Zivilrecht

Kaufrecht

Nacherfüllung

Beschränkung des § 439 III auf den gutgläubigen Einbau

Beschränkung des § 439 III auf den gutgläubigen Einbau

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Neues Kaufrecht 2022

Hobby-Gärtner G will in seinem Garten Rollrasen verlegen. Dafür bestellt er im Geschäft des Rasenhändlers R 50m² Rollrasen. Als dieser geliefert wird, sieht G, dass der Rasen mit Läusen befallen ist, die – wie er weiß – den Rasen zerstören könnten. Dennoch lässt er den Rollrasen für €1000 verlegen. Nach einer Woche ist der Rasen aufgefressen; G will neuen Rasen und Ersatz der angefallenen Ausbau- und Einbaukosten.

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Einordnung des Falls

Beschränkung des § 439 III auf den gutgläubigen Einbau

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat der Käufer einen Nacherfüllungsanspruch, kann er grundsätzlich Ersatz der Kosten für Ausbau der mangelhaften und Einbau der mangelfreien Sache verlangen (§ 439 Abs. 3 BGB).

Ja!

Hat der Käufer eine mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, so ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer im Rahmen der Nacherfüllung die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen (§ 439 Abs. 3 S. 1 BGB). Der Anspruch setzt kein Verschulden voraus. Unter die Regelung fällt dabei nicht nur der Einbau von Fliesen, sondern auch vergleichbare Vorgänge wie das Anbringen von Baumaterialien (Dachrinnen, Farben, Lacke etc.).
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2. Der Nacherfüllungsanspruch (§ 439 Abs. 1 BGB) des G ist ausgeschlossen, weil er den Mangel bei Vertragsschluss kannte (§ 442 Abs. 1 S. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Rechte des Käufers wegen eines Mangels sind im allgemeinen Kaufrecht ausgeschlossen, wenn der Käufer bei Vertragsschluss den Mangel kennt oder grob fahrlässig nicht kennt (§ 442 Abs. 1 BGB). Auf Verbrauchsgüterkäufe (§ 474 Abs. 1 BGB) findet die Regelung allerdings keine Anwendung (§ 475 Abs. 3 BGB).G erwirbt die Ware „Rasen“ für den privaten Gebrauch und damit als Verbraucher (§ 13 BGB). R ist Unternehmer (§ 14 BGB), somit liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor. § 442 BGB findet somit keine Anwendung.§ 475 Abs. 3 BGB wurde zum 01.01.2022 neu gefasst. Nach vorheriger Rechtslage war § 442 Abs. 1 S. 1 BGB auch bei Verbrauchsgüterkäufen anwendbar. Da G bei Vertragsschluss den Mangel aber nicht kannte, wäre Gs Anspruch auch nach alter Rechtslage nicht an § 442 Abs. 1 S. 1 BGB gescheitert.

3. Der Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der Einbaukosten (§ 439 Abs. 3 BGB) des G ist ausgeschlossen, weil er den Mangel vor dem Verlegen des Rollrasens kannte.

Ja, in der Tat!

Der Kostenerstattungsanspruchs ist ausgeschlossen, wenn der Mangel dem Käufer vor Einbau der mangelhaften Sache offenbar wurde (§ 439 Abs. 3 BGB). Der Anspruch des Käufers auf Aufwendungsersatz ist damit auf dessen gutgläubigen Einbau beschränkt. Der Ausschluss bezieht sich allerdings lediglich auf die Ein- und Ausbaukosten, nicht und nicht auf den Nacherfüllungsanspruch insgesamt (wie es bei § 442 Abs. 1 der Fall wäre).G hatte bereits vor dem Verlegen des Rasens Kenntnis von dem Mangel.Zum 1.1.2022 wurde § 439 Abs. 3 BGB neu gefasst. Zuvor verwies § 439 Abs. 3 S. 2 BGB a.F. auf § 442 BGB, sodass auch grob fahrlässige Unkenntnis zum Ausschluss des Kostenerstattungsanspruchs führte. Nach § 439 Abs. 3 BGB schadet dagegen nur positive Kenntnis („offenbar“).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

8.4.2021, 17:27:20

Dass diese Regelungen auf eine Reform beruhen, mit der (ich glaube es war EuGH-Rechtsprechung) umgesetzt wurde, muss ich also in meiner Klausurlösung nicht (mehr) ausführen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.4.2021, 20:22:15

In der Tat ist die Bodenfliesenentscheidung des EuGH, Urt. V. 16.6.2011 (Az. C-65/09), durch die Einführung des § 439 Abs. 3 BGB nunmehr nur noch rechts"historisches" Hintergrundwissen. Zudem hat sich auch die Frage erledigt, ob ein entsprechender Anspruch auch zwischen Unternehmern gilt, denn die

Verbrauchsgüterkauf

richtlinie aus der der EuGH ist hier nicht anwendbar. Der deutsche Gesetzgeber hat diese insoweit überschießend umgesetzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.4.2021, 20:25:38

*aus der der EuGH den Kostenerstattungsanspruch abgeleitet hat,

Tobias Holm

Tobias Holm

7.5.2022, 17:45:53

Liege ich richtig in der Annahme, dass vorliegend ein Anspruch aus § 439 III BGB auch dann nicht gem. § 442 I 1 BGB ausgeschlossen wäre, wenn G den Mangel (Rasen mit Läusen befallen) bereits bei Vertragsschluss kannte? Es würde sich vorliegend um einen

Verbrauchsgüterkauf

gem. § 474 I 1 BGB handeln, bei welchem die Anwendung des § 442 BGB gem. § 475 III 2 BGB untersagt ist. Anschließend wäre dann natürlich ein Anspruch aus § 439 III BGB weiterhin durch die Vorkenntnis des Mangels nicht entstanden. Würde der Anspruch auf Nacherfüllung jedoch trotz der Vorkenntnis des Mangels weiterhin bestehen? Vielen Dank im Voraus. :) Beste Grüße Tobias

Eichhörnchen I

Eichhörnchen I

10.5.2022, 11:07:52

Mit der Änderung des Kaufrechts zum 01.01.2022 wurde auch Paragraf 475 Abs. 3 BGB neu gefasst (Umsetzung der Warenkaufrichtlinie: WKRL sieht einen Ausschluss der Mängelrechte bei Kenntnis des Käufers nicht vor). Damit können Verbraucher, wie du schon sagst, Mängelrechte geltend machen, obwohl sie den Mangel bei Vertragsschluss kannten. Insoweit könnte man den Fall aktualisieren😊

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.5.2022, 12:22:06

Danke euch beiden für die Anmerkungen! In der Tat ändert sich hier im Ergebnis nichts, aber durchaus in der Begründung. In der Tat hat sich hier durch die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie einiges getan. Wir haben den Fall entsprechend angepasst :-) Wichtig: Auch wenn § 439 Abs. 3 BGB nun nicht mehr auf § 442 BGB verweist, so ist der Anspruch auf Erstattung der Kosten hier dennoch ausgeschlossen, da G der Mangel "offenbar" war und er insofern

positive Kenntnis

hatte. Damit entfallen zumindest die Erstattungsansprüche bzgl. Ein- u. Ausbau des Rasens. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Tobias Holm

Tobias Holm

10.5.2022, 12:32:47

Super, vielen Dank euch beiden! :)

DIAA

Diaa

2.10.2023, 19:50:15

Wäre dann auch ein solcher Anspruch iSd § 439 III ausgeschlossen, wenn der Käufer die mangelhafte Sache nicht ordnungsgemäß einbaut?

LELEE

Leo Lee

7.10.2023, 17:45:28

Hallo Diaa, in der Tat wird der Anspruch gem. § 439 III BGB dann ausgeschlossen, wenn der Käufer die Sache entgegen ihrer funktionellen Bestimmung verwendet. Was darunter bedeutet, ist auch in Kommentaren leider nicht klar konturiert und wird wohl nach dem Einzelfall zu beurteilen sein. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 8. Auflage, Westermann § 439 Rn. 18 und BT-Drs. 18/11437 S. 40 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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