Haftung für eigenes Verschulden II - Fahrlässigkeit 1

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

K muss umziehen. Zur Versöhnung leiht E ihm hierfür seinen Bulli. Ks Fahrkünste lassen leider zu wünschen übrig. Beim Einparken fährt er den Bulli trotz ausreichend Platz gegen eine Laterne. Der Bulli hat nun eine große Delle.

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Einordnung des Falls

Haftung für eigenes Verschulden II - Fahrlässigkeit 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E könnte gegen K einen Schadensersatzanspruch wegen des beschädigten Bullis haben (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Der Schadensersatzanspruch wegen Schutzpflichtverletzung setzt voraus, dass (1) ein (rechtsgeschäftliches oder gesetzliches) Schuldverhältnis besteht, (2) der Schuldner eine Schutzpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat, (3) er die Verletzung zu vertreten hat (§ 276 Abs. 1 BGB) und (4) dem Gläubiger ein Schaden entstanden ist.
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2. Zwischen E und K besteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis in Form eines Leihvertrages (§ 598 BGB).

Ja, in der Tat!

Zur Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses ist grundsätzlich ein Vertrag zwischen den Beteiligten notwendig (§ 311 Abs. 1 BGB). Beim Leihvertrag ist der Verleiher verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten. E und K haben sich geeinigt, dass K den Bulli unentgeltlich für seinen Umzug nutzen darf.

3. K hat seine Pflicht, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des E Rücksicht zu nehmen, gewahrt (§ 241 Abs. 2 BGB).

Nein!

Den Leistungspflichten stehen die nicht leistungsbezogenen Schutzpflichten (auch Neben- oder Rücksichtnahmepflichten genannt) gegenüber. Jede Partei ist über die geschuldetenvertraglichen Pflichten hinaus, dazu verpflichtet, die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei bei der Leistungserbringung zu berücksichtigen (§ 241 Abs. 2 BGB). K hat beim Einparken nicht ausreichend darauf Acht gegeben, dass der Bulli keinen Schaden nimmt.

4. Für eine Schadensersatzpflicht muss der Schuldner die Schutzpflichtverletzung auch zu vertreten haben.

Genau, so ist das!

Neben der Pflichtverletzung setzt die Schadensersatzpflicht stets voraus, dass der Schuldner diese auch zu vertreten hat. Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 Abs. 1 BGB), wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist. Das Merkmal „Vertretenmüssen“ ist das entscheidende Kriterium, das den Schadensersatz vom Rücktritt unterscheidet. Denn ein Rücktritt ist auch ohne das Erfordernis des „Vertretenmüssens“ möglich.

5. K hat die Schutzpflichtverletzung vorsätzlich verübt.

Nein, das trifft nicht zu!

Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Verwirklichung des objektiven Tatbestands. K hat den Bulli weder absichtlich gegen die Laterne gesteuert, noch hat er eine Beschädigung in Kauf genommen. Der Zusammenstoß erfolgte lediglich versehentlich.

6. K hat die Schutzpflichtverletzung fahrlässig verübt.

Ja!

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Schuldner die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Die drohende Verwirklichung der Pflichtverletzung muss erkennbar und vermeidbar gewesen sein. Der Maßstab der Sorgfalt bestimmt sich objektiv nach den Fähigkeiten eines durchschnittlichen Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises. Individuelle Defizite des konkreten Schuldners bleiben außer Betracht. Nach Bestehen der Führerscheinprüfung kann von jedem Autofahrer erwartet werden, dass er ein Fahrzeug unfallfrei einparkt. Da das fahrlässige Verhalten objektiv ermittelt wird, entfällt Ks Haftung auch nicht dadurch, dass er ein schlechter Autofahrer ist.

7. Indem K den Bulli gegen die Laterne gefahren hat, hat er E einen Schaden zugefügt.

Genau, so ist das!

Ein Schaden ist jede unfreiwillig eintretende Beeinträchtigung des Vermögen (Vermögensschaden) oder anderer subjektiver Rechte (Nichtvermögens- oder immaterieller Schaden). Der zu ersetzende Schaden bestimmt sich aus der Differenz zwischen der hypothetischen Vermögenslage, wie sie ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, und der tatsächlichen Vermögenslage (sog. Differenzhypothese, § 249 BGB). Durch die Beule im Heck hat sich der Wert des Bulli vermindert und insoweit ist das Vermögen des E beeinträchtigt.

8. E hat gegen K einen Schadensersatzanspruch wegen des beschädigten Bullis (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Schadensersatzanspruch wegen Schutzpflichtverletzung setzt voraus, dass (1) ein (rechtsgeschäftliches oder gesetzliches) Schuldverhältnis besteht, (2) der Schuldner eine Schutzpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat, (3) er die Verletzung zu vertreten hat (§ 276 Abs. 1 BGB) und (4) dem Gläubiger ein Schaden entstanden ist. Zwischen E und K bestand ein Leihvertrag. Die hieraus resultierende Schutzpflicht hat E durch die fahrlässige Beschädigung des Bulli schuldhaft verletzt. Durch den Wertverlust des Bulli hat E hat auch einen Vermögensschaden erlitten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CLA

chuck lawris

4.2.2022, 10:43:46

Ist hier die Rückführung des Wagens in einwandfreiem Zustand nicht eine Haupt

leistungspflicht

aus dem (beendetem) Leihvertrag?

ELA

Elarp

5.2.2022, 02:14:47

Soweit ich weiß, treffen bei unvollkommenen zweiseitigen Verträgen nur die eine Partei die Haupt

leistungspflichten

, so auch hier bei einem Leihvertrag (

§598 BGB

).

REUS04

Reus04

17.6.2023, 15:56:13

Also ist die generelle Rückführung des Wagens eine Schutzpflicht welche nicht einklagbar ist?

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

9.8.2023, 16:29:15

Die Pflichten aus den §§ 603, 604 sind Nebenpflichten. Ich würde sagen, dass das leistungsbezogene Nebenpflichten sind, da sie ja mit der Durchführung des Vertrags zusammenhängen. Die bloße Schutzpflicht ergibt sich aus § 241 II BGB.

Blan

Blan

16.8.2023, 07:18:54

Ich finde "zur Versöhnung" indiziert vielmehr, dass gar kein Rechtsbindungswille vorliegt, sondern eine reine

Gefälligkeit

. Also gar kein vertraglicher SE-Anspruch gegeben ist. Könnte man evtl. umformulieren.

Niklas3461

Niklas3461

5.11.2023, 15:25:31

Genau das hätte ich auch thematisiert. Aber letztendlich im Hinblick auf die Wertigkeit eines Bullis abgelehnt und daher ein Vertragsverhältnis bejaht. Aber ansprechen würde ich das hier.

QUIG

QuiGonTim

24.1.2024, 12:16:36

Das kann man sicherlich thematisieren. Es ist meines Erachtens aber recht unproblematisch. Der Bulli hat einen höheren Wert, durch das Ver

leihe

n werden dem Ent

leihe

r vielfältige Schädigungsmöglichkeiten gegeben. Dies spricht für einen Rechtsbindunbgswillen auf Seiten des Ver

leihe

rs. Auf Seiten des Ent

leihe

rs spricht der dringende Bedarf aufgrund den Umzugs für den Rechtbindungswillen.

Major Tom(as)

Major Tom(as)

29.10.2024, 17:50:26

Liebes Jurafuchs-Team, wie in den weiteren Kommentaren bereits angemerkt, ist es in diesem Fall nicht ganz unproblematisch, ob eine reine

Gefälligkeit

oder ein Leihvertrag vorliegt. Ich verstehe aber, dass es euch hier nicht auf diese Thematik ankommt. Wäre es für den didaktischen Effekt trotzdem möglich, dahingehend einen Infokasten bei Frage 1 zu hinterlegen? Dabei könnten einige Argumente genannt werden, wieso hier ein Vertrag vorliegen soll. Das wäre super, danke euch weiterhin!


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