Zivilrecht
Kaufrecht
Sach- und Rechtsmängel
Vertraglich vorausgesetzte Verwendung – Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB (PRRS-Virus)
Vertraglich vorausgesetzte Verwendung – Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB (PRRS-Virus)
21. Mai 2025
14 Kommentare
4,7 ★ (40.921 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft für ihre Mastferkel-Zucht Sperma bei V. V bewirbt ihren Eberbestand als „PRRS-Virus-unverdächtig“. K setzt das Sperma in ihre Sauen ein. Danach informiert V sie, ihr Bestand sei PRRS-verseucht. Eine Infektion führt zu Totgeburten und ist auch für die Sauen lebensgefährlich.
Diesen Fall lösen 77,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Vertraglich vorausgesetzte Verwendung – Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB (PRRS-Virus)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V und K haben einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) über das Ebersperma geschlossen.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das gelieferte Sperma hat einen Sachmangel, da es von der „vereinbarten Beschaffenheit“ abweicht (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).
Nein!
3. Eine Sache hat einen Sachmangel, wenn sie sich nicht für die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ eignet (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).
Genau, so ist das!
4. Das Sperma hat einen Sachmangel, da es sich nicht für die "nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung" eignet (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ehemalige:r Nutzer:in
3.8.2021, 14:38:08
Der Gesetzgeber hat doch mit Vorschrift Nr. 2 extra den Raum gelassen, dass eine Sache Mängel hat, wenn Sie sich nicht für die gewöhnliche
Verwendungeignet. Was ist der Mehrwert wenn hier Nr. 1 derartig ausgelegt wird, obwohl aus dem SV nicht einmal hervorgeht, dass K und V einen Zweck vertraglich festgehalten haben. Dass BGH Urteil finde ich etwas absurd, da es ja mit Gesundheitsschäden und wirtschaftl. Risiko eher Fälle beschreibt, die sowieso unter Nr. 2 fallen.
Victor
4.8.2021, 08:14:22
Hier sind die Umstände gerade der Sonderfall. Die Verwertbarkeit wird offensichtlich für den Vertrag vorausgesetzt. Ist eher gerade aufgrund des Spezialfalles so. Ansonsten würde ich dir eher Recht geben.

Lukas_Mengestu
8.11.2021, 12:48:37
Hallo ihr beiden, in der Tat ist hier jeweils der konkrete Einzelfall auszulegen. § 434 Abs. S. 2 Nr. 1 BGB setzt insoweit voraus, dass eine
Beschaffenheitzwar nicht ausdrücklich vereinbart, aber von beiden Parteien eine bestimmte
Verwendungübereinstimmend gewollt ist. In der Regel wird dies gleichzeitig auch der übliche
Verwendungentsprechen. Der BGH hat hier ja auch einen Gleichlauf erkennen lassen, indem er hier jeweils auf die gleichen Kategorien verwiesen hat. Im Einzelfall sind aber Konstellationen denkbar, in denen die
vertraglich vorausgesetzte Verwendungnicht der üblichen
Verwendungentspricht (zB wenn ich übereinstimmend davon ausgehe, dass ich den brandneuen Porsche als Blumenkübel verwenden will und er sich dafür dann nicht eignet...). Auch in diesem Fall soll der Käufer natürlich seine Mängelrechte geltend machen können. Da die Privatautonomie Vorrang hat, sind die einzelnen Mängelbegriffe in der vorgegebenen Hierarchie zu prüfen und auf die "übliche
Verwendung" nur zurückzugreifen, sofern die übrigen Tatbestände nicht erfüllt sind. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
s.t.
4.9.2021, 11:16:58
Wieso erwähnt man hier nicht den Fall des S. 3

Lukas_Mengestu
8.12.2021, 12:06:04
Hallo s.t., der § 434 Abs. 1 S. 3 BGB konkretisiert letztlich nur die ge
schuldete "objektive"
Beschaffenheitnach § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Der BGH hat hier indes darauf abgestellt, dass das Sperma schon nicht für die im Vertrag vorausgesetzten
Verwendungtauge (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB). Da Satz 3 hierauf nicht verweist und nach dem derzeit noch gültigen Mangelbegriff ein Hierarchieverhältnis zwischen den einzelnen Mängeln besteht, hat der BGH hier nicht auf Satz 3 zurückgreifen müssen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
jomolino
20.1.2022, 10:04:30
Wieso wird nicht auf die öffentlichen Äußerungen des V abgestellt?

Lukas_Mengestu
20.1.2022, 10:57:58
Hallo nomamo, da nach neuem Recht die objektiven und subjektiven Anforderungen grundsätzlich gleichrangig sind und kumulativ vorliegen müssen, könntest Du auch auf die öffentlichen Äußerungen abstellen. Nach altem Recht standen die unterschiedlichen Mangelbegriffe in einem Stufenverhältnis, sodass zunächst die
vereinbarte Beschaffenheitund die vorausgesetzte
Verwendungzu prüfen
waren. Da der BGH bereits die vorausgesetzte
Verwendungbejaht hatte, brauchte er sich nicht mehr mit der öffentlichen Äußerung zu befassen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ll373
23.1.2023, 19:18:24
Mal wieder Lob an den Zeichner :D

Nora Mommsen
24.1.2023, 13:03:46
@[ll373](198066), das leiten wir sehr gerne weiter! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Leonie
26.7.2023, 15:00:43
Die Zeichnung ist ja Weltklasse 😂
luc1502
3.1.2025, 13:26:03
in Bezug auf die „Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte
Verwendung“ könnte man sich zudem noch den Art.6 lit b) der
Warenkauf-RL, der vor allem von einem „Zustimmen“ des Verkäufers spricht. D.h. im Klartext (so auch Looschelders in SR BT §3 Rn.29), dass hierzu eine
rechtsgeschäftliche Abrede
erforderlichist. hierzu auch BeckOK BGB/ Faust §434 Rn.53,54 LG
okalinkk
30.3.2025, 22:25:47
Habe ich es richtig verstanden, dass sich die
vertraglich vorausgesetzte Verwendungabstrakt bestimmt? Es geht also um die typische
Verwendungder gekauften Sache und nicht um persönliche oder individuelle Vorstellungen des Käufers?
Lt. Maverick
23.4.2025, 17:36:47
Das hängt davon ab, ob du nach subjektiven oder objektiven Kriterien bewertest. Die subjektive Anforderung der Eignung zur vertraglich vorausgesetzten
Verwendung(§ 434 II S. 1 Nr. 2 BGB) läuft regelmäßig gleichauf mit der Eignung zur gewöhnlichen
Verwendung. Es kann sein, dass sich z.B. schon aus den Vertragsverhandlungen die gewöhnliche
Verwendungin der subjektiven Anforderung niederschlägt. Ebenso kann es sein, dass die subjektive
Verwendungvon der gewöhnlichen
Verwendungabweicht. Eine eigenständige Bedeutung des § 434 II S. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich meist nur dann, wenn eine Abweichung von der gewöhnlichen
Verwendunggegeben ist. Beispiel: V und K schließen einen Kaufvertrag über Filzstifte ab. K erklärt im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses, dass er die Filzstifte zum Beschriften eines Whiteboards verwenden will. Die Filzstifte sind gerade für das Beschriften von Whiteboards vorgesehen. Ein Sachmangel könnte sich sowohl aus § 434 II S. 1 Nr. 2 BGB als auch § 434 III S. 1 Nr. 1 BGB ergeben, wobei gemäß § 434 III S. 1 BGB die vertraglichen Vereinbarungen Vorrang genießen. Hier hat K seine
Verwendungsabsicht bereits in die Vertragsverhandlungen einfließen lassen. Jetzt kann es aber sein, dass K im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses erklärt, dass er mit den Filzstiften T-Shirts beschriften möchte. V bekräftigt K in seiner Wahl der „Whiteboard“-Filzstifte. Diese eignen sich nach ihrer gewöhnlichen
Verwendunggerade nicht für T-Shirts. Deshalb läge nach objektiven Anforderungen kein Sachmangel vor, weil sie sich weiterhin für das Beschriften von Whiteboards eignen, aber durchaus nach subjektiven.

Law🦥
4.5.2025, 12:49:10
Plakativ gefragt, wissen wir denn ganz genau, ob das Sperma dazu geführt hat, dass es Totgeburten gab bzw Säue gestorben sind? Der Fall an sich lässt, meiner Meinung nach, wenn überhaupt, nur eine teilweise Bejahung eines Sachmangels gem.§.434 Abs. 1. Abs. 2.S. 1 Nr. 2 BGB, als auch des zitierten BGH Urteils zu, denn eine Besamung fand ja grundsätzlich statt. In der Subsumption stand auch, dass das mit dem PRRS-Virus belastetes Sperma sich sich auf die Rentabilität des Zuchtbetriebs negativ auswirken KANN- eine Nutzung wird nicht empfohlen, aber auch nicht zu 100% verboten. Oder vll anders gefragt- ist eine Kaufsache, in diesem Falle das Sperma, immer mangelhaft, wenn es nicht zu einer gesunden Geburt eines Lebewesens führt? Muss man hier die vertragliche
Verwendungeinfach nich ganz explizit definieren? Meines Wissens nach stand da „nur“, dass K und V eine
Verwendungunterzeichnet haben, die den Kauf des Spermas zum Zweck der Besamung der Zuchtsauen voraussetzt- wenn ja, wäre es für mich kein Mangel, denn biologisch ist das ja leider auch mit einer Totgeburt geschehen. Vll quetsche ich hier auch zu sehr- freue mich auf eure Rückmeldungen.