Gebrauchsanmaßung

4. Juli 2025

23 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T organisiert eine Party und beschließt, einen Einkaufswagen der E-GmbH für den Transport von Getränken zu einem einige Kilometer entfernten See zu gebrauchen. Am nächsten Morgen führt T den Einkaufswagen, wie von Beginn an geplant, zur E-GmbH zurück.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Gebrauchsanmaßung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der objektive Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass Täter eine fremde bewegliche Sache wegnimmt.

Ja, in der Tat!

Geschütztes Rechtsgut ist das Eigentum. Tathandlung ist die Wegnahme der für den Täter fremde Sache. Wegnahme im Sinne von § 242 Abs. 1 StGB bezeichnet den Bruch fremden Gewahrsams und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Dies setzt voraus, dass (1) die Sache sich im Gewahrsam eines anderen befindet, (2) neuer Gewahrsam begründet und (3) der fremde Gewahrsam gebrochen wird.
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2. Scheitert die objektive Wegnahme bereits daran, dass T den Einkaufswagen von Anfang an zurückbringen wollte?

Nein!

Du musst die Verwirklichung des objektiven Tatbestands streng von subjektiven Aspekten des Falles trennen! Wegnahme bezeichnet den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Der fremde Gewahrsam wird gebrochen, wenn der Gewahrsamswechsel gegen oder ohne den Willen des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers erfolgt. Der neue Gewahrsam ist begründet, wenn der Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über die Sache durch den neuen Gewahrsamsinhaber keine großen Hindernisse im Wege stehen.T hat den Fs Gewahrsam gegen Fs Willen gebrochen und eigenen Gewahrsam begründet (= Wegnahme). Zwar könnte man hier zunächst überlegen, ob der Filialleiter mit der Verwendung und ggf. der Begründung eigenen Gewahrsams an dem Einkaufswagen durch Kunden des Supermarkts einverstanden ist (= tatbestandsausschließendes Einverständnis). Dies würde aber höchstens für die Benutzung des Wagens i.R.e. gewöhnlichen Einkaufs, z.B. für die Verbringung der Lebensmittel zum Auto, vorliegen. Der Transport zu einem mehrere Kilometer entfernten Ort ist hiervon sicherlich nicht mehr erfasst.

3. Das Verhalten des T ist als bloße Gebrauchsanmaßung straflos.

Ja, in der Tat!

Es ließe sich andenken, ob es sich bei dem Einkaufswagen um ein Fahrrad im Sinne von § 248b StGB handeln könnte. Unter einem Fahrrad ist nach h.M. jedes Fahrzeug zu verstehen, das Räder hat und mit Muskelkraft durch Hand- oder Tretkurbel bewegt wird.Mangels Betätigung einer Kurbel und nach allgemeiner Vorstellung stellt ein Einkaufswagen kein Fahrrad dar. Eine solche Auslegung würde die Wortlautgrenze des § 248b StGB überschreiten und wäre demnach eine im Strafrecht unzulässige Analogie zulasten des Täters. Das Verhalten des T stellt daher eine straflose Gebrauchsanmaßung dar.

4. Ursprünglich hatte der Filialleiter F der E-GmbH Gewahrsam an dem Einkaufswagen.

Ja, in der Tat!

Gewahrsam meint dabei die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Diese kann immer nur einer natürlichen Person zukommen.Nach der Verkehrsanschauung hat der Filialleiter die Herrschaft über das im Eigentum des Supermarkts stehende Inventar. Der Filialleiter hatte damit Gewahrsam an dem Einkaufswagen.

5. T wollte den Einkaufswagen von Anfang an zurückbringen. Handelte er mit Zueignungsabsicht?

Nein!

Das subjektive Tatbestandsmerkmal der Zueignungsabsicht setzt den (zumindest Eventual-)Vorsatz der dauerhaften Enteignung sowie die Absicht vorübergehender Aneignung voraus. Im Rahmen des Enteignungsvorsatzes musst Du regelmäßig zur straflosen Gebrauchsanmaßung abgrenzen. Diese ist durch einen unbedingten Rückführungswillen gekennzeichnet. T kam es zwar zumindest für die Zeit der Feier darauf an, mit dem Einkaufswagen wie ein Eigentümer zu verfahren und ihn zu gebrauchen (= Aneignungsabsicht). T hatte aber bereits zum Zeitpunkt der Wegnahme vor, den Einkaufswagen ohne Bedingung und nach kürzester Zeit zurückzuführen. Ein Vorsatz der dauerhaften Enteignung kann ihm somit nicht unterstellt werden.
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