Strafzumessung - Minder schwerer Fall

7. November 2025

12 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. A war geständiger Ersttäter, das Opfer nur leicht verletzt und der entwendete Gegenstand nur zehn Euro wert. Das Tatgericht legte den normalen Strafrahmen von „nicht unter einem Jahr“ ohne weitere Begründung zugrunde.

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Einordnung des Falls

Strafzumessung - Minder schwerer Fall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Legen die Urteilsfeststellungen die Annahme eines minder schweren Falles nahe, enthält das Urteil einen Darstellungsfehler, wenn das Tatgericht dies im Urteil nicht anspricht.

Ja!

Ob ein minder schwerer Fall und damit eine Strafrahmenverschiebung anzunehmen ist, obliegt im Wesentlichen der Beurteilung durch den Tatrichter. Dessen Einschätzung ist in der Revision nur eingeschränkt überprüfbar. Das Tatgericht muss das Vorliegen eines minder schweren Falles aber jedenfalls dann ausdrücklich erörtern, wenn sich dieser nach den Feststellungen aufdrängt oder zumindest nicht fern liegt. Anderenfalls liegt ein Darstellungsfehler vor, auf den die Revision gestützt werden kann (§ 337 Abs. 1 StPO).
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2. Legen die Urteilsfeststellungen hier einen minder schwereren Fall des Raubes nahe (§ 249 Abs. 2 StGB)?

Genau, so ist das!

Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn die mildernden Faktoren beträchtlich überwiegen. Dies ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommen, zu bewerten, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder folgen. In Frage kommen etwa das Tatgeschehen selbst, das Vor- und Nachtatverhalten und die Folgen von Tat, Strafe und Verfahren in ihrer Wirkung auf den Täter. Beim Raub ist es zu berücksichtigen, wenn das Maß der Gewalt sehr gering ist. Der Umstand, dass A als Ersttäter handelte, im Prozess geständig war, die Gewalt nur sehr geringe Folgen für das Opfer hatte und die Beute sehr geringwertig war, legt die Annahme eines minder schweren Falles in der Gesamtbetrachtung nahe.

3. Das Urteil wird durch das Revisionsgericht wegen des Darstellungsfehlers insgesamt aufgehoben und zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

Das Urteil ist nur aufzuheben, „soweit“ die Revision begründet ist (§ 353 Abs. 1 StPO). Eine Teilaufhebung ist nur zulässig, wenn der für die Aufhebung vorgesehene Urteilsteil selbstständig geprüft und rechtlich beurteilt werden kann, ohne dass auf die übrigen Teile der Entscheidung eingegangen zu werden braucht. Regelmäßig wird dies bei einer isolierten Aufhebung des Strafausspruchs wie hier der Fall sein. Das Revisionsgericht hebt das Urteil des Tatgerichts dann nur „im Strafausspruch“ auf und verweist es an einen anderen Spruchkörper des Ausgangsgerichts zurück (§ 354 Abs. 2 StPO).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

RO

royson

16.4.2025, 14:22:42

Ist die Aufgabe ein Beispiel für die

Darstellungsrüge

(oder warum ist von Darstellungsfehler die Rede)?

MO

Moritz94

13.7.2025, 16:02:53

Push, @[Lukas_Mengestu](136780) @[

Nora Mommsen

](178057) @[

Linne Hempel

](243622)

Max08152

Max08152

28.7.2025, 11:02:19

Ich würde sagen, ja. Aufgrund der fehlenden Angaben zum Vorliegen oder Nicht-Vorliegen eines minder schweren Falles ist es dem Revisionsgericht nicht möglich zu überprüfen, ob das Gericht diesen zu Recht abgelehnt/angenommen hat. Insoweit hat das erstinstanzliche Gericht zwar Ermessen, dieses ist aber nicht grenzenlos und unterliegt in gewissem Rahmen auch der Kontrolle des Revisionsgerichts.

SPA

sparfüchsin

25.5.2025, 13:59:33

Auch hier die Frage, welchen Antrag ich stelle, wenn es um die Begutachtung der Aussichten einer Revision geht.

LEXA

lexa

7.6.2025, 12:23:01

mE hier dann auch die Aufhebung der Feststellungen, da nicht nur materielles Recht fehlerhaft angewendet wurde

ODI

Odin

23.6.2025, 10:56:52

@lexa welche Feststellungen würdest du denn aufheben bzw als fehlerhaft festgestellt ansehen? Ich würde behaupten, dass nur die materielle Anwendung (bzw die Gründe gegen die Anwendunh) von § 249 II StGB fehlerhaft nicht erörtert wurde. Das würde allerdings nur die rechtliche Wertung im Rechtsfolgenausspruch betreffen, sodass nur dieser anzugreifen wäre. Lasse mich aber gerne korrigieren 😅

LEXA

lexa

30.6.2025, 17:40:22

Aber das Revisionsgericht darf doch im Regelfall (wie auch die Beweiswürdigung) keine eigene Strafzumessung vornehmen. Die Strafzumessung soll aufgrund des Gesamtbilds der Verhandlung erfolgen... Laut BGH gilt: "Die Strafbemessung ist grundsätzlich

Sache

des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, sie von unzutreffenden

Tatsachen

ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt." Der Kommentar nennt iRd § 354 StPO bei der Strafzumessung nur, dass die Entscheidung bei klaren Fällen durch das Revisionsgericht erfolgen kann, bspw. bei § 211 StGB. So habe ich es jedenfalls bisher verstanden :)

ODI

Odin

30.6.2025, 19:48:57

@[lexa](296525) vielleicht schreiben wir aneinander vorbei? Mein Problem ist nicht, dass du davon ausgehst, dass das Urteil in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch aufgehoben wird und das Revisionsgericht keine eigene abschließende Entscheidung über die Rechtsfolge trifft. Ich verstehe den Fall aber so, dass die Feststellungen per se richtig sind und nur die Anwendung des msF fehlerhaft unterblieben ist. Dann muss ich ja aber die tatsächlichen Feststellungen zum Straf-/Rechtsfolgenausspruch nicht aufheben, sondern nur eine neue Rechtsanwendung also Strafzumessung herbeiführen, aber die tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Oder versteh ich das hier falsch?

MO

Moritz94

10.7.2025, 18:36:39

Push, @[

Nora Mommsen

](178057) @[

Linne Hempel

](243622) @[Leo Lee](213375)

PH

PhilippRhein

23.7.2025, 11:43:17

@[Odin](96883) ich würde das so sehen wie du! Der Antrag müsste dann lauten: Es wird beantragt, das Urteil [...] im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Große Strafkammer des Landgerichts [...] zurück zu verweisen.


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