Rückgriffskondiktion Grundfall

17. Februar 2025

27 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G hat bei K einen Rasen verlegt. Kurz darauf tritt Pilzbefall auf, welchen G beseitigt. Später stellt sich heraus, dass die Pilzsporen aus einem Dünger stammen, den K bei H gekauft hatte. G erklärt nachträglich, dass seine Leistung auf die Schuld des H bezogen war.

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Einordnung des Falls

Rückgriffskondiktion Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat etwas erlangt (Leistungskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja!

"Etwas" im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jedwede Verbesserung der Vermögenslage. K hat sich Aufwendungen erspart und einen pilzfreien Rasen erlangt.
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2. K hat den mangelfreien Rasen durch Leistung des G erlangt (Leistungskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Mehrung ist zweckgerichtet, wenn sie eine auf die Erfüllung einer Verbindlichkeit zielt. Welche Verbindlichkeit erfüllt werden soll, folgt aus der Tilgungsbestimmung (vgl. § 366 BGB). Zunächst gab G eine Tilgungsbestimmung ab, eine eigene Verbindlichkeit erfüllen zu wollen. Diese änderte er nachträglich dahingehend, eine Verbindlichkeit des H erfüllen zu wollen. G hat durch die Verlegung des Rasens also Ks Vermögens bewusst gemehrt und tat dies zweckgerichtet zur Erfüllung von Hs Verbindlichkeit. Die Möglichkeit der nachträglichen Änderung der Tilgungsbestimmung ist umstritten.

3. K hat den mangelfreien Rasen ohne Rechtsgrund erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

K hatte gegen H einen Anspruch auf Mangelbeseitigung nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB. G hat diese Verpflichtung für H erfüllt. Für diese Verpflichtung bestand aber ein Rechtsgrund. Die Leistung war somit nicht ohne Rechtsgrund. Eine Leistungskondiktion des G gegen K kommt somit nicht in Betracht.

4. H hat etwas in sonstiger Weise erlangt i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Rückgriffskondiktion).

Ja!

Bereicherungsgegenstand bei der Nichtleistungskondiktion ist jeder Verwendungs-, Nutzungs- oder Eingriffserfolg eines fremden Rechts. Der Bereicherungsschuldner erlangt den Bereicherungsgegenstand „in sonstiger Weise“, wenn er ihn nicht durch Leistung erlangt. Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. G hat mit (geändertem) Fremdtilgungswillen an K geleistet. Dadurch wurde H von seiner Verpflichtung zur Mangelbeseitigung frei (§§ 267, 362 Abs. 1 BGB). Die Befreiung von einer Verbindlichkeit hat H nicht durch eine Leistung an ihn direkt erlangt. Er hat somit etwas in sonstiger Weise erlangt.

5. Diese Bereicherung des H war ohne Rechtsgrund.

Genau, so ist das!

Da Hs Dünger den Pilzbefall verursacht hat, wäre H verpflichtet gewesen, diesen auch zu beseitigen. G war nicht verpflichtet, auf die Verbindlichkeit des H zu leisten. Es liegt kein Rechtsgrund für die Bereicherung des H vor.

6. H hat Wertersatz für das erlangte Etwas an G zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

H hat etwas auf sonstige Weise ohne Rechtsgrund erlangt. Er hat Wertersatz in Höhe der Verbindlichkeit, von der er befreit wurde, zu leisten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

4.10.2022, 16:01:57

Warum wird hier die Umwidmung der

Tilgungsbestimmung

anerkannt und der Fall danach gelöst, im Rahmen der Einheit zu den Dreiecksbeziehungen aber durchgehend abgelehnt? Das führt etwas zu Verwirrung :)

BRSA

BrSa

11.8.2024, 15:23:44

Hi, falls es noch aktuell ist: Es gibt unterschiedliche Ansichten. Die herrschende Meinung löst gemäß der Einheit zu den Dreiecksbeziehungen, dies müsste die Mindermeinung sein. Eine Aufklärung von Jurafuchs wäre aber super :)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

6.12.2024, 11:45:43

Hallo @[Im🍑nderabilie](170862), inhaltlich hat @[BrSa](222308) es schon völlig richtig gesagt: Man kann dazu verschiedener Ansicht sein und die Einzelheiten sind im Schrifttum ziemlich umstritten. Die wohl hM (Rspr + TdL) erlaubt eine

nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung

, die Gegenansicht (anderer TdL) nicht (zu den ausgetauschten Argumenten und den Einzelheiten zB MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl 2024, § 812 Rn 279 ff). Wir vertreten in unseren Aufgaben bewusst zu bestimmten Probleme nicht immer dieselbe Auffassung, um Euch ein Gespür für juristische Diskussionen und dafür zu vermitteln, warum und wie man in die eine oder andere Richtung argumentieren könnte. Transparenz ist insoweit natürlich zwingend, um Missverständnisse wie Deines zu vermeiden. Wir

bem

ühen uns deshalb darum, klar zu machen, dass verschiedene Meinungen vertreten werden und welcher davon wir folgen. Nach meiner kursorischen Durchsicht scheint das aber bei den Fällen zur nachträglichen

Tilgungsbestimmung

en (konkret insbesondere diesen hier: https://applink.jurafuchs.de/7RUhSTXx6Ob, https://applink.jurafuchs.de/tBp80bZx6Ob) ganz gut zu passen. Für die Zukunft oder falls jemand von Euch gerade über einen Fall stolpert, bei dem Ihr (doch) ein Problem seht: Am einfachsten macht Ihr es uns und am schnellsten können Eure Hinweise geprüft und umgesetzt werden, wenn Ihr uns die Aufgabe, auf die Ihr Bezug nehmt, konkret nennt. Klickt dazu über der Aufgabe auf das Kästchen mit dem nach rechts oben herausragenden Pfeil ("Teilen"-Symbol), anschließend rechts auf die beiden überlappenden Quadrate. Dann habt Ihr den Link zur Aufgabe in der Zwischenablage und könnt ihn zB mit Strg+v in Euren Post einfügen. Falls das nicht geht, liegt es evtl an Eurem AdBlocker, also am besten die Jurafuchs-Seite whitelisten oder mal mit einem anderen Browser probieren. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Simon

Simon

10.8.2023, 22:02:21

Käme hier nicht eine GoA als Rechtsgrund in Betracht? Fremdes Geschäft (+), da H zur Beseitigung des Pilzbefalls verpflichtet war. Geschäftsführung (+), da rechtliches Tätigwerden für H durch Erfüllung der Verbindlichkeit. In diesem Zeitpunkt hatte G dann auch

Fremdgeschäftsführungswille

n, da er bewusst die Verbindlichkeit des H befriedigen wollte. Handeln im Wille des H wohl (+), da er von seiner Verbindlichkeit frei wurde. Oder scheitert eine GoA daran, dass G im Zeitpunkt der Beseitigung des Pilzbefalls keinen

Fremdgeschäftsführungswille

n hatte? Für mich kommt es aber eher auf den Zeitpunkt der

Tilgungsbestimmung

an, da erst dadurch die Verbindlichkeit des H erfüllt wurde. Vielleicht scheitert es aber auch am mutmaßlichen Willen des H, da man nicht einfach davon ausgehen kann, dass H eine

nachträgliche Tilgungsbestimmung

wollte, angesichts dessen, dass sich der Gläubiger seiner Verbindlichkeit dadurch änderte?

MARC

Marco

25.9.2023, 12:39:04

Der

Fremdgeschäftsführungswille

muss ja im Zeitpunkt der

Geschäftsbesorgung

vorliegen (vgl. § 687 I BGB). Das ist ja hier offensichtlich nicht der Fall, da G seine

Tilgungsbestimmung

erst nachträglich änderte, im Zeitpunkt der Geschäftsvornahme ging er davon aus, das Geschäft sei sein eigenes.

CR7

CR7

30.12.2023, 16:46:08

@Simon den Gedanken hatte ich auch, aber @Marco hat hier genau richtig beschrieben, dass der FGFW im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäftes vorliegen muss

DIAA

Diaa

15.10.2023, 07:51:50

Kann mir bitte jemand kurz den Fall erklären? Ich checke iwie nicht, wer was von wem und warum verlangt...!?

Irina95

Irina95

1.11.2023, 21:13:49

G hat bei K Rasen ausgestreut, kurz darauf tritt ein Mangel am Rasen auf. Diesen Mangel muss G beseitigen. (

Sachmangel

). G behandelt den Rasen und beseitigt den Mangel. Jetzt stellt sich aber heraus, dass G den Mangel gar nicht verursacht hat denn der K hat beim H die Rasensamen gekauft welche fehlerhaft

ware

n. Demnach hat der H den

Sachmangel

zu vertreten. G hat aber bereits nacherfüllt und stellt jetzt klar, dass er mit seiner

Nacherfüllung

eigentlich eine Verbindlichkeit des H erfüllt hat und keine eigene denn G kann nichts dafür das die Rasensamen fehlerhaft

ware

n. G hat demnach nacherfüllt und den

Sachmangel

(fehlerhafter Rasen) beseitigt obwohl der H dazu verpflichtet gewesen wäre, weil H dem K den fehlerhaften Rasen verkauft hat.

ajboby90

ajboby90

14.11.2023, 21:25:25

auf welchen Zeitpunkt wird bei der Subsumption in Frage 2 abgestellt. Vor der geänderten

Tilgungsbestimmung

liegt zweifellos eine Leistung von G an K vor, aber nach der Umwidmung doch wohl nur von G an H?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.11.2023, 11:10:13

Hallo ajboby90, danke für deine Frage. Der Zeitpunkt wäre relevant, wenn durch die Umwidmung bei K das "erlangte etwas" entfallen würde. Dies ist aber nicht der Fall. Auch wenn G die

Tilgungsbestimmung

dahingehend ändert, dass er nicht eine eigene

Schuld

, sondern die des H begleichen wollte, hat K weiterhin einen pilzfreien Rasen erlangt. Es dürfte mithin keinen Unterschied machen. Das erlangte etwas verbleibt bei K. Und auch die Ziel- und Zweckrichtung bleiben weiterhin zugunsten des K. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

LS2024

LS2024

29.2.2024, 16:26:48

Handelt es sich hier nicht auch um eine

Verwendungskondiktion

? Hier hat H ja auch nicht in ein Recht eingegriffen, da er an der Pilzbeseitigung gar nicht beteiligt war.

LELEE

Leo Lee

4.3.2024, 11:06:17

Hallo LS2024, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat hat hier G etwas getan, obwohl er dies nicht hätte tun müssen (denn H hätte den Mangel beseitigen müssen). Somit hat er eine Verwendung getätigt, ohne Rechtsgrund, wodurch H – in sonstiger Weise als Leistung, da G gegenüber K leistete – bereichert wurde (Befreiung vom

Nacherfüllungsanspruch

). Somit liegt ein Fall der Rückgriffs- bzw. Aufwendungskondiktion vor! Somit hast du völlig Recht! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Schwab § 812 Rn. 364 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

FW

FW

14.11.2024, 15:08:29

Hi, Könnte mir jemand erklären, woraus man nachträglich eine

Tilgungsbestimmung

ändern kann? Irgendwie finde ich das Ergebnis nicht vertretbar. § 366 BGB spricht auch davon, dass „bei der Leistung“ die zu tilgende

Schuld

bestimmt werden muss.

Major Tom(as)

Major Tom(as)

20.11.2024, 23:54:01

Das hatte mich um ehrlich zu sein, auch verwundert und ich habe mal nachgesehen: In mehreren Entscheidungen nimmt der BGH an, dass dies mit einer analogen Anwendung von §366 I BGB möglich ist. Begründet wird dies damit, dass der

Schuld

ner schließlich durch die fehlende Kenntnis gar nicht die Möglichkeit hatte, sein Wahlrecht auszuüben. Ich habe dazu mal eine Stelle rauskopiert, in der das für einen (unbekannten) verlängerten Eigentumsvorbehalt begründet wurde: "366 Abs. 1 BGB regelt dagegen nicht unmittelbar die Frage, was zu gelten hat, wenn der

Schuld

ner bei der Leistung infolge einer ihm nicht offen gelegten Teil

abtretung

von dem Bestehen eines

Tilgungsbestimmung

srechts nach § 366 Abs. 1 BGB keine Kenntnis hat und es folglich nicht ausüben kann. In diesem Fall ist es ihm gestattet, sein Recht nachträglich wahrzunehmen. Damit wird der durch die verdeckte Teil

abtretung

für den

Schuld

ner begründete Nachteil ausgeglichen, dass seine Dispositionsfreiheit über die Art der Anrechnung von ihm erbrachter

Teilleistung

en im Zeitpunkt der Leistung nicht gewährleistet war." (BGH,

Urteil

vom 11. Mai 2006 - VII ZR 261/04) Dieses

Urteil

wurde in BGH,

Urteil

vom 24. Januar 2008 - VII ZR 17/07 noch weiter konkretisiert und die Vss. festgesetzt: "Das Recht einer (nachträglichen)

Tilgungsbestimmung

kann dem

Schuld

ner nur dann zustehen, wenn in dem Zeitpunkt, in dem er seine Leistung erbringt, die Voraussetzungen des § 366 Abs. 1 BGB vorliegen. Er muss dem Gläubiger demnach im Zeitpunkt der Leistung aus mehreren

Schuldverhältnis

sen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet sein oder eine einheitliche Forderung muss zwischen mehreren Gläubigern aufgeteilt sein und das von ihm Geleistete darf nicht zur Tilgung sämtlicher Forderungen ausreichen." Grundsätzlich schön und gut. Hier liegt aber ja das im zweiten

Urteil

Genannte nicht vor (G ist ggü H gerade nicht verpflichtet)...

AND

AndiSchmandi

11.12.2024, 08:31:32

Ich stehe grad etwas auf dem Schlauch und vielleicht kann mir jemand helfen, meinen Denkfehler zu entwirren: Zwischen H und K besteht doch eine Leistungsbeziehung, da der K von H die Samen gekauft hat. Müsste diese Leistungsbeziehung nicht eine

Nichtleistungskondiktion

des G sperren? Oder entfällt die Leistungsbeziehung, da der H die Befreiung von der Verbindlichkeit nicht "durch Leistung" des H erlangt hat?

Jann Grote

Jann Grote

13.12.2024, 16:47:02

Du sagst es selbst bereits richtig! Beim Vorrang der Leistungsbeziehung schaut man immer auf das erlangte etwas. Wenn dieses erlangte etwas bereits durch Leistung erlangt wurde, greift der Vorrang. Hier erlangt H die Befreiung der Verbindlichkeit. Diese ist getrennt von dem Samenkauf von K-H zu betrachten. Die Befreiung der Verbindlichkeit ist nicht von der Leistung des H an K umfasst.

⚖️ Luca

⚖️ Luca

18.1.2025, 17:45:11

Wie würde die Prüfung des Merkmals „auf dessen Kosten“ hier aussehen? Oder ist diese entbehrlich, stehe auf dem Schlauch.


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