Mehraufwendungen, § 304 BGB

22. November 2024

4,8(22.164 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft bei V einen Rollentrainer für ihr Rennrad. V soll ihn am nächsten Tag um 11 Uhr liefern. Als V pünktlich klingelt, liegt K noch im Bett und macht nicht auf. Später ruft sie bei V an und bittet um erneute Lieferung. V möchte zunächst ihre Anfahrtskosten (€100) ersetzt haben.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Mehraufwendungen, § 304 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K befindet sich im Gläubigerverzug (§ 293 ff. BGB).

Ja, in der Tat!

Gläubigerverzug liegt vor, wenn (1) die (mögliche) Leistung erfüllbar ist, (2) der Schuldner die Leistung ordnungsgemäß angeboten hat und (3) der Gläubiger die Leistung nicht angenommen hat.Vs Leistung war spätestens um 11 Uhr erfüllbar und zu diesem Zeitpunkt auch möglich. V hat die Leistung wie geschuldet um 11 Uhr bei K tatsächlich angeboten (§ 294 BGB). K hat lieber geschlafen, als die Leistung anzunehmen.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Da K sich im Gläubigerverzug befindet, muss sie die Rolle bei V abholen.

Nein!

Soweit nichts anderes bestimmt ist, lässt der Gläubigerverzug den Leistungsinhalt unberührt. V war ursprünglich verpflichtet, K die Rolle zu bringen (Bringschuld). Der Annahmeverzug führt weder zu einem Untergang dieser Leistungspflicht, noch wandelt er die Bringschuld in eine Holschuld um. K kann also weiterhin verlangen, dass V die Rolle vorbeibringt.

3. V könnte zumindest einen Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB haben.

Genau, so ist das!

Ein Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Leistung (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) besteht, sofern (1) ein Schuldverhältnis vorliegt, (2) der Schuldner sich im Schuldnerverzug befindet (§ 286 BGB) und (3) durch den Verzug ein Schaden des Gläubigers entsteht.

4. Nachdem K die Rolle nicht angenommen hat, befindet sie sich im Schuldnerverzug (§ 286 BGB).

Ja, in der Tat!

Schuldnerverzug liegt vor, wenn die Forderung wirksam, durchsetzbar und fällig ist, angemahnt (sofern nicht entbehrlich) und noch möglich ist und der Schuldner die Verzögerung zu vertreten hat.K war nicht nur berechtigt, sondern V konnte die Abnahme auch nach § 433 Abs. 2 BGB fordern. Diese fällige Pflicht hat K nicht rechtzeitig erfüllt. Da eine Zeit nach dem Kalender vereinbart war, ist eine Mahnung entbehrlich (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). K hat den Verzug auch zu vertreten, da sie vorsätzlich liegen geblieben ist. Merke: Schuldnerverzug kann nur vorliegen, wenn eine Pflicht und nicht eine bloße Obliegenheit zur Annahme besteht.

5. Durch den Schuldnerverzug ist V ein Schaden in Form der Kosten der ersten Anfahrt entstanden.

Nein!

Ein Schaden des Gläubigers ist nur dann als Verzögerungsschaden ersetzbar, wenn er in einem kausalen Zusammenhang zu dem Verzug steht.Die Anfahrtskosten sind nicht "durch" den Verzug entstanden, sondern bereits davor. Damit fehlt es an einem kausalen Zusammenhang. V kann die bereits angefallenen Anfahrtskosten somit nicht nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ersetzt verlangen.Ersatzfähig wären insofern allenfalls die Kosten der zweiten Anfahrt, da diese nur aufgrund des Verzuges notwendig ist.

6. V hat aber zumindest einen Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten nach § 304 BGB.

Genau, so ist das!

Der Schuldner kann nach § 304 BGB die Mehraufwendungen verlangen, die er für das erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstands machen musste.V hat für die Anfahrt umsonst €100 aufgewendet. Diese kann sie von K nach § 304 BGB ersetzt verlangen.Mit Blick auf den Anspruch aus § 304 BGB steht V zudem ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zu. V kann also zunächst Begleichung der Anfahrtskosten verlangen, bevor sie sich noch einmal auf den Weg macht.§ 304 BGB ist der einzige Sekundäranspruch, der durch den Gläubigerverzug ausgelöst wird.

7. Der Käufer ist also Gläubiger und Schuldner zugleich.

Ja!

Genauso ist es! Bei einem Kaufvertrag gibt es nicht nur die Pflicht des Verkäufers zur Übergabe und Übereignung, § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern auch die (Hauptleistungspflicht!) des Käufers zur Abnahme, § 433 Abs. 2 BGB.K ist Gläubigerin der Pflicht gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB und zugleich auch Schuldnerin der Pflicht gemäß § 433 Abs. 2 BGB.Beachte also, bei einer Klausur nicht nur anspruchsbezogen, sondern auch personenbezogen (Schuldner/Gläubiger) zu denken!
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen