Sachmangel: Vereinbarte Beschaffenheit, § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 – Beschaffenheitsvereinbarung beim Grundstückskauf
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft dem K ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück für €500.000. Bei den Kaufverhandlungen gibt V dem K die Gebäudepläne. Laut diesen hat das Haus eine Wohnfläche von 200m², tatsächlich sind es jedoch nur 150m². Im notariellen Kaufvertrag ist keine Angabe hierzu enthalten.
Einordnung des Falls
Sachmangel: Vereinbarte Beschaffenheit, § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 – Beschaffenheitsvereinbarung beim Grundstückskauf
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine Sache hat einen Sachmangel, wenn sie bei Gefahrübergang von der "vereinbarten Beschaffenheit" abweicht (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).
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Genau, so ist das!
2. Die Größe stellt eine „Beschaffenheit“ des Grundstücks dar (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).
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Ja, in der Tat!
3. Die geringere Größe stellt einen Sachmangel dar, da sie von der "vereinbarten Beschaffenheit" abweicht (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
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Tigerwitsch
15.2.2021, 23:44:37
Mit anderen Worten also: Für die Beschaffenheit zählt (bei Hausgrundstücken) allein, was in dem notariellen KaufV steht. Richtig?

Eigentum verpflichtet 🏔️
16.2.2021, 00:20:59
Hallo Sven, danke für die Frage. Vorsicht! Deine Aussage gilt nur für Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Eine Beschaffenheit der Kaufsache kann sich, sofern sie nicht durch Beschaffenheitsvereinbarung im notariellen Kaufvertrag getroffen wurde, auch nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 BGB ergeben. Diese Beschaffenheit steht dann nicht im Kaufvertrag!
Konsti
19.10.2021, 16:17:25
Wie wäre das dann im vorliegenden Fall zu beurteilen? Könnte man einen Sachmangel gem. § 434 I 2 Nr. 1 BGB annehmen?
ehemalige:r Nutzer:in
31.1.2022, 15:28:28
Würde mich auch interessieren 😀

Anna-MUC
15.11.2023, 18:54:23
Das würde mich auch interessieren. Denn gerade bei einer größeren Wohnfläche bestehen ja auch ganz andere Verwendungsmöglichkeiten (sei es beim Eigenbedarf, sei es bei den wirtschaftlichen Verwendungsmöglichkeiten).

Tigerwitsch
8.4.2021, 20:35:11
Ist das nicht die Andeutungstheorie, demnach Aspekte als vereinbarte Beschaffenheit gelten, sofern sie notariell beurkundet sind? U.U. könnte man das ja noch in der Lösung ergänzen 😇

Lukas_Mengestu
9.4.2021, 09:33:32
Hallo Tigerwitsch, danke für die Anregung. Die Andeutungstheorie geht in eine ähnliche Richtung, wird aber in einem anderen Kontext verwendet, nämlich der Auslegung von Testamenten. Dabei geht es nicht darum, zu verhindern, dass ein Geschäft formnichtig ist. Vielmehr wird sie verwendet, um den wirklichen Willen des Erblassers zu ermitteln, wenn das Testament unklar ist. Dabei dürfen äußere Umstände für die Auslegung berücksichtigt werden, sofern sie im Testament angedeutet werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Tigerwitsch
9.4.2021, 15:00:24
Hallo Lukas, danke für Deine schnelle Antwort! Ich kenne ehrlich gesagt die Andeutungstheorie nicht nur im Hinblick auf die Testamentsauslegung, sondern allgemein im Rahmen der Auslegung von formbedüftigen Verträgen, zB Grundstückskauf, Bürgschaft etc. Siehe nur BGH, U. v. 18.01.2008 - AZ.: V ZR 174/16; U. v. 23.03.1979 - AZ.: V ZR 24/77; U. v. 25.03.1983 - AZ.: V ZR 268/81; KG, B. v. 18.12.2001 - AZ.: 1 W 1712/00.

Lukas_Mengestu
12.4.2021, 09:59:40
Top, danke für das Nachhaken. Ich kannte den Begriff bislang tatsächlich nur im Zusammenhang mit dem Erbrecht. Wir haben den Begriff nun ergänzt 😉. Beste Grüße, Lukas
Dolusdave
3.3.2022, 09:32:02
Wäre dann in diesem Fall unter Berücksichtigung des neuen Kaufrechts auf 434 III (Nr. 2 a?) und somit die objektiven Anforderungen anzustellen?

Lukas_Mengestu
7.3.2022, 15:35:39
Hallo Dolusdave, durch das "neue" Kaufrecht hat sich die rechtliche Bewertung dieses Falles nicht geändert. In der Tat könnte man hier auf § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 b BGB abstellen und überlegen, ob das Grundstück aufgrund der vorangegangenen öffentlichen Äußerungen nicht die übliche und erwartbare Beschaffenheit aufweist. Die entsprechenden Vorschriften gab es an anderer Stelle auch schon im alten Recht (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB a.F). In unserem (vereinfachten) Sachverhalt dürfte man im Hinblick auf die objektive Beschaffenheit eine relevante Abweichung und damit einen Mangel durchaus bejahen. In dem zugrundeliegenden Originalfall hatte der BGH dies dagegen ausgeschlossen, weil dort zwar die Wohnfläche geringer war, als öffentlich bekannt gegeben worden war. Die Gesamtfläche (also inkl. Terasse, Hauswirtschaftsraum...) entsprach aber in etwa den im Exposé gemachten Angaben, weswegen sich für einen durchschnittlichen Käufer keine relevante Abweichung und insoweit kein objektiver Mangel ergebe. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

frausummer
22.11.2022, 16:26:56
@[Lukas Mengestu](136780) Welche Anforderungen werden denn an eine öffentliche Äußerung gestellt? Würde da auch schon eine Anzeige bei einschlägigen Immobilienportalen genügen und wie wäre zu verfahren, wenn sich dann beim Zusenden der Gebäudepläne eine Abweichung von der Anzeige ergibt, im Vertrag jedoch weiterhin nichts beurkundet ist?

Lukas_Mengestu
22.11.2022, 16:41:53
Hallo Frausummer, für die Äußerung kann sich der Verkäufer oder Hersteller jedes beliebigen Mediums bedienen: Sie kann schriftlich in Form von Text oder einer Abbildung erfolgen (auch im Internet), aber auch mündlich oder sogar durch Gesten (bei öffentlichen Veranstaltungen, im Rundfunk, Fernsehen oder in einem Audio- oder Videoclip im Internet). Die Äußerung muss öffentlich erfolgen, sich also an unbestimmt viele und nicht individuell ausgewählte Personen richten. Angaben in einem Exposé des Verkäufers oder eines Maklers fallen daher nur dann unter Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b, wenn das Exposé zB im Internet abrufbar ist, nicht aber dann, wenn es dem Käufer auf Anforderung zugesandt wurde (BeckOK BGB/Faust, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 434 Rn. 112 f.). Also ja, auch die Angaben in dem Onlineportal sind geeignet, die Anforderungen in einem Onlineportal zu determinieren (vgl. auch BGH, Urteil vom 22.4.2016 – V ZR 23/15 = NJW 2017, 150). Wenn sich nun Exposé und Gebäudepläne widersprechen, dann kann ggfs. ein Dissens vorliegen, sodass insgesamt überhaupt kein Vertrag vorliegt. Ebenfalls in Betracht kommt, dass die vorherigen Angaben im Onlineportal durch das Zusenden der Pläne "aktualisiert" wurden, sodass nun diese maßgeblich sein sollen. Hier kommt es ein wenig auf die konkreten Vertragsumstände an und wie die jeweiligen Erklärungen auszulegen sind. Beste Grüße, LUkas - für das Jurafuchs-Team