+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G bucht telefonisch im Hotel des H ein Zimmer für den 5.5. H sagt die Buchung zu. Als G am 5.5. eintrifft, ist das Hotel voll besetzt. H hatte sich am Telefon verhört und für den 15.5. ein Zimmer reserviert.

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Einordnung des Falls

Hotelreservierung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn G und H wirksam einen Vertrag geschlossen haben sollten, handelte es sich um einen Beherbergungsvertrag, dessen Hauptbestandteil die Zimmervermietung ist.

Ja, in der Tat!

Der Beherbergungsvertrag ist ein im BGB nicht besonders geregelter, gemischter Vertrag. Wesentlicher Bestandteil ist die Zimmervermietung, auf welche Mietvertragsrecht (§§ 535ff. BGB) anzuwenden ist. Je nach Vertragsinhalt können auch Elemente des Dienstvertragsrechts (Hotelservice), des Werkvertragsrechts (Hotelmahlzeiten), des Kaufrechts (Getränke) und der Verwahrung (Garderobe) anzuwenden sein.
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2. G hat am Telefon ein Angebot zum Abschluss eines Beherbergungsvertrags für ein Zimmer am 5.5. abgegeben.

Ja!

Eine mündliche Erklärung ist abgegeben (Phase 2), wenn der Erklärende sie gegenüber dem Empfänger in einer Weise geäußert hat, dass dieser sie vernehmen kann. Der mittels Fernsprecher gemachte Antrag ist ein Angebot unter Anwesenden (§ 147 Abs. 1 S. 2 BGB). Für das Wirksamwerden unter Anwesenden kommt es (mangels gesetzlicher Regelung) in analoger Anwendung des § 130 BGB auf den Zugang (Phase 3) an.G hat im Telefonat (Fernsprecher) gegenüber H geäußert, ein Zimmer für den 5.5. buchen zu wollen und damit ein Angebot unter Anwesenden mit dem Inhalt „5.5.“ abgegeben.

3. Das Angebot des G für den 5.5. ist wirksam zugegangen, auch wenn H „15.5.“ verstanden hat.

Genau, so ist das!

Eine mündliche WE wird wirksam mit Zugang, wenn (1) der Empfänger sie wahrgenommen hat (= akustisch richtig verstanden hat) oder (2) wenn der Erklärende nach den erkennbaren Umständen keinen Zweifel daran haben konnte, dass der Empfänger sie wahrgenommen hat (hM, sog. eingeschränkte Vernehmungstheorie). Im Verkehr mit Betrieben wie Hotels, die typischerweise telefonische Bestellungen entgegennehmen, darf der Erklärende normalerweise davon ausgehen, dass seine Bestellung richtig aufgenommen wird.Das Angebot des G für den 5.5. war daher trotz des Missverständnisses zugegangen.

4. H hat mit der Zusage das Angebot des G über die Reservierung am 5.5. angenommen. H und G haben einen Beherbergungsvertrag für den 5.5. geschlossen.

Ja, in der Tat!

Ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB) zustande. Die Annahme (§ 147 BGB) ist eine empfangsbedürftige WE, mit der der Annehmende gegenüber dem Antragenden sein vorbehaltloses Einverständnis mit dem angetragenen Vertragsschluss erklärt. Empfangsbedürftige WE sind nicht nach dem inneren Willen des Erklärenden, sondern nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB).Hier war aus Sicht Dritter die Zusage des H nur so zu verstehen, dass er das Angebot des G hinsichtlich einer Reservierung am 5.5. annehmen möchte. Folglich haben G und H einen Beherbergungsvertrag für den 5.5. geschlossen.H kann seine Willenserklärung aber u.U. wegen Inhaltsirrtums (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB) anfechten. G hat aber ggf. einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 Abs. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KathiBinnig

KathiBinnig

18.4.2020, 14:06:10

Nur zur Information, da dies eventuell bei Hotelliers/ Gastronomen zur Verwirrung führen kann. Beherbergungsverträge dürfen mündlich geschlossen werden, die Schriftform ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch wenn die Schriftform Gang und Gebe ist, ist sie nicht rechtlich notwendig und der Gast hätte in dem Fall immer „Recht“ ;-)

GEL

gelöscht

19.4.2020, 08:14:06

Die Schriftform ist deshalb Usus, weil Hoteliers aus statistischen Gründen dazu verpflichtet sind, persönliche Daten ihrer Gäste zu erfassen.

DAN

Dani.0

19.7.2020, 20:26:52

Könnte man im vorliegenden Fall auch an einen versteckten Dissenz denken?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.7.2021, 13:29:42

Hallo Dani, grundsätzlich könnte man natürlich an einen "versteckten Dissens" denken. Grundsätzlich hat aber die objektive Auslegung der Erklärungen der Parteien den Vorrang. Kommt man bei einer objektiven Auslegung zu einer übereinstimmenden Erklärung, so liegt kein Dissens vor, sondern lediglich ein Irrtum einer Partei. Im Hinblick auf die Beseitigung von irrtümlich abgegebenen Erklärungen steht indes die Anfechtung als Mittel der Wahl zur Verfügung. Der Erklärungsempfänger ist dann über die ggfs. bestehende Schadensersatzpflicht (

§ 122 BGB

) abgesichert. Ein versteckter Dissens läge dagegen vor, wenn auch bei objektiver Auslegung kein eindeutiges Ergebnis bestimmbar ist und die Parteien unbewusst voneinander abweichende erklärungen geben. Ein Beispiel hierfür ist die Bestellung "zwei Zimmer mit drei Betten": Will der Gast hiermit ausdrücken, er will 1 Zimmer mit 2 Betten und 1 Zimmer mit 1 Bett, versteht der Wirt aber, es sollen zwei Zimmer mit jeweils 3 Betten, insgesamt also 6 Betten, bestellt werden, dann liegt insoweit ein versteckter Dissens vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

KLE

kleinerPadawan

19.3.2023, 06:52:34

Wow, das ist glaube ich ein optimales Beispiel für den versteckten Dissens (2 Zimmer mit 3 Betten).Jetzt hat es endlich auch mal bei mir "Klick" gemacht, was den Dissens angeht. Hab die Abgrenzung bisher nie 100%ig verstanden.

RAM

Ramin

5.10.2020, 13:48:22

Ich frage mich, wieso man hier nicht von einem Erklärungsdissens ausgegangen ist. Für eine ausführliche Erklärung wäre ich sehr dankbar.

FABY

Faby

1.11.2020, 13:27:01

Bei einem Erklärungsdissens liegt ein Missverständnis vor, also beide Vertragsparteien haben aneinander vorbeigeredet und nicht gemerkt, dass ihr Wortlaut objektiv nicht übereinstimmt. Rein objektiv betrachtet passt die Äußerung, dass ein Zimmer für Datum X gebucht wird mit der reinen Zustimmung jedoch überein.

Gerald von Trivia

Gerald von Trivia

11.3.2021, 15:36:52

Soweit ich weiß läge das nur vor, wenn auch der Hotelier „Ok, 15.5 ein Zimmer geht klar“ am Telefon gesagt hätte. Somit hätte er auch nach außen hin das erklärt, was er meint, während G über den 5.5 spricht.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.7.2021, 13:35:17

Hallo ihr drei, wie Faby schon vollkommen zutreffend ausgeführt hat, ist die

Vertragsauslegung

zunächst aus Sicht des objektiven Erklärungsempfänger vorzunehmen. Erst wenn diese kein eindeutiges Ergebnis bringt, darf man sich Gedanken über einen Erklärungsdissens machen. Der bloß einseitige Irrtum, der nach außen hin nicht offensichtlich wird, ist insofern allein ein Anfechtungsgrund und führt nicht schon dazu, dass der Vertrag insgesamt gar nicht erst zustande kommt. Hintergrund des Vorrangs der Auslegung ist letztlich der Schutz des Vertragspartners. Denn im Falle des Dissens besteht überhaupt kein Vertrag und dementsprechend keine Schadensersatzverpflichtungen. Im Falle der Anfechtung kann der Vertragspartner dagegen die Schäden ersetzt verlangen, die er infolge des Vertrauens auf die entsprechende Erklärung erlitten hat (

§ 122 BGB

). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SI

silasowicz

4.8.2023, 14:25:17

In einem vorhergehenden Fall wurde die Anfechtbarkeit durch Kaufleute wegen § 346 HGB bei Inhaltsirrtümern ausgeschlossen. Wie verhält es sich in diesem Fall damit?

LELEE

Leo Lee

10.8.2023, 17:33:45

Hallo silasowicz, der Unterschied liegt darin, dass hier der zwar das Hotel in aller Regel ein Kaufmann ist, jedoch der G "Privatperson" und somit nicht mal "geschäftserfahren" ist und somit § 346 HGB keine Anwendung findet :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

Juraddicted

Juraddicted

24.6.2024, 10:10:10

Wieso wird hier nicht auf das Verstehen des 15. abgestellt, nach dem obj

Empfängerhorizont

? Haben wir das beim Fall mit dem Sagen "Porto" und Verstehen "Bordeaux" nicht so argumentiert? Oder liegt es daran, dass dem Sagenden kein "Fehler" unterstellt wird? Vielen Dank :)

PAUL1

paul1ne

2.7.2024, 13:36:06

Bei Porto/Bordeaux ergibt der obj.

Empfängerhorizont

, dass man als hochdeutsch sprechender Mensch Bordeaux versteht. Die Empfängerin verhört sich in dem Fall ja nicht, die sächselnde Erklärende spricht einfach Porto sehr anders aus. Fünfter und Fünfzehnter sind so unterschiedliche Worte, dass ein Dritter zum Schluss käme, dass 5. gesagt wurde und auch verstanden wurde.


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