehunsgefahr" für schädigendes Verhalten durch den Beamten besteht, eine konkrete Gefahr und damit ein Verbot des Tragens in Betracht kommt. Hierfür kann das dienstliche Verhalten eine Rolle spielen. Man müsste aber klar unterscheiden zwischen solchen Punkten in der Arbeitsleistung, die ohnehin keinen Bezug zu einer Gefährdung durch die Kopfbedeckung haben, wie die von dir genannte allgemeine Untätigkeit, und anderem Verhalten. Die Beschreibung in Sachverhalt und Subsumtion ist hier sehr allgemein und kurz und soll lediglich zeigen, dass hier keinerlei auch nur denkbare Anhaltspunkte im Verhalten des S eine im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr stützen, da keine Probleme bestehen. Ich hoffe, das hat die Unklarkeit beseitigt! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias @[Wendelin Neubert](409)
Robert
10.8.2024, 15:57:56
Der Sachverhalt ist auch insofern etwas schief, als dass Beamte nicht einfach entlassen werden können. Egal, ob sie Turan tragen oder nicht. 
Max S.
8.8.2024, 18:06:40
Ist die Verlegung in das Kellerbüro selbst auch schon ein Eingriff?
⚖️ Luca
31.8.2024, 15:39:48
Kann ich mir gut vorstellen. Evtl. wären mehr Informationen im SV hilfreich, aber das „Abschotten“ von den anderen Beamten, eben weil der Beamte gläubig ist und dementsprechende Kleidung trägt, dürfte einen Eingriff darstellen.