Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO): Öffentlich-rechtliche Streitigkeit bei einem Platzverweis durch eine Polizistin - die Theorien


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Klassisches Klausurproblem

R randaliert auf einem Straßenfest. Polizistin P fordert ihn mehrmals erfolglos auf, sich zu benehmen. Dann erteilt P dem R einen Platzverweis. R meint, der Platzverweis sei rechtswidrig.

Einordnung des Falls

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO): Öffentlich-rechtliche Streitigkeit bei einem Platzverweis durch eine Polizistin - die Theorien

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Für die Streitigkeit gibt es eine aufdrängende Sonderzuweisung zum Verwaltungsrechtsweg.

Nein, das trifft nicht zu!

Aufdrängende Sonderzuweisungen haben Vorrang vor der Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Für die Streitigkeit über den Platzverweis gibt es keine aufdrängenden Sonderzuweisungen. Es kommt auf die Voraussetzungen des § 40 Abs.1 S. 1 VwGO an. Aufdrängende Sonderzuweisungen gibt es z.B. für Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen (§ 126 Abs. 1 BBG bzw. § 54 Abs. 1 BeamtStG für Beamte (des Bundes bzw. des Landes)) oder für die Entscheidung über Eintragungen in die Handwerksrolle (§§ 8 Abs. 4, 12 HwO). Liegt keine aufdrängende Sonderzuweisung vor, genügt die Feststellung: "Aufdrängende Sonderzuweisungen sind nicht ersichtlich.“

2. Auch nach der Sonderrechtstheorie ist die Streitigkeit öffentlich-rechtlich. Denn der Rechtsstreit wird nach Normen des öffentlichen Rechts entschieden.

Ja!

Nach der ganz herrschenden Sonderrechtstheorie (Zuordnungstheorie bzw. modifizierte Subjektstheorie) sind die Zuordnungssubjekte der streitentscheidenden Normen entscheidend. Eine Streitigkeit ist danach öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen öffentlich-rechtlich sind. Maßgeblich ist, ob die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Norm Träger hoheitlicher Gewalt in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger berechtigt oder verpflichtet. Streitentscheidend sind die Normen des einschlägigen Landespolizeigesetzes (= Normen des öffentlichen Rechts), welche den Hoheitsträger Polizei einseitig berechtigen oder verpflichten. In sehr eindeutigen Fällen ist dieser Streit in einer Klausur nicht zu erörtern. Genannt sei hier etwa eine Ermächtigungsgrundlage des Polizeirechts. Beherrscht werden müssen diese Theorien aber in jedem Fall.

3. Auch nach der Subordinationstheorie ist die Streitigkeit öffentlich-rechtlich. Denn zwischen R als Kläger und dem Bundesland (Dienstherr der Polizistin) als Klagegegner besteht ein Über-Unterordnungsverhältnis.

Genau, so ist das!

Die Subordinationstheorie stellt auf das Verhältnis der am Rechtsstreit Beteiligten ab. Besteht ein Über-Unterordnungsverhältnis, soll eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegen, besteht ein Gleichordnungsverhältnis, eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit. Das Verhältnis Staat-Bürger stellt das klassische Über-Unterordnungsverhältnis dar. Die Theorie führt zwar häufig zu richtigen Ergebnissen, kann aber nicht erklären, warum z.B. bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag trotz Gleichordnung der Parteien der Verwaltungsrechtsweg gilt.

4. Nach der Interessentheorie ist die Streitigkeit öffentlich-rechtlich. Denn die Befugnis, Platzverweise auszusprechen, liegt im öffentlichen Interesse.

Ja, in der Tat!

Nach der Interessentheorie liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn die streitentscheidenden Normen überwiegend dem öffentlichen Interesse dienen. Dagegen soll eine privatrechtliche Streitigkeit bei einer Norm vorliegen, die überwiegend Individualinteressen dient. Die streitentscheidenden Normen sind solche des Polizei- und Sicherheitsrechts. Dieses verfolgt primär den Zweck des Schutzes der Allgemeinheit. Die streitentscheidenden Normen dienen dem Allgemeininteresse. Diese Theorie wird kaum mehr vertreten, da der Begriff des öffentlichen Interesses zu unbestimmt ist.

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