Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Raub (§ 249 StGB)
Finalzusammenhang: Nötigung durch Unterlassen
Finalzusammenhang: Nötigung durch Unterlassen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T hat die O zunächst zur Vergewaltigung gefesselt. Sodann entschließt er sich, der O Schmuck wegzunehmen, wobei er sie nicht befreit.
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Einordnung des Falls
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Folgt man der Rechtsprechung ist ein Raub auch durch Unterlassen möglich. T erfüllt damit vorliegend den Raubtatbestand (§ 249 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Laut Mindermeinung fehlt die Modalitätenäquivalenz (Gleichwertigkeit mit einem positiven Tun), weshalb T sich nicht wegen eines Raubes durch Unterlassen strafbar machen würde.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Carolin Hartmann
22.6.2022, 18:24:43
Ich verstehe diese Argumentation nicht. Er jagt doch schon durch das Fesseln Gewalt angewendet, die er dann ausnutzt um sie zu bestehlen. Wieso denn Unterlassen? Er unterlässt doch nichts…
Lukas_Mengestu
23.6.2022, 11:24:37
Liebe Carolin, vielen Dank für die gute Frage! Richtig ist, dass die vorgenommene Fesselung eine Gewalthandlung darstellt. Das Motiv für die Fesselung ist indes zunächst die Vergewaltigung gewesen, nicht die Wegnahme. Zwischen der Nötigungshandlung und der Wegnahme muss indes ein
Finalzusammenhangbestehen. Umstritten ist insoweit, ob in solchen ein Fortwirken der Gewalthandlung vorliegt, bei dem ein
Finalzusammenhangzu bejahen ist oder der Täter lediglich die andauernde faktische Wirkung ausnutzt, was für den
Finalzusammenhangnicht genügt (vgl. BGHSt 48, 365 = https://www.servat.unibe.ch/dfr/bs048365.html RdNr. 10). Der BGH hat sich bei der Fesselung für die
Fortwirkungder Gewalt entschieden (vgl. hierzu auch Schönke/Schröder/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 249 Rn. 6b), wobei er offengelassen hat, ob dieses Verhalten nun schwerpunktmäßig ein positives Tun oder das Unterlassen einer Garantenpflicht darstellt (Lösen der Fesseln). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Hugo
5.4.2023, 21:03:05
Mir ist nicht ganz klar, was hier geprüft wird, 249 I (durch das Fesseln + Entwenden) oder 249 I, 13 I (durch das ausbleibende Entfesseln + Entwenden)? Und wo ist die Problematik anzusprechen, iRd Nötigungselementes (ob Gewalt vorliegt) oder iRd
Finalzusammenhangs? Danke und LG
Joana
29.3.2024, 13:25:02
Zunächst prüfst du § 249 I durch
aktives Tun(Fesseln): (–), mangels
Finalzusammenhangs. Den Entschluss zur Wegnahme hat der Täter erst nach der Fesselung gefasst. Geprüft wird anschließend, ob sich der Täter wegen eines Raubes durch Unterlassen gem. §§ 249 I, 13 I strafbar gemacht hat, indem er es unterlassen hat das Opfer zu befreien um die Wegnahme zu ermöglichen. Die Problematik ist an zwei Prüfungspunkten anzusprechen: 1. Entsprechungsklausel § 13 I a.E. Hier ist zu prüfen, ob eine Begehung durch Unterlassen und eine Begehung durch
aktives Tungleichwertig sind. Die Mindermeinung verneint dies, weil Gewalt ein aktives Verhalten voraussetze. § 249 soll Aggressionshandlungen verhindern und nicht bewirken, dass Zwangswirkungen aufgehoben werden. Hier fehlt also die Modalitätenäquivalenz. –> Gleichwertigkeit (–) Die Rechtsprechung sieht in der pflichtwidrigen Unterlassung der Befreiung eine gleichwertige Gewaltanwendung. Auch i.R.d. § 240 ist anerkannt, dass Gewalt auch durch Unterlassen begangen werden kann. Für § 249 kann dies nicht anders gewertet werden. –> Gleichwertigkeit (+) Vgl. Streitigkeit i.R.d. § 240 2.
FinalzusammenhangNach der Rechtsprechung nutzt der Täter die zuvor geschaffene Lage aus um den Widerstand gegen die Wegnahme auszuschließen. Das Unterlassen diene aus der Sicht des Täters der Ermöglichung der Wegnahme. –>
Finalzusammenhang(+)
Zogoy
7.6.2024, 15:34:50
Könnte man die ganze Problematik mit der fortdauernden Gewalt und Abgrenzung zwischen Unterlassen und
aktives Tunnicht umgehen indem man sagt das der Täter dem Opfer
konkludentdroht, dass wenn es sich zur wer setzt er erneut Gewalt anwendet? Zuvor hat er ja schon zweimal Gewalt angewandt (Fesseln+Vergewaltigen), dann liegt es nicht allzu fern, dass er das erneut tut. Oder gibt es gar keine "
konkludentDrohung
" ?
agi
12.10.2024, 17:28:27
@[Zogoy](226437) ich hätte tatsächlich auch darauf abgestellt, dass das Opfer,aufgrund des Vorverhaltens des Täters, eine erneute körperliche Zwangseinwirkung befürchten könnte. Somit wäre eine
konkludente
Drohunggegeben. Die Google Recherche hat ergeben, dass es tatsächlich auch vom BGH so gesehen wird bzw. Es je nach Einzelfall auch aus BGH Sicht genügt