Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Anfechtung nach § 123 BGB – Täuschung bei Schweigen
Anfechtung nach § 123 BGB – Täuschung bei Schweigen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V möchte seinen alten VW Golf verkaufen. Bei den Verhandlungen mit K verschweigt V, dass das Auto einen reparierten Unfallschaden hat. V und K schließen einen Kaufvertrag. Hätte K von dem Unfall gewusst, hätte er nur einen niedrigeren Preis gezahlt.
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Einordnung des Falls
Anfechtung nach § 123 BGB – Täuschung bei Schweigen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann seine Willenserklärung, gerichtet auf den Abschluss des Kaufvertrags über das Auto, anfechten, wenn V ihn durch arglistige Täuschung zur Abgabe bestimmt hat (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der reparierte Unfallschaden des Fahrzeugs ist eine Tatsache.
Ja, in der Tat!
3. V hat K konkludent über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs getäuscht, indem V mit K einen Vertrag geschlossen hat, ohne auf den Unfallschaden hinzuweisen (§ 123 Abs. 1 BGB).
Nein!
4. V hat K durch Unterlassen über die Unfallfreiheit getäuscht, indem V mit K einen Vertrag geschlossen hat, ohne auf den Unfallschaden hinzuweisen (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
5. Die Täuschung des V gegenüber K war arglistig.
Ja, in der Tat!
6. K kann wegen arglistiger Täuschung anfechten.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
3.5.2020, 16:02:56
Über die Motive des V, warum er den Schaden nicht erwähnt, sagt der Sachverhalt gar nichts aus.
Eigentum verpflichtet 🏔️
16.7.2020, 14:20:36
Hallo Isabell, hier weiß V, dass der Wagen einen Unfallschaden hat. Indem er dies K verschweigt handelt er vorsätzlich, also
arglistig.
Taras
29.6.2020, 17:40:59
Wird hier das Anfechtungsrecht nicht durch die Möglichkeit der Mängelgewährleistung verdrängt? Es besteht ja zugleich ein Irrtum über Eigenschaft des Autos?
Eigentum verpflichtet 🏔️
29.6.2020, 18:56:57
Hallo Taras, nur die Anfechrung wegen
Eigenschaftsirrtumnach 119 II wird durch die Mängelgewährleistungsrechte im Kaufrecht verdrängt. Die Anfechtungsgründe aus 123, 120 und 119 I werden nicht verdrängt.
Taras
30.6.2020, 09:56:30
Jep, hatte nen Brainfart. Danke für die Antwort. Cheers.
sinaaaa
11.1.2023, 16:31:45
Bei einer Täuschung wird etwas vorgespiegelt oder verschwiegen. Vorliegend hat V verschwiegen dass das Fzg einen Unfall hatte. Wieso liegt keine Täuschung vor ??
Sambajamba10
25.1.2023, 09:53:50
Es liegt eine Täuschung vor. Niemand hat etwas anderes behauptet.
QuiGonTim
15.9.2023, 21:57:43
Es liegt bloß keine
konkludente Täuschungvor. Die Täuschung geschah durch unterlassen, indem V seiner Aufklärungspflicht nicht nachkam.
Johanna K
11.7.2024, 13:01:37
Bach Duc
2.9.2024, 12:19:39
V fragt, ob dass Auto unfallfrei ist und K nickt wahrheitswidrig/ zeigt mit dem Daumen hoch dass alles in Ordnung sei.
Konkludente Handlung =
konkludente TäuschungSebastian Schmitt
18.9.2024, 17:38:34
Hallo @[Johanna K](135257), so ganz kann ich Deine Frage nicht einordnen, beziehst Du dich auf diesen konkreten Fall oder ist die Frage allgemein zu verstehen? Es dürfte jedenfalls allgM sein, dass Täuschungen grds auch
konkludentmöglich sind, also das Gesamtverhalten einer Partei so interpretiert werden muss, dass angeblich eine bestimmte
Tatsache vorliegt/nicht vorliegt (s nur MüKo-BGB/Armbrüster, 9. Aufl 2021, § 123 Rn 29). Über die Abgrenzung zu einer "normalen" aktiven Täuschung oder zu einer Täuschung durch Unterlassen mag man im
Einzelfallstreiten, die grundsätzliche Möglichkeit einer
konkludenten Täuschung ist jedoch anerkannt (eine Reihe von Beispielen, auch für
konkludente Täuschungen, findest Du zB bei BeckOGK/Rehberg, Stand 1.6.24, § 123 Rn 14.1 ff). Ein anschauliches Beispiel hat ja auch @[Bach Duc](248954) schon genannt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Johanna K
19.9.2024, 21:21:40
Das war eine allgemeine Frage! Vielen Dank für die ausführliche Nachricht!
Stella2244
4.11.2024, 15:22:41
Paul Hendewerk
4.12.2024, 15:05:01
Eine
konkludente Täuschungist gegeben, wenn der Täuschende ein Verhalten vornimmt, dem der Rechtsverkehr eine Bedeutung beimisst, die im konkreten
Einzelfallals Täuschung zu bewerten ist, Bsp.: A fragt B, ob der Wagen unfallfrei sei. Daraufhin nickt B. Eine Täuschung durch Unterlassen ist gegeben, wenn den Täuschenden die Rechtspflicht zur Aufklärung über einen bestimmten Umstand trifft, er dieser Pflicht aber nicht entspricht. Dabei kann die Rechtspflicht auf Vertrag/vorvertraglichem Schuldverhältnis oder Treu und Glauben, § 242 BGB, beruhen. Bsp.: Die Unfallfreiheit ist gar nicht Thema der Vertragsverhandlungen, weil die Unfallfreiheit für den Käufer eines Autos aber typischerweise wichtig ist, trifft den Verkäufer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB, die Pflicht den Käufer hierüber aufzuklären.