Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Abgabe und Zugang von Willenserklärungen
Wirksamwerden – Abgabe und Zugang bei mündlicher Willenserklärung
Wirksamwerden – Abgabe und Zugang bei mündlicher Willenserklärung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
G bucht telefonisch im Hotel des H ein Zimmer für den 5.5. H sagt die Buchung zu. Als G am 5.5. eintrifft, ist das Hotel voll besetzt. H hatte sich am Telefon verhört und für den 15.5. ein Zimmer reserviert.
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Einordnung des Falls
Wirksamwerden – Abgabe und Zugang bei mündlicher Willenserklärung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn G und H wirksam einen Vertrag geschlossen haben sollten, handelte es sich um einen Beherbergungsvertrag, dessen Hauptbestandteil die Zimmervermietung ist.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. G hat am Telefon ein Angebot zum Abschluss eines Beherbergungsvertrags für ein Zimmer am 5.5. abgegeben.
Ja!
3. Das Angebot des G für den 5.5. ist wirksam zugegangen, auch wenn H „15.5.“ verstanden hat.
Genau, so ist das!
4. H hat mit der Zusage das Angebot des G über die Reservierung am 5.5. angenommen. H und G haben einen Beherbergungsvertrag für den 5.5. geschlossen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
KathiBinnig
18.4.2020, 14:06:10
Nur zur Information, da dies eventuell bei Hotelliers/ Gastronomen zur Verwirrung führen kann. Beherbergungsverträge dürfen mündlich geschlossen werden, die Schriftform ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch wenn die Schriftform Gang und Gebe ist, ist sie nicht rechtlich notwendig und der Gast hätte in dem Fall immer „Recht“ ;-)
gelöscht
19.4.2020, 08:14:06
Die Schriftform ist deshalb Usus, weil Hoteliers aus s
tatistischen Gründen dazu verpflichtet sind, persönliche Daten ihrer Gäste zu erfassen.
Dani.0
19.7.2020, 20:26:52
Könnte man im vorliegenden Fall auch an einen versteckten Dissenz denken?
Lukas_Mengestu
21.7.2021, 13:29:42
Hallo Dani, grundsätzlich könnte man natürlich an einen "versteckten Dissens" denken. Grundsätzlich hat aber die objektive Auslegung der Erklärungen der Parteien den Vorrang. Kommt man bei einer objektiven Auslegung zu einer übereinstimmenden Erklärung, so liegt kein Dissens vor, sondern lediglich ein Irrtum einer Partei. Im Hinblick auf die Beseitigung von irrtümlich abgegebenen Erklärungen steht indes die Anfechtung als Mittel der Wahl zur Verfügung. Der Erklärungsempfänger ist dann über die ggfs. bestehende Schadensersatzpflicht (
§ 122 BGB) abgesichert. Ein
versteckter Dissensläge dagegen vor, wenn auch bei objektiver Auslegung kein eindeutiges Ergebnis bestimmbar ist und die Parteien unbewusst voneinander abweichende erklärungen geben. Ein Beispiel hierfür ist die Bestellung "zwei Zimmer mit drei Betten": Will der Gast hiermit ausdrücken, er will 1 Zimmer mit 2 Betten und 1 Zimmer mit 1 Bett, versteht der Wirt aber, es sollen zwei Zimmer mit jeweils 3 Betten, insgesamt also 6 Betten, bestellt werden, dann liegt insoweit ein
versteckter Dissensvor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
kleinerPadawan
19.3.2023, 06:52:34
Wow, das ist glaube ich ein optimales Beispiel für den versteckten Dissens (2 Zimmer mit 3 Betten).Jetzt hat es endlich auch mal bei mir "Klick" gemacht, was den Dissens angeht. Hab die Abgrenzung bisher nie 100%ig verstanden.
Ramin
5.10.2020, 13:48:22
Ich frage mich, wieso man hier nicht von einem Erklärungsdissens ausgegangen ist. Für eine ausführliche Erklärung wäre ich sehr dankbar.
Faby
1.11.2020, 13:27:01
Bei einem Erklärungsdissens liegt ein Missverständnis vor, also beide Vertragsparteien haben aneinander vorbeigeredet und nicht gemerkt, dass ihr Wortlaut objektiv nicht übereinstimmt. Rein objektiv betrachtet passt die Äußerung, dass ein Zimmer für Datum X gebucht wird mit der reinen Zustimmung jedoch überein.
Gerald von Trivia
11.3.2021, 15:36:52
Soweit ich weiß läge das nur vor, wenn auch der Hotelier „Ok, 15.5 ein Zimmer geht klar“ am Telefon gesagt hätte. Somit hätte er auch nach außen hin das erklärt, was er meint, während G über den 5.5 spricht.
Lukas_Mengestu
21.7.2021, 13:35:17
Hallo ihr drei, wie Faby schon vollkommen zutreffend ausgeführt hat, ist die
Vertragsauslegungzunächst aus Sicht des objektiven Erklärungsempfänger vorzunehmen. Erst wenn diese kein eindeutiges Ergebnis bringt, darf man sich Gedanken über einen Erklärungsdissens machen. Der bloß einseitige Irrtum, der nach außen hin nicht offensichtlich wird, ist insofern allein ein Anfechtungsgrund und führt nicht schon dazu, dass der Vertrag insgesamt gar nicht erst zustande kommt. Hintergrund des Vorrangs der Auslegung ist letztlich der Schutz des Vertragspartners. Denn im Falle des Dissens besteht überhaupt kein Vertrag und dementsprechend keine Schadensersatzverpflichtungen. Im Falle der Anfechtung kann der Vertragspartner dagegen die Schäden ersetzt verlangen, die er infolge des Vertrauens auf die entsprechende Erklärung erlitten hat (
§ 122 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
silasowicz
4.8.2023, 14:25:17
In einem vorhergehenden Fall wurde die
Anfechtbarkeitdurch Kaufleute wegen § 346 HGB bei Inhaltsirrtümern ausgeschlossen. Wie verhält es sich in diesem Fall damit?
Leo Lee
10.8.2023, 17:33:45
Hallo silasowicz, der Unterschied liegt darin, dass hier der zwar das Hotel in aller Regel ein Kaufmann ist, jedoch der G "Privatperson" und somit nicht mal "geschäftserfahren" ist und somit § 346 HGB keine Anwendung findet :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
Juraddicted
24.6.2024, 10:10:10
Wieso wird hier nicht auf das Verstehen des 15. abgestellt, nach dem obj
Empfängerhorizont? Haben wir das beim Fall mit dem Sagen "Porto" und Verstehen "Bordeaux" nicht so argumentiert? Oder liegt es daran, dass dem Sagenden kein "Fehler" unterstellt wird? Vielen Dank :)
paul1ne
2.7.2024, 13:36:06
Bei Porto/Bordeaux ergibt der obj.
Empfängerhorizont, dass man als hochdeutsch sprechender Mensch Bordeaux versteht. Die Empfängerin verhört sich in dem Fall ja nicht, die sächselnde Erklärende spricht einfach Porto sehr anders aus. Fünfter und Fünfzehnter sind so unterschiedliche Worte, dass ein Dritter zum Schluss käme, dass 5. gesagt wurde und auch verstanden wurde.