Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Anfechtung nach § 123 BGB – Täuschung bei Schweigen
Anfechtung nach § 123 BGB – Täuschung bei Schweigen
9. Mai 2025
15 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V möchte seinen alten VW Golf verkaufen. Bei den Verhandlungen mit K verschweigt V, dass das Auto einen reparierten Unfallschaden hat. V und K schließen einen Kaufvertrag. Hätte K von dem Unfall gewusst, hätte er nur einen niedrigeren Preis gezahlt.
Diesen Fall lösen 84,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann seine Willenserklärung, gerichtet auf den Abschluss des Kaufvertrags über das Auto, anfechten, wenn V ihn durch arglistige Täuschung zur Abgabe bestimmt hat (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der reparierte Unfallschaden des Fahrzeugs ist eine Tatsache.
Ja, in der Tat!
3. V hat K konkludent über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs getäuscht, indem V mit K einen Vertrag geschlossen hat, ohne auf den Unfallschaden hinzuweisen (§ 123 Abs. 1 BGB).
Nein!
4. V hat K durch Unterlassen über die Unfallfreiheit getäuscht, indem V mit K einen Vertrag geschlossen hat, ohne auf den Unfallschaden hinzuweisen (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
5. Die Täuschung des V gegenüber K war arglistig.
Ja, in der Tat!
6. K kann wegen arglistiger Täuschung anfechten.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell
3.5.2020, 16:02:56

Eigentum verpflichtet 🏔️
16.7.2020, 14:20:36
Hallo Isabell, hier weiß V, dass der Wagen einen Unfall
schadenhat. Indem er dies K verschweigt handelt er
vorsätzlich, also arglistig.
Taras
29.6.2020, 17:40:59
Wird hier das Anfechtungsrecht nicht durch die Möglichkeit der Mängelgewährleistung verdrängt? Es besteht ja zugleich ein Irrtum über Eigenschaft des Autos?

Eigentum verpflichtet 🏔️
29.6.2020, 18:56:57
Hallo Taras, nur die Anfechrung wegen
Eigenschaftsirrtumnach 119 II wird durch die Mängelgewährleistungsrechte im Kaufrecht verdrängt. Die Anfechtungsgründe aus 123, 120 und 119 I werden nicht verdrängt.
Taras
30.6.2020, 09:56:30
Jep, hatte nen Brainfart. Danke für die Antwort. Cheers.
sinaaaa
11.1.2023, 16:31:45
Bei einer
Täuschungwird etwas vorgespiegelt oder verschwiegen. Vorliegend hat V verschwiegen dass das Fzg einen Unfall hatte. Wieso liegt keine
Täuschungvor ??

Sambajamba10
25.1.2023, 09:53:50
QuiGonTim
15.9.2023, 21:57:43
Es liegt bloß keine
konkludente Täuschungvor. Die
Täuschunggeschah durch unterlassen, indem V seiner Aufklärungspflicht nicht nachkam.

Johanna K
11.7.2024, 13:01:37
Kann denn überhaupt konkludent getäuscht werden?!
Bach Duc
2.9.2024, 12:19:39
V fragt, ob dass Auto unfallfrei ist und K nickt wahrheitswidrig/ zeigt mit dem Daumen hoch dass alles in Ordnung sei. Konkludente Handlung =
konkludente Täuschung
Sebastian Schmitt
18.9.2024, 17:38:34
Hallo @[Johanna K](135257), so ganz kann ich Deine Frage nicht einordnen, beziehst Du dich auf diesen konkreten Fall oder ist die Frage allgemein zu verstehen? Es dürfte jedenfalls allgM sein, dass
Täuschungen grds auch konkludent möglich sind, also das Gesamtverhalten einer Partei so interpretiert werden muss, dass angeblich eine bestimmte Tatsache vorliegt/nicht vorliegt (s nur MüKo-BGB/Armbrüster, 9. Aufl 2021, § 123 Rn 29). Über die Abgrenzung zu einer "normalen" aktiven
Täuschungoder zu einer
Täuschung durch Unterlassenmag man im Einzelfall streiten, die grundsätzliche Möglichkeit einer konkludenten
Täuschungist jedoch anerkannt (eine Reihe von Beispielen, auch für
konkludente Täuschungen, findest Du zB bei BeckOGK/Rehberg, Stand 1.6.24, § 123 Rn 14.1 ff). Ein anschauliches Beispiel hat ja auch @[Bach Duc](248954) schon genannt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Johanna K
19.9.2024, 21:21:40
Das war eine allgemeine Frage! Vielen Dank für die ausführliche Nachricht!
Stella2244
4.11.2024, 15:22:41
Wie grenzt man genau zwischen einer konkludenten Handlung und einem Unterlassen ab?
Paul Hendewerk
4.12.2024, 15:05:01
Eine
konkludente Täuschungist gegeben, wenn der Täuschende ein Verhalten vornimmt, dem der Rechtsverkehr eine Bedeutung beimisst, die im konkreten Einzelfall als
Täuschungzu bewerten ist, Bsp.: A fragt B, ob der Wagen unfallfrei sei. Daraufhin nickt B. Eine
Täuschung durch Unterlassenist gegeben, wenn den Täuschenden die Rechtspflicht zur Aufklärung über einen bestimmten Umstand trifft, er dieser Pflicht aber nicht entspricht. Dabei kann die Rechtspflicht auf Vertrag/vorvertraglichem Schuldverhältnis oder Treu und Glauben,
§ 242BGB, beruhen. Bsp.: Die Unfallfreiheit ist gar nicht Thema der Vertragsverhandlungen, weil die Unfallfreiheit für den Käufer eines Autos aber typischerweise wichtig ist, trifft den Verkäufer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben,
§ 242BGB, die Pflicht den Käufer hierüber aufzuklären.

Ruhe im Sturm
28.2.2025, 08:32:15
Warum wird im Erklärtext im Prüfschema bei Punkt (3) Widerrechtlichkeit der
Täuschungverlangt? Der Wortlaut fordert nur eine Widerrechtlichkeit der Drohung. In gängigen Prüfschemata finde ich diesen Punkt ebenfalls nicht.