Beschränkung des § 439 III auf den gutgläubigen Einbau
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Hobby-Gärtner G will in seinem Garten Rollrasen verlegen. Dafür bestellt er im Geschäft des Rasenhändlers R 50m² Rollrasen. Als dieser geliefert wird, sieht G, dass der Rasen mit Läusen befallen ist, die – wie er weiß – den Rasen zerstören könnten. Dennoch lässt er den Rollrasen für €1000 verlegen. Nach einer Woche ist der Rasen aufgefressen; G will neuen Rasen und Ersatz der angefallenen Ausbau- und Einbaukosten.
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Einordnung des Falls
Beschränkung des § 439 III auf den gutgläubigen Einbau
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat der Käufer einen Nacherfüllungsanspruch, kann er grundsätzlich Ersatz der Kosten für Ausbau der mangelhaften und Einbau der mangelfreien Sache verlangen (§ 439 Abs. 3 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Nacherfüllungsanspruch (§ 439 Abs. 1 BGB) des G ist ausgeschlossen, weil er den Mangel bei Vertragsschluss kannte (§ 442 Abs. 1 S. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Der Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der Einbaukosten (§ 439 Abs. 3 BGB) des G ist ausgeschlossen, weil er den Mangel vor dem Verlegen des Rollrasens kannte.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
8.4.2021, 17:27:20
Dass diese Regelungen auf eine Reform beruhen, mit der (ich glaube es war EuGH-Rechtsprechung) umgesetzt wurde, muss ich also in meiner Klausurlösung nicht (mehr) ausführen?
Lukas_Mengestu
8.4.2021, 20:22:15
In der Tat ist die Bodenfliesenentscheidung des EuGH, Urt. V. 16.6.2011 (Az. C-65/09), durch die Einführung des § 439 Abs. 3 BGB nunmehr nur noch rechts"historisches" Hintergrundwissen. Zudem hat sich auch die Frage erledigt, ob ein entsprechender Anspruch auch zwischen Unternehmern gilt, denn die
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie aus der der EuGH ist hier nicht anwendbar. Der deutsche Gesetzgeber hat diese insoweit überschießend umgesetzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lukas_Mengestu
8.4.2021, 20:25:38
*aus der der EuGH den Kostenerstattungsanspruch abgeleitet hat,
Tobias Holm
7.5.2022, 17:45:53
Liege ich richtig in der Annahme, dass vorliegend ein Anspruch aus § 439 III BGB auch dann nicht gem. § 442 I 1 BGB ausgeschlossen wäre, wenn G den Mangel (Rasen mit Läusen befallen) bereits bei Vertragsschluss kannte? Es würde sich vorliegend um einen
Verbrauchsgüterkaufgem. § 474 I 1 BGB handeln, bei welchem die Anwendung des § 442 BGB gem. § 475 III 2 BGB untersagt ist. Anschließend wäre dann natürlich ein Anspruch aus § 439 III BGB weiterhin durch die Vorkenntnis des Mangels nicht entstanden. Würde der Anspruch auf Nacherfüllung jedoch trotz der Vorkenntnis des Mangels weiterhin bestehen? Vielen Dank im Voraus. :) Beste Grüße Tobias
Eichhörnchen I
10.5.2022, 11:07:52
Mit der Änderung des Kaufrechts zum 01.01.2022 wurde auch Paragraf 475 Abs. 3 BGB neu gefasst (Umsetzung der Warenkaufrichtlinie: WKRL sieht einen Ausschluss der Mängelrechte bei Kenntnis des Käufers nicht vor). Damit können Verbraucher, wie du schon sagst, Mängelrechte geltend machen, obwohl sie den Mangel bei Vertragsschluss kannten. Insoweit könnte man den Fall aktualisieren😊
Lukas_Mengestu
10.5.2022, 12:22:06
Danke euch beiden für die Anmerkungen! In der Tat ändert sich hier im Ergebnis nichts, aber durchaus in der Begründung. In der Tat hat sich hier durch die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie einiges getan. Wir haben den Fall entsprechend angepasst :-) Wichtig: Auch wenn § 439 Abs. 3 BGB nun nicht mehr auf § 442 BGB verweist, so ist der Anspruch auf Erstattung der Kosten hier dennoch ausgeschlossen, da G der Mangel "offenbar" war und er insofern
positive Kenntnishatte. Damit entfallen zumindest die Erstattungsansprüche bzgl. Ein- u. Ausbau des Rasens. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Tobias Holm
10.5.2022, 12:32:47
Super, vielen Dank euch beiden! :)
Diaa
2.10.2023, 19:50:15
Wäre dann auch ein solcher Anspruch iSd § 439 III ausgeschlossen, wenn der Käufer die mangelhafte Sache nicht ordnungsgemäß einbaut?
Leo Lee
7.10.2023, 17:45:28
Hallo Diaa, in der Tat wird der Anspruch gem. § 439 III BGB dann ausgeschlossen, wenn der Käufer die Sache entgegen ihrer funktionellen Bestimmung verwendet. Was darunter bedeutet, ist auch in Kommentaren leider nicht klar konturiert und wird wohl nach dem Einzelfall zu beurteilen sein. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 8. Auflage, Westermann § 439 Rn. 18 und BT-Drs. 18/11437 S. 40 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo