Grundfall Verwendungskondiktion

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G gärtnert in seinem Garten. Im Rahmen dessen möchte er auch seinen Rasen bewässern. Unbemerkt bewässert er dabei aber auch den Rasen seiner Nachbarin N. Dies ist G gar nicht recht, weil Ns Rasen ohnehin schon viel schöner aussieht als seiner. G verlangt Ersatz.

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Einordnung des Falls

Grundfall Verwendungskondiktion

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es kommt ein Ersatz der Verwendungen aus den §§ 994 ff. BGB in Betracht.

Nein, das trifft nicht zu!

Den Ansprüchen aus den §§ 994 ff. BGB liegt die Konstellation zugrunde, dass der Besitzer Aufwendungen auf eine Sache des Eigentümers getätigt hat und der Eigentümer dadurch bereichert ist. Allerdings setzt ein Anspruch aus EBV zunächst ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis voraus. G hat nie Besitz an Ns Rasen begründet. Es mangelt somit schon an einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Ansprüche aus §§ 994 ff. BGB scheiden aus.
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2. Es ist zu prüfen, ob ein Anspruch auf Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA, §§ 677, 683, 670 BGB) gegeben ist.

Ja!

Der Anspruch aus GoA setzt (1) eine Geschäftsführung voraus. Dieses Geschäft muss (2) fremd sein. Das fremde Geschäft muss der Geschäftsführer mit (3) Fremdgeschäftsführungswillen führen. Zuletzt darf (4) kein Auftrag oder eine sonstige Berechtigung für die Geschäftsführung vorliegen.

3. Die Voraussetzungen der GoA sind gegeben (§§ 677, 683, 670 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Anspruch aus GoA scheitert jedenfalls an dem fehlenden Fremdgeschäftsführungswillen. G wollte kein fremdes Geschäft führen. Vielmehr hat er gutgläubig angenommen, ein eigenes Geschäft zu führen (vgl. § 687 Abs. 1 BGB).

4. Es kommt eine Leistungskondiktion in Betracht (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Leistungskondiktion erfordert das Vorliegen einer Leistung. Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. G hat weder bewusst, noch zweckgerichtet Ns Vermögen gemehrt. Eine Leistung des G an N kommt nicht in Betracht. Demnach scheidet eine Leistungskondiktion aus.

5. Es kommt eine Nichtleistungskondiktion in Betracht (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Ja!

Es gibt unterschiedliche Einzeltatbestände der Nichtleistungskondiktion. Es gibt die Eingriffskondiktion, die Rückgriffskondiktion und die Verwendungskondition.

6. N hat das Wasser durch Eingriff in ein fremdes Recht erlangt (Eingriffskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eingriff bedeutet nach der herrschenden Zuweisungstheorie die Verletzung des Zuweisungsgehalts eines fremden Rechts. Hier muss man sich nochmal der unterschiedlichen Positionen klar werden. Bereicherungsgläubiger ist G. Bereicherungsschuldnerin ist N. N müsste den Zuweisungsgehalt eines Rechts des G verletzt haben. N hat sich aber nicht in irgendeiner Weise verhalten oder irgendwie eingegriffen. G hat selbst den Rasen der N bewässert. Ein Eingriff der N kommt nicht in Betracht. Eine Eingriffskondiktion scheidet aus.

7. N hat das Wasser durch eine Aufwendung des G erlangt (Verwendungskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Aufwendung ist eine freiwillige Aufopferung von Werten aus dem Vermögen des Entreicherten zu Gunsten des Bereicherten. Oder kurz: Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer. G wollte eigentlich das Wasser nur für seinen Rasen verwenden. Die Verwendung für seinen Rasen war aber freiwillig. Eine bewusste Bereicherung der N ist aber nicht nötig. Hätte G bewusst Ns Rasen bewässert, würde vielmehr eine Leistung vorliegen (bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens). N hat das Wasser somit durch eine Aufwendung des G erlangt.

8. N hat das Wasser ohne rechtlichen Grund erlangt.

Ja!

Die Bereicherung des Bereicherungsschuldners ist ohne Rechtsgrund, wenn dem Schuldner kein Behaltensgrund zusteht. Es gibt gesetzliche und vertragliche Behaltensgründe. Ein rechtlicher Grund in Form eines gesetzlichen oder vertraglichen Behaltensgrunds ist nicht ersichtlich. Eine Verbindung des Wassers mit dem Rasen kommt nicht in Betracht. Zunächst sind die §§ 947 ff. BGB nur auf bewegliche Sachen anwendbar. Zudem bieten die §§ 947 ff. BGB keinen Behaltensgrund, da die Herausgabepflicht nach § 951 Abs. 1 BGB sonst regelmäßig leerlaufen würde.

9. Eine Bereicherung ist auch herauszugeben, wenn diese aufgedrängt ist (vgl. § 818 Abs. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Oft kann der Bereicherte die Aufwendungen des Entreicherten gar nicht vermeiden, obwohl häufig kein Interesse an der zugeflossenen Bereicherung besteht. Der Betroffene hätte regelmäßig Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB zu leisten. Deshalb bedarf es des Schutzes des Betroffenen vor aufgedrängten Bereicherungen. Maßgeblich ist das nach den Umständen zu bemessende subjektive Interesse des Bereicherten am Vermögenszuwachs. Insbesondere die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Realisierung der damit verbundenen Vorteile ist ausschlaggebend. Diese Lösung wird nach h.M. auf § 818 Abs. 2 BGB gestützt.A.A. versuchen den Empfänger entweder (1) durch analoge Anwendung des § 814 BGB zu schützen oder (2) durch Rückgriff auf § 818 Abs. 3 BGB (keine Bereicherung ohne Realisierung).

10. Ns Bereicherung ist aufgedrängt. Sie hat deshalb keinen Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Bereicherungsschuldner hat keinen Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB zu leisten, wenn es sich um eine aufgedrängte Bereicherung handelt. Insbesondere die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Realisierung der zugeflossenen Vorteile ist ausschlaggebend für die Beurteilung der Herausgabepflicht. N ist die Verwertung des Wassers möglich und zumutbar. Tatsächlich ist das Wasser direkt schon verwertet durch das Begießen. Auch hätte N ohnehin früher oder später im Garten gießen müssen. N hat also ein Interesse an dem Vermögenszuwachs. Die Bereicherung ist nicht aufgedrängt. N hat Wertersatz für das Wasser zu leisten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

11.4.2022, 15:26:30

Die vorletzte Frage ist sehr pauschal, da sollte ja auch differenziert werden bei der aufgedrängten Bereicherung nach Bös- und Gutgläubigkeit des aufwendenden etc oder nicht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.4.2022, 13:53:51

Hallo nomamo, zur Problematik der aufgedrängten Bereicherung werden in der Tat mehrere Ansätze vertreten: (1) Teilweise wird auf die Wertung des §814 verwiesen(Leistung in

Kenntnis der Nichtschuld

), (2) überwiegend wird der Wertbegriff des § 818 Abs. 2 subjektiv, dh aus der Sicht des Eigentümers, verstanden (ist er hierdurch bereichert?) und (3) teilweise wird mit § 818 Abs. 3 (Wegfall der Bereicherung, verstanden als anfängliches Fehlen der Bereicherung) geholfen (vgl. MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 818 mwN). Hier wird der zweiten Ansicht gefolgt, für die es nur auf die subjektive Bereicherung des Empfängers ankommt. Zielrichtung all dieser Ansätze ist es, den Empfänger vor der aufgedrängten Bereicherung zu schützen. Die Bös-/Gutgläubigkeit des Leistenden spielt bei diesen dagegen keine Rolle. Anders ist dies nur bei einem von Canaris vertretenen Ansatz. Dieser differenziert in Fällen, in denen der Vermögensvorteil nicht realisiert wird (zB Verkauf) zwischen Bös-/Gutlgäubigkeit des Leistenden. Während der Gutgläubige auch dann Wertersatz erlangen soll, wenn der Vermögensvorteil vom Empfänger nicht realisiert wurde, so soll es dem bösgläubig aufwendende grundsätzlich verwehrt sein, Wertersatz zu verlangen (Überblick bei Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 12 RdNr. 62) . Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Skywalker

Skywalker

6.7.2023, 19:24:45

Die Ansätze funktionieren bestimmt alle gleich gut. Aber die h.M. ist m.E. nach eher der Ansatz über die ersparten Aufwendungen (818 III). Der 2. Ansatz der hier als h.M. bezeichnet wird widerspricht eigentlich dem 818 II, als hierbei für den Wertersatz anerkanntermaßen auf den >objektiven< Verkehrswert und nicht auf das subjektive Interesse abgestellt wird. In einem anderen Fall von euch in der Kategorie „

Entreicherung

“ findet sich ebenfalls diese Beurteilung. Vielleicht besser wenn man sich dann auf eine Sichtweise festlegt, sonst führt das bei den Lernenden eventuell zu Unsicherheiten.

MAX

Max

15.12.2023, 13:45:10

In einer anderen Aufgabe von Euch stellt ihr auch auf Abs. 3 als hM ab. Vlt. könntet ihr das entsprechend vereinheitlichen :)


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