Zivilrecht

Kaufrecht

Sach- und Rechtsmängel

Vertraglich vorausgesetzte Verwendung – Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB (PRRS-Virus)

Vertraglich vorausgesetzte Verwendung – Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB (PRRS-Virus)

21. Mai 2025

14 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Neues Kaufrecht 2022

K kauft für ihre Mastferkel-Zucht Sperma bei V. V bewirbt ihren Eberbestand als „PRRS-Virus-unverdächtig“. K setzt das Sperma in ihre Sauen ein. Danach informiert V sie, ihr Bestand sei PRRS-verseucht. Eine Infektion führt zu Totgeburten und ist auch für die Sauen lebensgefährlich.

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Einordnung des Falls

Vertraglich vorausgesetzte Verwendung – Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB (PRRS-Virus)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V und K haben einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) über das Ebersperma geschlossen.

Ja, in der Tat!

Ein Kaufvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145ff. BGB) zustande.V hat sich verpflichtet, K die Spermaportionen zu übergeben und zu übereignen (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB). Sie muss K das Ebersperma "frei von Sach- und Rechtsmängeln" (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB) verschaffen. K hat sich verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen und das Sperma abzunehmen (§ 433 Abs. 2 BGB).
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2. Das gelieferte Sperma hat einen Sachmangel, da es von der „vereinbarten Beschaffenheit“ abweicht (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).

Nein!

Eine Beschaffenheisvereinbarung liegt insbesondere vor, wenn der Verkäufer bei Vertragsschluss die Eigenschaften der verkauften Sache in bestimmter Weise umschreibt. Die Annahme einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung kommt dabei nicht "im Zweifel", sondern nur in eindeutigen Fällen in Betracht. Der Verkäufer muss dafür zu erkennen geben, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen. BGH: Allein die Bezeichnung als "PRRS-unverdächtig" biete keine ausreichende Grundlage für die Annahme, V habe damit stillschweigend die Gewähr für unbelastetes Sperma übernehmen und für alle Folgen einer Virusbelastung einstehen wollen (RdNr. 13f.).§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.

3. Eine Sache hat einen Sachmangel, wenn sie sich nicht für die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ eignet (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Auf eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB) kommt es an, wenn keine Beschaffenheit vereinbart ist (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). In beiden Fällen handelt es sich um ein subjektives Kriterium. BGH: Vertraglich vorausgesetzt ist die zwar nicht vereinbarte, aber von beiden Vertragsparteien unterstellte Verwendung der Kaufsache, die von der gewöhnlichen Verwendung abweichen kann. Die Eignung einer Sache für eine bestimmte Verwendung ist nicht erst zu verneinen, wenn die Tauglichkeit der Sache zu diesem Gebrauch ganz aufgehoben ist, sondern bereits dann, wenn sie lediglich gemindert ist (LS. 1, 2). § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a.F.

4. Das Sperma hat einen Sachmangel, da es sich nicht für die "nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung" eignet (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

BGH: Die Eignung der Kaufsache für deren nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung sei grundsätzlich in den Fällen gemindert oder ganz aufgehoben, wenn mit dieser Verwendung erhebliche Gesundheitsgefahren oder das Risiko eines großen wirtschaftlichen Schadens verbunden seien. K und V haben eine Verwendung des Spermas zum Zweck der Besamung der Zuchtsauen vorausgesetzt (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB). Mit dem PRRS-Virus belastetes Sperma eignet sich nicht zur gefahrlosen Besamung von Sauen und kann sich auf die Rentabilität des Zuchtbetriebs negativ auswirken. Es ist daher mangelhaft iSv § 434 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 2 BGB (RdNr. 15ff.).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

3.8.2021, 14:38:08

Der Gesetzgeber hat doch mit Vorschrift Nr. 2 extra den Raum gelassen, dass eine Sache Mängel hat, wenn Sie sich nicht für die gewöhnliche

Verwendung

eignet. Was ist der Mehrwert wenn hier Nr. 1 derartig ausgelegt wird, obwohl aus dem SV nicht einmal hervorgeht, dass K und V einen Zweck vertraglich festgehalten haben. Dass BGH Urteil finde ich etwas absurd, da es ja mit Gesundheitsschäden und wirtschaftl. Risiko eher Fälle beschreibt, die sowieso unter Nr. 2 fallen.

VIC

Victor

4.8.2021, 08:14:22

Hier sind die Umstände gerade der Sonderfall. Die Verwertbarkeit wird offensichtlich für den Vertrag vorausgesetzt. Ist eher gerade aufgrund des Spezialfalles so. Ansonsten würde ich dir eher Recht geben.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.11.2021, 12:48:37

Hallo ihr beiden, in der Tat ist hier jeweils der konkrete Einzelfall auszulegen. § 434 Abs. S. 2 Nr. 1 BGB setzt insoweit voraus, dass eine

Beschaffenheit

zwar nicht ausdrücklich vereinbart, aber von beiden Parteien eine bestimmte

Verwendung

übereinstimmend gewollt ist. In der Regel wird dies gleichzeitig auch der übliche

Verwendung

entsprechen. Der BGH hat hier ja auch einen Gleichlauf erkennen lassen, indem er hier jeweils auf die gleichen Kategorien verwiesen hat. Im Einzelfall sind aber Konstellationen denkbar, in denen die

vertraglich vorausgesetzte Verwendung

nicht der üblichen

Verwendung

entspricht (zB wenn ich übereinstimmend davon ausgehe, dass ich den brandneuen Porsche als Blumenkübel verwenden will und er sich dafür dann nicht eignet...). Auch in diesem Fall soll der Käufer natürlich seine Mängelrechte geltend machen können. Da die Privatautonomie Vorrang hat, sind die einzelnen Mängelbegriffe in der vorgegebenen Hierarchie zu prüfen und auf die "übliche

Verwendung

" nur zurückzugreifen, sofern die übrigen Tatbestände nicht erfüllt sind. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

S.

s.t.

4.9.2021, 11:16:58

Wieso erwähnt man hier nicht den Fall des S. 3

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.12.2021, 12:06:04

Hallo s.t., der § 434 Abs. 1 S. 3 BGB konkretisiert letztlich nur die ge

schuld

ete "objektive"

Beschaffenheit

nach § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Der BGH hat hier indes darauf abgestellt, dass das Sperma schon nicht für die im Vertrag vorausgesetzten

Verwendung

tauge (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB). Da Satz 3 hierauf nicht verweist und nach dem derzeit noch gültigen Mangelbegriff ein Hierarchieverhältnis zwischen den einzelnen Mängeln besteht, hat der BGH hier nicht auf Satz 3 zurückgreifen müssen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JO

jomolino

20.1.2022, 10:04:30

Wieso wird nicht auf die öffentlichen Äußerungen des V abgestellt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.1.2022, 10:57:58

Hallo nomamo, da nach neuem Recht die objektiven und subjektiven Anforderungen grundsätzlich gleichrangig sind und kumulativ vorliegen müssen, könntest Du auch auf die öffentlichen Äußerungen abstellen. Nach altem Recht standen die unterschiedlichen Mangelbegriffe in einem Stufenverhältnis, sodass zunächst die

vereinbarte Beschaffenheit

und die vorausgesetzte

Verwendung

zu prüfen

ware

n. Da der BGH bereits die vorausgesetzte

Verwendung

bejaht hatte, brauchte er sich nicht mehr mit der öffentlichen Äußerung zu befassen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ll373

ll373

23.1.2023, 19:18:24

Mal wieder Lob an den Zeichner :D

Nora Mommsen

Nora Mommsen

24.1.2023, 13:03:46

@[ll373](198066), das leiten wir sehr gerne weiter! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

LEO

Leonie

26.7.2023, 15:00:43

Die Zeichnung ist ja Weltklasse 😂

LUC1502

luc1502

3.1.2025, 13:26:03

in Bezug auf die „Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte

Verwendung

“ könnte man sich zudem noch den Art.6 lit b) der

Ware

nkauf-RL, der vor allem von einem „Zustimmen“ des Verkäufers spricht. D.h. im Klartext (so auch Looschelders in SR BT §3 Rn.29), dass hierzu eine

rechtsgeschäft

liche Abrede

erforderlich

ist. hierzu auch BeckOK BGB/ Faust §434 Rn.53,54 LG

OKA

okalinkk

30.3.2025, 22:25:47

Habe ich es richtig verstanden, dass sich die

vertraglich vorausgesetzte Verwendung

abstrakt bestimmt? Es geht also um die typische

Verwendung

der gekauften Sache und nicht um persönliche oder individuelle Vorstellungen des Käufers?

LMA

Lt. Maverick

23.4.2025, 17:36:47

Das hängt davon ab, ob du nach subjektiven oder objektiven Kriterien bewertest. Die subjektive Anforderung der Eignung zur vertraglich vorausgesetzten

Verwendung

(§ 434 II S. 1 Nr. 2 BGB) läuft regelmäßig gleichauf mit der Eignung zur gewöhnlichen

Verwendung

. Es kann sein, dass sich z.B. schon aus den Vertragsverhandlungen die gewöhnliche

Verwendung

in der subjektiven Anforderung niederschlägt. Ebenso kann es sein, dass die subjektive

Verwendung

von der gewöhnlichen

Verwendung

abweicht. Eine eigenständige Bedeutung des § 434 II S. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich meist nur dann, wenn eine Abweichung von der gewöhnlichen

Verwendung

gegeben ist. Beispiel: V und K schließen einen Kaufvertrag über Filzstifte ab. K erklärt im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses, dass er die Filzstifte zum Beschriften eines Whiteboards verwenden will. Die Filzstifte sind gerade für das Beschriften von Whiteboards vorgesehen. Ein Sachmangel könnte sich sowohl aus § 434 II S. 1 Nr. 2 BGB als auch § 434 III S. 1 Nr. 1 BGB ergeben, wobei gemäß § 434 III S. 1 BGB die vertraglichen Vereinbarungen Vorrang genießen. Hier hat K seine

Verwendung

sabsicht bereits in die Vertragsverhandlungen einfließen lassen. Jetzt kann es aber sein, dass K im Rahmen des Kaufvertragsabschlusses erklärt, dass er mit den Filzstiften T-Shirts beschriften möchte. V bekräftigt K in seiner Wahl der „Whiteboard“-Filzstifte. Diese eignen sich nach ihrer gewöhnlichen

Verwendung

gerade nicht für T-Shirts. Deshalb läge nach objektiven Anforderungen kein Sachmangel vor, weil sie sich weiterhin für das Beschriften von Whiteboards eignen, aber durchaus nach subjektiven.

Law🦥

Law🦥

4.5.2025, 12:49:10

Plakativ gefragt, wissen wir denn ganz genau, ob das Sperma dazu geführt hat, dass es Totgeburten gab bzw Säue gestorben sind? Der Fall an sich lässt, meiner Meinung nach, wenn überhaupt, nur eine teilweise Bejahung eines Sachmangels gem.§.434 Abs. 1. Abs. 2.S. 1 Nr. 2 BGB, als auch des zitierten BGH Urteils zu, denn eine Besamung fand ja grundsätzlich statt. In der Subsumption stand auch, dass das mit dem PRRS-Virus belastetes Sperma sich sich auf die Rentabilität des Zuchtbetriebs negativ auswirken KANN- eine Nutzung wird nicht empfohlen, aber auch nicht zu 100% verboten. Oder vll anders gefragt- ist eine Kaufsache, in diesem Falle das Sperma, immer mangelhaft, wenn es nicht zu einer gesunden Geburt eines Lebewesens führt? Muss man hier die vertragliche

Verwendung

einfach nich ganz explizit definieren? Meines Wissens nach stand da „nur“, dass K und V eine

Verwendung

unterzeichnet haben, die den Kauf des Spermas zum Zweck der Besamung der Zuchtsauen voraussetzt- wenn ja, wäre es für mich kein Mangel, denn biologisch ist das ja leider auch mit einer Totgeburt geschehen. Vll quetsche ich hier auch zu sehr- freue mich auf eure Rückmeldungen.


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