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Sachenrecht

Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Unberechtigte Untervermietung - nach Beendigung des Mietvertrages (Nicht-mehr-berechtigte Besitzer)

Unberechtigte Untervermietung - nach Beendigung des Mietvertrages (Nicht-mehr-berechtigte Besitzer)

19. Mai 2025

15 Kommentare

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leichtmittelschwer

Was versteht man unter dem „nicht-mehr-berechtigten“ Besitzer?

Fälle des nicht mehr berechtigten Besitzes sind dadurch gekennzeichnet, dass der Besitzer zunächst zum Besitz berechtigt war, dieses Besitzrecht aber dann geendet hat (zB Ablauf des Mietvertrages).

Nach der h.M. (Theorie der Anspruchskonkurrenz) sind die Regelungen des EBV nach Ablauf des Besitzrechts anwendbar.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

M mietet von V eine Einzimmerwohnung. Nach Beendigung des Mietverhältnisses verweigert M jedoch die Herausgabe der Wohnung und vermietet sie stattdessen an U für €200 unter.

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Einordnung des Falls

Unberechtigte Untervermietung - nach Beendigung des Mietvertrages (Nicht-mehr-berechtigte Besitzer)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M hatte während des laufenden Mietvertrages ein Recht zum Besitz, weshalb keine Vindikationslage bestand.

Ja, in der Tat!

Der Mietvertrag begründete ein relatives Recht zum Besitz zugunsten des M nach § 986 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Dieses Mietverhältnis war auch wirksam. Somit bestand während des laufenden Mietvertrages die, für den Anspruch aus § 985 BGB notwendige, Vindikationslage nicht.
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2. Nach Beendigung des Mietverhältnisses bestand eine Vindikationslage, sodass V von M unstreitig Nutzungsersatz aus §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB. verlangen kann

Nein!

Hat der Besitzer zunächst ein Besitzrecht, das erst später wegfällt, spricht man vom sogenannten nicht-mehr-berechtigten Besitzer. Dabei ist umstritten, ob die Vorschriften der §§ 985ff. BGB anwendbar sind. Nach einem Teil der Literatur (Lehre vom Vorrang des Vertragsverhältnisses) verdrängen die Rückabwicklungsvorschriften des Schuldverhältnisses die Regelungen des EBV, sodass ein Anspruch aus § 985 BGB ausgeschlossen wäre. Nach der h.M. (Theorie von der Anspruchskonkurrenz) hingegen sind die §§ 985ff. BGB neben den schuldrechtlichen Ansprüchen anwendbar, sofern das Schuldverhältnis nicht ausnahmsweise eine abschließende Regelung zur Rückabwicklung beinhaltet.

3. Nach der h.M. hätte V gegen M einen Nutzungsersatzanspruch aus §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB.

Genau, so ist das!

Nach der herrschenden Theorie von der Anspruchskonkurrenz sind die §§ 985ff. BGB neben den schuldrechtlichen Ansprüchen anwendbar. Der Anspruch aus §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB setzt (1) eine Vindikationslage, (2) Ziehung von Nutzungen durch den Besitzer und (3) Bösgläubigkeit des Besitzers voraus. EBV-Ansprüche sind nach der h.M. trotz des zuvor bestehenden Mietvertrages anwendbar. Eine Vindikationslage besteht, da der Mietvertrag gekündigt wurde. Die Untervermietung stellt auch eine Nutzungsziehung dar. M wusste, dass er die Wohnung herausgeben musste und war demnach bösgläubig bezüglich der Besitzberechtigung.

4. Kann V die €200 von M nach §§ 987 Abs. 1, 990 BGB herausverlangen, wenn man der Lehre vom Vorrang des Vertragsverhältnisses folgt?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach dieser Ansicht treten die Ansprüche aus dem EBV hinter die schuldrechtlichen Rückabwicklungsvorschriften zurück.Da zwischen V und M eine schuldrechtliche Verbindung in Form des Mietvertrages bestanden hatte, scheiden nach der Lehre vom Vorrang des Vertragsverhältnisses Nutzungsersatzansprüche aus dem EBV auch nach Ablauf des Mietvertrages aus.Dies gilt selbst dann, wenn wie hier keine (sekundären) Ansprüche aus dem Schuldverhältnis bestehen. Anders als bei der Untervermietung während des laufenden Vertragsverhältnisses bestünde hier aber zumindest ein Anspruch des V auf Herausgabe des Erlangten aus angemaßter Eigengeschäftsführung (§§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB). Hier ist M nämlich nicht mehr zum Besitz berechtigt, sodass die Verschaffung der Nutzungsmöglichkeit ein fremdes Geschäft für M darstellt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURA

juramk

17.4.2023, 13:07:40

Was wäre denn ein Beispiel für abschliessende Vorschriften zur Rückanwicklung, die nach der hM dann doch EBV Ansprüche ausschliessen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

17.4.2023, 13:54:09

Hallo juramk, danke für deine Frage. Die

kaufrecht

lichen Gewährleistungsansprüche inklusive des

Rücktritt

sregimes stellen abschließende Vorschriften dar. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

JO

JonasRehder

25.7.2023, 13:45:49

Müsste daneben nicht ebenfalls ein Anspruch aus §

546a

I BGB bestehen? Die Voraussetzungen lägen dafür doch vor, oder?

LELEE

Leo Lee

3.8.2023, 13:00:26

Hallo JonasRehder, tatsächlich liegen die Voraussetzungen des §

546a

I BGB auch vor, weshalb dieser Anspruch besteht. Beachte zudem - wie im Erklärungstext angedeutet - dass auch hier eine Konkurrenz zw. §

546a

I BGB und der EBV-Vorschriften bestehen, wobei die Anwendbarkeit von § 987 ff. BGB umstritten ist (Siehe hierzu etwa MüKo-BGB 7. Auflage, Bieber §

546a

Rn. 23)! Liebe Grüße Leo

SO

sophieklara

23.1.2024, 12:32:27

wäre der

Rücktritt

ein Beispiel für ein

Schuld

verhältnis, wo die Rückabwicklung abschließend geregelt ist, sodass dort dann auch nach h.M. kein Anspruch aus EBV gegeben wäre ?

DAV

david1234

16.2.2024, 18:23:13

Hi! Thematisiert ihr hier am Anfang, dass M beim 1. Besitzerwerb gutgläubig war. Dann das Problem Umwandlung

Fremd

- in Eigenbesitz und dann kurz die hM darstellen und das dann als Besitzerwerb sehen? Oder überflüssig und damit besser weglassen?

Mephisto

Mephisto

25.10.2024, 15:49:35

Würde mich ebenfalls interessieren...

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

8.1.2025, 11:53:02

Hallo @[david1234](229145), hallo @[Mephisto ](198941), dazu kann man sicherlich kurz etwas sagen, für überflüssig oder gar falsch halte ich das nicht. Die

Bösgläubig

keit spielt beim Punkt

Vindikationslage

allerdings eigentlich noch keine Rolle, deswegen bin ich nicht sicher, was genau Du hier mit "am Anfang" meinst. Nimmt man hier eine

Vindikationslage

an, kann man die ursprüngliche Gutgläubigkeit direkt beim Punkt "

Bösgläubig

keit" ansprechen. Man könnte dann kurz sagen, dass M zwar ursprünglich gutgläubig hinsichtlich seines eigenen BesitzR war (das ja objektiv sogar bestand), er aber ebenso wusste, dass sein BesitzR ab Beendigung des Mietverhältnisses erloschen, er also ab diesem Zeitpunkt

bösgläubig

war. Die Frage, ob in der Veräußerung eine neue Besitzbegründung zu sehen ist, ist dagegen mE wieder eher eine Frage der

Vindikationslage

, also vorab anzusprechen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

LUKA

Lukas_Schulle

2.4.2025, 11:53:47

@[Sebastian Schmitt](263562) müsste es sich streng genommen nicht um einen Fall der nachträglichen

Bösgläubig

keit nach § 990 I 2 handeln? Oder kommt es hier auf die SV-Angaben an? Es gibt sicher Fallgestaltungen, in denen der Besitzer und Mieter, bereits bei Vertragsschluss von der Befristung eines Mietvertrages ausging und später trotzdem untervermieten möchte. Hier könnte und sollte es sich um einen Fall des § 990 I 1 handeln. Wenn der Mieter aber erst während der Miete auf Idee kommt, nach Beendigung des Mietvertrags weiterzuvermieten, sollte es ein Fall des § 990 I 2 sein. Auch der strengere Maßstab "positive Kenntnis" sollte eingehalten sein. Jedoch wird man hier auch annehmen können, dass die

Bösgläubig

keit bereits bei Vertragsschluss vorlag, wenn der Bezugspunkt seine fehlende Besitzberechitgung ist. Wenn dies der Bezugspunkt ist, kann es ja eigentlich nicht darauf ankommen, dass er sich dann entscheidet (auch) noch unterzuvermieten. Das Bewusstsein über sein Besitzberechtigung, die mit Vertragsbeendigung fehlt, sollte im Regelfall bei befristeten Mietverträgen, bereits bei Vertragsschluss vorliegen. Deswegen frage ich mich hier, ob M jemals gutgläubig hinsichtlich seines

Besitzrecht

s, für den Zeitpunkt nach Vertragsbeendigung, war? Damit würde es sich aber um einen Fall des § 990 I 1 handeln. Sicher hier nicht maßgeblich für die Falllösung, da M im Ergebnis

bösgläubig

ist, aber für die Zitation. LG

Vincent

Vincent

5.12.2024, 15:53:36

In Frage 3 wird gefragt ob der Anspruch "unstreitig" besteht. Diese und ähnliche Formulierungen sind mir jetzt schon mehrmals aufgefallen und sind meiner Meinung nach wenig hilfreich, da die Antwort auf diese immer "nein" ist. Offenere Formulierungen wären für den Lernerfolg meiner Meinung nach vorteilhaft.

YI

YI

26.12.2024, 12:11:06

Ich bin etwas verwirrt warum keine

Vindikationslage

vorliegen sollte. Unabhängig vom Zeitpunkt war M doch nie zur Untervermietung berechtigt. Liegt dann keine "Nicht-so-berechtigung" vor sodass eine Vinikationslage angekommen werden kann?

DO

Dominikpolitics

26.12.2024, 18:55:38

Ich glaube hier geht es nur um die

Anspruchskonkurrenz

, eine

Vindikationslage

liegt in jedem Fall vor. Streit herrscht lediglich darüber, ob den

schuld

rechtlichen Vorschriften alleine „Vorrang“ zukommen oder ob daneben die EBV-Ansprüche ebenfalls geltend gemacht werden können.

ALE

Aleton

25.4.2025, 11:09:28

Also ist jetzt nur so ne Vermutung, aber die Konstellation des "nicht-so berechtigten" Besitzer kannst du nicht anwenden, da das Recht zum Besitz weggefallen ist (aufgrund der Kündigung). Ich glaube diese Konstellation ist ja dadurch gekennzeichnet, dass jemand im Rahmen seines Recht zum Besitz über seinem Recht zum Besitz gehandelt hat.

G0d0fMischief

G0d0fMischief

6.1.2025, 13:43:24

Wäre darüber hinaus auch eine Haftung aus §§ 990 II, 280 II,

286 BGB

(

Vorenthaltungsschaden

) denkbar? Angenommen es handelt sich um einen Ballungsraum und die Wohnung könnte direkt weitervermietet werden.

ZUS

zuso

14.5.2025, 17:59:43

Vielleicht ne blöde Frage, aber: In der Begründung zur Theorie von der

Anspruchskonkurrenz

heißt es, die Anwendbarkeit ist möglich sofern das

Schuld

verhältnis nicht ausnahmsweise eine abschließende Regelung zur Rückabwicklung beinhaltet. Wann weiß ich denn, ob diese Regelung nur abschließend ist oder nicht?


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