§ 475 Abs. 2 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft bei Internethändler I eine Jacke, welche I noch dutzende Male auf Lager hat, für €150 auf Rechnung. Sie vereinbaren die Versendung an Ks Wohnort. Nach Übergabe an das Versandunternehmen geht die Jacke unverschuldet verloren. I verlangt Zahlung.
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Einordnung des Falls
§ 475 Abs. 2 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist der persönliche Anwendungsbereich der §§ 474 ff. BGB eröffnet?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Auch der sachliche Anwendungsbereich der §§ 474 ff. BGB ist eröffnet, da K von I eine Ware kauft (§ 474 Abs. 1 S. 1 BGB).
Genau, so ist das!
3. Es liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor. Die §§ 474 ff. BGB sind anwendbar.
Ja, in der Tat!
4. I hatte bei Vertragsschluss einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für die Jacke erlangt (§ 433 Abs. 2 BGB).
Ja!
5. Is Leistungspflicht könnte wegen Unmöglichkeit untergegangen sein (§ 275 BGB).
Genau, so ist das!
6. Ist der Internethandel in der Regel eine Schickschuld?
Ja, in der Tat!
7. Is Leistungspflicht hat sich auf die ausgewählte Jacke konkretisiert.
Ja!
8. Die von I geschuldete Leistung ist unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
9. Die Preisgefahr ist bereits auf K übergegangen (§ 447 Abs. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
10. K muss den Kaufpreis an I zahlen.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Dominic
13.8.2023, 22:10:42
philosophe
1.6.2024, 15:40:52
Hier kommt aber auch nach hM die Nacherfüllung trotz Stückkaufs in Betracht, weil V ja noch viele weitere Exemplare vorrätig hat oder?
Falsus Prokuristor
1.6.2024, 21:45:26
Die Nacherfüllung stellt das vorrangige Gewährleistungsrechte des Käufers bei mangelhafter Lieferung dar. Hier ist die konkrete Sache allerdings vor Übergabe bereits untergegangen, es liegt darum keine mangelhafte Lieferung vor, sondern gar keine Lieferung. Bis zur Übergabe der Kaufsache, zu der es hier nie gekommen ist, findet deshalb das allgemeine
LeistungsstörungsrechtAnwendung. Die beiden
Leistungspflichtgehen deshalb unter ein möglicher Schaden des K würde über die § 280 ff behandelt.
Leo Lee
3.6.2024, 13:03:26
Hallo philosophe, vielen Dank für die sehr gute Frage! Wie Falsus Prokurator hier zu recht anmerkt, ist für die Nacherfüllung (also für die Anwendung der Gewährleistungsrechte) nötig, dass ein
Gefahrübergang(446) stattgefunden hat. Dieser Übergang findet i.d.R. mit der Übergabe statt. Bei einer
Schickschulderfolgt die Übergabe allerdings mit der Übergabe an den Käufer (durch Verschaffung des unm. Besitzes), d.h. etwa durch die Versendungsperson (also durch den Postboten). Wenn also die Versendung mittendrin untergeht, findet eine Übergabe nie statt, weshalb auch 446 nie greift, weshalb auch die 434 ff. nicht zur Anwendung gelangen können! Somit liegt – wie Falsus Prokuristor sagt richtigerweise anmerkt – keine Leistung vor, weshalb die 280 ff. anzuwenden sind. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 8. Auflage, Westermann 446 Rn. 7 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo