Öffentliches Recht

VwGO

Allgemeine Leistungsklage

Fälle der Klagebefugnis: Leistungsklage als Normerlassklage

Fälle der Klagebefugnis: Leistungsklage als Normerlassklage

19. Juni 2023

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs-Illustration zum Fall zur Klagebefugnis: Leistungsklage als Normerlassklage:

Die Promotionsordnung der juristischen Fakultät der Uni U ermöglicht es grundsätzlich nur männlichen Absolventen, zu promovieren. Studentin S ist darüber empört und will, dass die Normen dahingehend geändert werden, dass alle promovieren können.

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Einordnung des Falls

Fälle der Klagebefugnis: Leistungsklage als Normerlassklage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S will, dass die Promotionsordnung geändert wird. Begehrt S folglich den Erlass einer untergesetzlichen Norm?

Ja!

Die Promotionsordnung einer Fakultät der öffentlich-rechtlichen Körperschaft der Universität ergeht als Satzung. Diese fasst die Rechtsvorschriften zusammen, die eine öffentlich-rechtliche Körperschaft für ihren Regelungsbereich erlässt. S möchte, dass eine Regelung erlassen wird, nach der alle Absolventen, unabhängig von ihrem Geschlecht, promovieren können.
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2. Ist bei Klagen, die auf den Erlass untergesetzlicher Normen gerichtet sind (Normerlassklage), umstritten, welche Klageart statthaft ist?

Genau, so ist das!

Nach einer Meinung in der Literatur ist die allgemeine Leistungsklage statthaft, wenn der Kläger den Erlass von Normen begehrt. Dafür spricht die Subsidiaritätsklausel (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO), nach der die allgemeine Leistungsklage vorrangig vor der Feststellungsklage ist. Zudem ist die allgemeine Leistungsklage in den meisten Fällen rechtsschutzintensiver für den klagenden Bürger als die Feststellungsklage, weil der Bürger die begehrte Leistung direkt erhält. Nacht anderer Ansicht (u.a. BVerwG) ist die Feststellungsklage (§ 43 VwGO) statthaft. Der Anspruch auf Normerlass sei ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Für die Statthaftigkeit der Feststellungsklage spricht auch das Prinzip der Gewaltenteilung.

3. Wenn man sich für die Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage entscheidet, müsste S dann geltend machen, möglicherweise einen Anspruch auf Änderung der Promotionsordnung zu haben?

Ja, in der Tat!

Entscheidet man sich unter Verweis auf die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO) und der Zielrichtung des Klagebegehren für die Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage, müssen die weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen geprüft werden. Die Klagebefugnis richtet sich nach § 42 Abs. 2 VwGO analog. Danach ist klagebefugt, wer die Möglichkeit einer Rechtsverletzung geltend machen kann. Begehrt der Kläger ein Handeln der Verwaltung, muss er die Möglichkeit des Bestehen eines Anspruchs auf dieses Handeln geltend machen. S müsste einen möglichen Anspruch darauf geltend machen, dass die Promotionsordnung geändert wird. Entscheidet man sich für die Statthaftigkeit der Feststellungsklage, müsste dort ebenfalls eine Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO gegeben sein. Inhaltlich unterscheidet sich die Prüfung geringfügig.

4. Wird in der Praxis ein Anspruch auf Normerlass häufig angenommen?

Nein!

Die theoretische Möglichkeit von Normerlassklagen ergibt sich aus Art. 19 Abs. 4 GG (effektiver Rechtsschutz). Die Annahme eines Anspruchs auf Normerlass ist aber äußerst selten. Der Normerlass ist genuine Aufgabe des Regelungsgebers. Erfolgreiche Normerlassklagen sind daher auf den Ausnahmefall beschränkt, dass das Recht des Betroffenen auf Gleichbehandlung den Erlass oder die Änderung einer Rechtsnorm zwingend gebietet.

5. Ist, wegen der offenkundigen Ungleichbehandlung von Männern und Frauen durch die Promotionsordnung, S klagebefugt?

Genau, so ist das!

Ein Anspruch auf Normerlass kann sich daraus ergeben, dass ohne den begehrten Normerlass das Recht der Betroffenen auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 GG) verletzt ist. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass S aus Art. 3 Abs. 2 GG oder aus anderen gesetzlichen Regelungen einen Anspruch auf Gleichbehandlung bezüglich der Promotion hat. S ist klagebefugt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

STE

StellaChiara

17.9.2023, 22:08:35

Würde hier in der

begründetheit

quasi der schutzbereich von Art 3 gg geprüft mit Eingriff und Rechtfertigung ? Wir wären ja hier nicht vor dem Bundesverfassungsgericht

HannaHaas

HannaHaas

11.1.2024, 20:15:45

Das würde mich auch interessieren …:)

CR7

CR7

15.5.2024, 22:24:12

@[StellaChiara](19

273

3) @[HannaHaas](201390) Ich habe vor mir liegen eine Probeklausur aus dem Kommunalrecht, wo ein Ratsmitglied den Erlass einer Satzungsvorschrift zur Regelung der Entschädigung von

ehre

namtlichen Ratsmitgliedern begehrt, die nicht AN sind, sondern selbstständig (dafür gab es noch keine Regelung). Die Prüfung gliedert sich wie folgt: B.

Begründetheit

der

Normerlassklage

in Form der allg.

Leistungsklage

(a.A. vertretbar) I. Anspruch des R aus einfachem Recht? → hier (-), da der Anspruch sich nur aus einer Norm ergeben kann, die bereits erlassen ist, hier begehrt R jedoch den Erlass genau dieser Norm II. Anspruch des R aus Art. 3 I GG i.V.m. der bereits bestehenden Norm für AN 1. Bilden einer Vergleichsgruppe → hier gemeinsamer Bezugspunkt die

ehre

namtliche Tätigkeit als Ratsmitglied und die dafür aufgewandte Zeit, die zum Verdienstausfall sowohl des AN als auch des Selbstständigen führt 2. Ungleichbehandlung (+) 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung a) Differenzierungsverbot grds. (+) b) Sachlicher Differenzierungsgrund (-) 4. ZE: Anspruch aus Art. 3 I GG (+) III. E: Die Klage ist zulässig und soweit begründet. Die Klage hat Aussicht auf Erfolg.


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