Dritt-Aneignung 1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T knackt das Schloss des am Bahnhof Altona abgestellten Fahrrads der O. Er steigt auf das Rad. Sein Ziel ist es, die Palmaille entlang bis zur Reeperbahn zu fahren und das Rad dort abzustellen, damit jemand anderes es gebrauchen kann.
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Einordnung des Falls
Dritt-Aneignung 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine Zueignungsabsicht ist auch in Form der Dritt-Aneignung möglich.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. T erfüllt die Kriterien, die an eine Dritt-Aneignung zu stellen sind.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
charmaine
2.5.2022, 18:50:42
Wieso reicht für die
Aneignungsabsichtnicht aus, dass der Täter das Rad benutzt und damit davon fährt? Wieso wird hier auf die spätere Drittaneignung abgestellt?
Lukas_Mengestu
3.5.2022, 15:04:07
Hallo charmaine, in der Tat wäre es vertretbar, in der Nutzung des Rades eine Selbstaneignung zu sehen. Denn anders als die
Enteignung, muss die Aneignung nicht dauerhaft erfolgen. Ausweislich des Sachverhaltes ist sein eigentliches Ziel allerdings von Anfang an die Drittaneignung. Insofern liegt es nahe, in der vorübergehenden Nutzung lediglich ein Mittel zur Verfolgung dieses Zweckes zu sehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
jjanaschaefer
17.1.2023, 13:03:24
Ich war auch etwas verwirrt, vielleicht kann man das im Fall noch genauer herausstellen?
Lukas_Mengestu
17.1.2023, 13:37:53
Danke indubiolaw, wir haben das noch etwas konkretisiert 🙂
Jenn_
24.8.2022, 13:25:46
Wie wirkt es sich denn eigentlich aus, dass T das Schloss geknackt hat? Nur Sachbeschädigung oder müsste man das Regelbeispiel des § 243 irgendwie erwähnen? Lg und danke! :)
Nora Mommsen
25.8.2022, 14:33:07
Hallo Jenn_, danke für deine Frage. Zerstört oder beschädigt der Täter zum Zwecke der Wegnahme eine andere Sache, so steht die Sachbeschädigung gem. Das Fahrradschloss ist eine künstliche Einrichtung, die ihrer Art nach geeignet und bestimmt ist die Wegnahme erheblich zu erschweren. Es ist daher ein klassischer Fall des Regelbeispiels nach § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB, sollte daher auf jeden Fall kurz erwähnt werden. § 303 StGB in Tateinheit zum Diebstahl und zwar auch dann, wenn ein besonders schwerer Fall nach § 243 I S. 2 StGB (oder eine Qualifikation) erfüllt ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Jenn_
25.8.2022, 16:03:51
Vielen Dank für die schnelle Antwort! :) Eine Frage hätte ich aber noch: würde man auch konkret in diesem Fall 243 ansprechen? Weil der Diebstahl gar nicht vollendet ist, da T ja die Kriterien zur Drittaneignung nicht erfüllt.
ehemalige:r Nutzer:in
20.6.2023, 13:13:16
Dann würde ein
versuchter Diebstahlin einem besonders schweren Fall vorliegen. Man müsste normal die §§ 242, 22, 23 I StGB prüfen und nach dem Rücktritt den §
243 StGBals Strafzumessungsnorm bejahen. Nur so wird man dem Umstand gerecht, dass ein Regelbeispiel voll verwirklicht wurde und das nicht außer Acht gerät, indem man bloß den versuchten einfachen Diebstahl bejahen würde.
Momme
20.6.2023, 14:41:16
Man könnte vorliegend direkt im Obersatz der Diebstahls-Prüfung von einem Besonders schweren Fall gem. §§ 242 I, 243 I Nr. 2 StGB sprechen und dann im subjektiven Tatbestand aussteigen. Einen versuchter (besonders schwerer) Diebstahl liegt ebenfalls nicht vor und müsste meines Erachtens nach wohl auch gar nicht mehr angesprochen werden (und wenn doch, dann nur mit der Feststellung, dass der Tatentschluss auch die Erfüllung der sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale umfassen muss und T keine
Zueignungsabsichthatte). Am Ende bleibt wohl eine
Gebrauchsanmaßunggem. §248b in Tateinheit mit einer Sachbeschädigung (am Schloss) gem. § 303 I.
Rocker Santana
22.4.2024, 12:36:04
Warum hatte er hier keine (Selbst-)
Aneignungsabsicht? Er wollte sich ja zumindest für den Weg als Eigentümer handeln.
Enteignungswille kann ja auch unproblematisch bejaht werden. Ich verstehe den Unterschied zu einem älteren Fall nicht, bei dem der Täter ein Auto an einem abgelegenen See stehen lässt, bei welchem auch von sowohl
Enteignungswille als auch
Aneignungsabsicht(auch nur vorübergehend) ausgegangen wird.
Nora Mommsen
22.4.2024, 17:23:39
Hallo Rocker Santana, danke für deine Frage! Der Unterschied besteht darin, dass er von vornherein sich das Rad nicht "zu nutze" machen wollte und den Gebrauchswert aneignen wollte. Sein einziges Ziel war von vornherein, das Rad für einen unbekannten Dritten bereit zu stellen. Das unterscheidet den Fall von dem "Auto am See" Fall. Dort nutzte der Täter das Auto zunächst als Transportmittel für sich selbst um Gegenstände zu transportieren. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Nedjem
22.4.2024, 17:26:35
Hey, hier geht es T nur darum, die Drittaneignung zu ermöglichen, dies ist sein eigentliches und alleiniges Ziel. Die Nutzung des Rads ist dafür lediglich ein notwendiger Zwischenschritt, vergleichbar mit dem Fall mit der Kutte des verfeindeten Rockerbandenmitglieds (unter
Zueignungsabsicht3). In dem Fall geht es dem T auch nur um die Entsorgung der Kutte, allein dafür nimmt er sie dem anderen weg. Notwendigerweise hat er sie kurz bei sich, aber nie mit
Aneignungsabsicht. Im Fall mit dem PKG (unter
Zueignungsabsicht1) geht es dem Täter zumindest auch um die Anmaßung einer eigentümerähnlichen Stellung: er benutzt den PKW, um damit Kisten zu transportieren, lässt es während der Feier bei sich und will den PKW erst anschließend zurücklassen.
Nedjem
22.4.2024, 17:37:13
da war ich mit dem Schreiben zu langsam 😅