+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T beschließt, einen Einkaufswagen der E-GmbH für den Transport einiger Getränke zu einem einige Kilometer entfernten See zu gebrauchen. Nach dem Ende der Feier am nächsten Morgen führt T den Einkaufswagen am nächste Morgen zur E-GmbH zurück.

Einordnung des Falls

Gebrauchsanmaßung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ursprünglich hatte der Filialleiter der E-GmbH Gewahrsam an dem Einkaufswagen.

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Ja, in der Tat!

Gewahrsam meint dabei die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft.Diese kann immer nur einer natürlichen Person zukommen, vorliegend dem Filialleiter. Nach der Verkehrsanschauung hat dieser die Herrschaft über das im Eigentum des Supermarkts stehende Inventar.

2. T hat den Einkaufswagen dem Filialleiter weggenommen.

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Ja!

Wegnahme im Sinne von §242 Abs. 1 StGB bezeichnet den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Für das Tatbestandsmerkmal "Bruch" müsste der Gewahrsamswechsel gegen oder ohne den Willen des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers vonstatten gegangen sein.Zwar wird in engen Grenzen ein tatbestandsausschließendes Einverständnis bei der Verwendung des Einkaufswagens im Rahmen eines gewöhnlichen Einkaufs, z.B. für die Verbringung der Lebensmittel zum Auto, anzunehmen sein. Der Transport zu einem mehrer Kilometer entfernten Ort ist hiervon sicherlich nicht mehr erfasst.

3. T handelte mit Zueignungsabsicht.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Das subjektive Tatbestandsmerkmal der Zueignungsabsicht setzt die Absicht (dolus directus 1. Grades) vorübergehender Aneignung, sowie (zumindest Eventual-)Vorsatz der dauerhaften Enteignung voraus.Erstere ist gegeben, da es T gerade darauf ankommt zumindest für die Zeit der Feier mit dem Einkaufswagen wie ein Eigentümer zu verfahren und ihn zu gebrauchen. Im Rahmen des Enteignungsvorsatzes ist jedoch zur straflosen Gebrauchsanmaßung abzugrenzen (außer bei § 248b StGB). Diese wird durch einen unbedingten Rückführungswillen gekennzeichnet. T plant den Einkaufswagen ohne Bedingung und nach kürzester Zeit zurückzuführen. Ein Vorsatz der dauerhaften Enteignung kann ihm somit nicht unterstellt werden.

4. Das Verhalten des T ist daher im vorliegenden Fall als bloße Gebrauchsanmaßung straflos.

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Ja, in der Tat!

Es ließe sich andenken, ob es sich bei dem Einkaufswagen nicht um ein Fahrrad im Sinne von § 248b StGB handeln könnte. Unter einem Fahrrad ist nach hM jedes Fahrzeug zu verstehen, das Räder hat und mit Muskelkraft durch Hand- oder Tretkurbel bewegt wird.Zwar wäre nach strenger Subsumtion hiervon auch ein Einkaufswagen erfasst. Demnach stellt nach allgemeiner Vorstellung ein Einkaufswagen kein Fahrrad dar (eine solche Auslegung würde die Wortlautgrenze des § 248b StGB überschreiten und wäre demnach eine im Strafrecht unzulässige Analogie zulasten des Täters).

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