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Beweislast und Pflichten der Schwimmbadaufsicht bei Badeunfällen – Unterlassen nach § 823 BGB
Beweislast und Pflichten der Schwimmbadaufsicht bei Badeunfällen – Unterlassen nach § 823 BGB
4. Mai 2025
6 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die 12-jährige G verhakt sich beim Schwimmen in einer Boje. Bademeister B fällt auf, dass eine Boje fehlt. Er bittet einen 14-jährigen Badegast, nachzuschauen. Dieser entdeckt "etwas Glitschiges". B holt zunächst seine Schwimmbrille aus dem Gerätehaus und findet dann die leblose G unter Wasser. G erleidet irreparable Hirnschäden.
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Einordnung des Falls
Beweislast und Pflichten der Schwimmbadaufsicht bei Badeunfällen – Unterlassen nach § 823 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat zwar nicht gehandelt, aber auch ein Unterlassen kann Verletzungshandlung im deliktsrechtlichen Sinne sein (§ 823 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Verkehrspflicht des Bademeisters besteht in der Verpflichtung, jeden Schwimmer vollständig zu überwachen. Diese Pflicht hat B verletzt.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Der Bademeister muss in Notsituationen für rasche und wirksame Hilfeleistung sorgen. Diese Pflicht hat B verletzt.
Ja!
4. G kann einen Anspruch auf Schadensersatz gegen B (§ 823 Abs. 1 BGB) nur durchsetzen, wenn sie nachweist, dass die Pflichtverletzung des B kausal für ihren Gesundheitsschaden war.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Wenn B seine Verkehrssicherungspflicht nicht grob, sondern leicht fahrlässig verletzt hätte, muss G den vollen Beweis antreten, dass die Pflichtverletzung des B kausal war für ihren Gesundheitsschaden.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Neben einem Anspruch gegen B (§ 823 Abs. 1 BGB) hat G auch einen Anspruch gegen den Träger des Schwimmbads (§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB), wenn diesem ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden zur Last fällt.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jana-Kristin
7.9.2021, 17:52:45
Dass der BGH eine Beweislastumkehr auch bei einfacher Fahrlässigkeit annimmt, hat er aber nicht explizit geschrieben. Viel eher kommt dem Geschädigten "nur" eine Beweiserleichterung für die
Schadensursächlichkeit der PV zu Gute (Rn. 30 des Urteils).

Lukas_Mengestu
8.12.2021, 11:42:42
Vielen Dank für den super Hinweis, Jana-Kristin. In der Tat liegt bei einfacher Fahrlässigkeit nur eine Beweiserleichterung vor, die eine "
tatsächliche Vermutung" zugunsten der Geschädigten begründet, dass der
Schadenursächlich auf der Pflichtverletzung beruht. Wir haben das korrigiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
der D
18.10.2024, 08:27:06
Hier würden ebenfalls problemlos vertragliche Ansprüche gegen den Schwimmbadbetreiber durchgehen, oder?

Sebastian Schmitt
13.11.2024, 10:46:35
Hallo @[der D](265843), in der Tat dürfte das Pflichtenprogramm bzgl vertraglichen und deliktischen Ansprüchen hier weitestgehend identisch sein, wie auch das LG Koblenz in dem zugrunde liegenden Fall erstinstanzlich angedeutet hat (Urt v 26.06.2014 - 1 O 2/14, BeckRS 2016, 2215, Rn 22). Die typischen Diskussionen um die Verletzung von
Verkehrssicherungspflichten finden aber (in der Praxis) meist vor dem Hintergrund des
§ 823 BGBstatt, deswegen haben wir unseren Fall insoweit ebenso gestaltet. Für eine ganz saubere Prüfung vertraglicher Ansprüche fehlen uns hier Einzelheiten. Auf die Minderjährigkeit des G wird man sicher eingehen müssen. Ebenso wird man wohl kurz etwas dazu sagen müssen, dass/warum zwischen dem Schwimmbadbetreiber und den Gästen hier privatrechliche Verträge geschlossen werden - sonst wären wir ja deliktisch auch bei einer
Amtspflichtverletzung, § 839 BGB, Art 34 GG. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team