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Crashkurs Kaufrechtsänderungen 2022

Der neue Sachmangelbegriff, § 434 BGB

Der neue Sachmangelbegriff, § 434 BGB

19. Mai 2025

12 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Autohändler K kauft bei BMW am 19.1.2022 einen neuen X3. Der X3 fordert K wiederholt auf, anzuhalten, um die Kupplung zu kühlen. Der Hinweis ist serienmäßig, aber falsch: Die Kupplung kühlt auch bei Weiterfahrt. BMW rät K, er solle den Hinweis ignorieren.

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Einordnung des Falls

Der neue Sachmangelbegriff, § 434 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der BMW ist frei von Sachmängeln, wenn er den subjektiven und objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen genügt.

Genau, so ist das!

Das seit dem 1.1.2022 geltende Kaufrecht sieht im Grundsatz einen Gleichrang von subjektivem und objektivem Fehlerbegriff vor. Die subjektiven Anforderungen ergeben sich detailliert aus § 434 Abs. 2 BGB, die objektiven aus § 434 Abs. 3 BGB. Die Montageanforderungen regelt § 434 Abs. 4 BGB.Negative Beschaffenheitsvereinbarungen sind allerdings weiterhin möglich, sodass sich im Ergebnis doch subjektive Vereinbarungen durchsetzen.
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2. Der BMW X3 müsste zunächst allen subjektiven Anforderungen genügen (§ 434 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Die subjektiven Anforderungen ergeben sich im Einzelnen aus § 434 Abs. 2 BGB. Die Sache muss die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen (Nr. 1) und sich für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen (Nr. 2). Zuletzt muss sie mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen übergeben werden (Nr. 3).Die Anforderungen sind nicht neu, nun aber ausdrücklich aufgelistet.Auf das vereinbarte Zubehör & die Anleitungen ist nur einzugehen, wenn sich dafür Hinweise im Sachverhalt finden.

3. Ks BMW X3 ist mangelhaft, weil er nicht die "vereinbarte Beschaffenheit" hat (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).

Nein!

Eine Kaufsache muss den subjektiven Anforderungen entsprechen (§ 434 Abs. 1 BGB). Hierzu gehört die vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Beschaffenheit meint natürliche (physische) Eigenschaften der Sache, aber auch deren tatsächliche, wirtschaftliche, soziale und rechtliche Beziehungen zur Umwelt, sofern sie nach der Verkehrsanschauung für die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache bedeutsam sind. Eine Beschaffenheitsvereinbarung liegt insbesondere vor, wenn der Verkäufer bei Vertragsschluss die Eigenschaften der verkauften Sache in einer bestimmten Weise umschreibt.§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.

4. Der BMW X3 ist mangelhaft, weil er sich nicht für die "vertraglich vorausgesetzte Verwendung" eignet (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Auf eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB) kommt es als zusätzliche subjektive Anforderung entweder neben der Beschaffenheitsvereinbarung an, aber auch, wenn keine Beschaffenheit vereinbart ist. Mit der Vorschrift wird berücksichtigt, dass sich die Parteivorstellungen oft nicht auf bestimmte Beschaffenheiten, sondern auf die Tauglichkeit für einen bestimmten Verwendungszweck richten. Vertraglich vorausgesetzt ist die von beiden Parteien unterstellte Verwendung der Sache. BMW und K werden stillschweigend unterstellt haben, dass sich der X3 zur Verwendung als Fortbewegungsmittel eignet. Das tut er.§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a.F.

5. Der BMW X3 genügt den subjektiven Anforderungen.

Ja, in der Tat!

Um den subjektiven Anforderungen zu genügen, muss die Sache die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen (Nr. 1), sich für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen (Nr. 2) und mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, übergeben werden (Nr. 3).Es gibt keine vereinbarte Beschaffenheit, von der der BMW X3 abweichen könnte. Er eignet sich die vertraglich vorausgesetzte Verwendung. Dass das vereinbarte Zubehör und die vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen übergeben worden sind (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB) ist anzunehmen. Somit sind alle subjektiven Anforderungen des § 434 Abs. 2 BGB erfüllt.

6. Müssen vorliegend subjektive und objektive Anforderungen kumulativ vorliegen?

Ja!

Das neue Kaufrecht sieht grundsätzlich einen Gleichrang von subjektivem und objektivem Fehlerbegriff vor (§ 434 Abs. 1 BGB). Dies wirkt sich häufig aber auf die rechtliche Bewertung nicht aus. Denn § 434 Abs. 3 S. 1 BGB räumt einer subjektiven Beschaffenheitsvereinbarung weiterhin den Vorrang ein, auch wenn diese von den objektiven Anforderungen negativ abweicht. Das bedeutet also, dass es bei einer wirksamen Beschaffenheitsvereinbarung nicht mehr auf das Vorliegen der objektiven Anforderungen ankommt. Hier allerdings liegt keine Beschaffenheitsvereinbarung vor. Der Vorrang der Vereinbarung kann sich nicht entfalten. Es kommt also auf das Vorliegen der objektiven Anforderungen an.

7. Alle objektiven Anforderungen müssen kumulativ vorliegen.

Genau, so ist das!

Die objektiven Anforderungen ergeben sich im Einzelnen aus § 434 Abs. 3 BGB. Die Sache muss: sich für die gewöhnliche Verwendung eignen (Nr. 1); der üblichen und erwartbaren Beschaffenheitentsprechen (Nr. 2); den bereitgestellten Proben oder Muster entsprechen (Nr. 3); mit dem erwartbaren Zubehör übergeben werden (Nr. 4).§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1+ 2 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB a.F. Dagegen wurden § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, 4, S. 2 BGB neu aufgenommen.

8. Der BMW X3 eignet sich für die gewöhnliche Verwendung (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die gewöhnliche Verwendung der Sache muss nicht gänzlich aufgehoben sein. Es genügt, wenn diese beeinträchtigt ist. Was die gewöhnliche Verwendung der Kaufsache ist, bestimmt sich nach dem Erwartungshorizont eines Durchschnittskäufers. Die Aufforderung zum Anhalten des Fahrzeugs führt bei einem durchschnittlichen Käufer dazu, dass er das Auto umgehend anhält, um Schäden zu vermeiden. Dies beeinträchtigt die gewöhnliche Verwendung des Fahrzeugs als Fortbewegungsmittel im öffentlichen Straßenverkehr. Dies geschieht ohne objektiv gegebenen Anlass. Der BMW X3 eignet sich also nicht zur gewöhnlichen Verwendung (RdNr. 28 ff.).

9. Der BMW weist eine Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die K nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB).

Nein!

Die Beschaffenheit muss bei Sachen der gleichen Art üblich sein. Welche Beschaffenheit der Käufer erwarten kann, bestimmt sich nach dem Erwartungshorizont eines Durchschnittskäufers. Dabei ist die Art der Sache und die öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette zu berücksichtigen (vgl. (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a), b) BGB). BGH: Die Aufforderung, ohne objektiv gegebenen Anlass anzuhalten, beeinträchtige die Gebrauchsfähigkeit als Fortbewegungsmittel. Unter Heranziehung eines herstellerübergreifenden Vergleichsmaßstabs weise der BMW nicht die Beschaffenheit auf, die bei gleichartigen Autos üblich sei und die Käufer erwarten könnten. Dass der Fehler in der gesamten Serie auftrete, ändere nichts daran, dass es ein Fehler ist (RdNr. 28ff.).

10. Der Sachmangel entfällt durch die Mitteilung von BMW, dass die Warnmeldung ignoriert werden könne.

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Die „bloß verbale Richtigstellung“ durch BMW ändere nichts an dem Umstand, dass das Fahrzeug des K bei Gefahrübergang der nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB erforderlichen Sollbeschaffenheit (nämlich der Lieferung eines Fahrzeugs ohne Einblendung irreführender Warnmeldungen) nicht entsprochen habe. Maßstab sei insoweit die „objektiv berechtigte Käufererwartung“ (RdNr. 36).Die Entscheidung erging noch unter Geltung des alten Rechts. An der rechtlichen Würdigung hat sich aber nichts verändert.

11. Der BMW X3 ist mangelhaft (§ 434 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen genügt. Der BMW erfüllt alle subjektiven Anforderungen (§ 434 Abs. 2 BGB). Allerdings eignet er sich nicht für die gewöhnliche Verwendung (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB) und weist nicht die übliche Beschaffenheit auf (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB). Damit erfüllt er nicht die objektiven Anforderungen und ist mangelhaft.
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