Schweigen keine Annahme

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Buchhändler V schickt dem K unaufgefordert einen Grüneberg. Im Anschreiben heißt es: Wenn V von K innerhalb von zwei Wochen keine Antwort erhalte, gehe V davon aus, dass K durch sein Schweigen das Angebot zum Kauf des Grünebergs für €115 annehme. K schweigt.

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Einordnung des Falls

Schweigen keine Annahme

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat ein Angebot (§§ 145ff. BGB) zum Abschluss eines Kaufvertrages (§ 433 BGB) abgegeben.

Ja, in der Tat!

Unter einem Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung zu verstehen, die alle vertragswesentlichen Bestandteile enthält und durch die der Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dem Einverständnis des Empfängers abhängt.Durch Übersendung des Grünebergs und des Anschreibens, in dem die essentialia negotii bezeichnet sind, hat V gegenüber K ein Angebot abgegeben.
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2. K hat durch sein Schweigen seinen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck gebracht und das Angebot angenommen.

Nein!

Die Annahme ist eine Willenserklärung, mit der das Einverständnis mit dem Antrag ausgedrückt wird. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung liegt in einem äußerlich erkennbaren Verhalten, das auf das Vorliegen eines Handlungswillens, eines Erklärungsbewusstseins und eines Geschäftswillen schließen lässt. Schweigen gilt nur als Willenserklärung, wenn die Parteien es vereinbart haben oder das Gesetz es bestimmt (z.B. in §§ 108 Abs. 2 S. 2, 177 Abs. 2 BGB als Ablehnung sowie in §§ 516 Abs. 2 S. 2, 1943 BGB und § 362 Abs. 1 HGB als Zustimmung).Weder eine solche Vereinbarung noch eine gesetzliche Bestimmung liegen hier vor. Zu einer einseitigen Festlegung des Schweigens des K als Zustimmung fehlt V die Rechtsmacht. Ein Kaufvertrag ist nicht zustande gekommen.Sofern K den Grüneberg nutzt, kommt eine konkludente Annahme in Betracht. Sofern K aber Verbraucher ist, schützt ihn hiervor § 241a BGB. Dazu folgender Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Cocos.lawstudy

Cocos.lawstudy

8.12.2021, 13:39:00

Warum kann das dann überhaupt ein Angebot sein, wenn die Annahme gar nicht möglich ist - Schweigen extra vereinbart werden muss? Ist verwirrend Angebot ja, Annahme nein. Da es keine Annahme ist, darf er den Palandt dann kostenlos behalten, da er ihn unaufgefordert bekommen hat? Und V hat Pech oder bekommt er doch etwas?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.12.2021, 09:28:41

Hallo Corina, vielen Dank für Deine Frage. Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die alle vertragswesentlichen Bestandteile enthält und durch die der Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dem Einverständnis des Empfängers abhängt. Diese Voraussetzungen erfüllt das Schreiben, denn es enthält den Preis (115€), den Kaufgegenstand (Grüneberg), die Vertragspartner (V+K) und damit alle vertragswesentlichen Bestandteile. Dass darin zudem aufgeführt wird, durch Schweigen komme bereits ein Vertrag zustande, ändert erst einmal nichts daran, dass es sich um ein wirksames Angebot handelt. Das Angebot kann grundsätzlich auch von K angenommen werden. Allerdings eben nicht durch bloßes Schweigen, sondern durch eine aktive Erklärung gegenüber V oder zumindest durch

konkludent

es Verhalten, zB Lesen des Buches, Weiterverschenken.... Hier muss man allerdings aufpassen, denn für Verbraucher hat der Gesetzgeber mit § 241a Abs. 1 BGB eine Sonderregelung geschaffen, die es ihnen letztlich erlaubt, mit einer unbestellten Leistung tun und lassen zu können, was sie wollen, ohne dass der Unternehmer dadurch einen (Schadensersatz-)Anspruch ihnen gegenüber erhält. Auch die Herausgabe kann er insofern nach herrschender Meinung nicht mehr verlangen (vgl. Fritzsche, in: BeckOGK-BGB, 1.11.2021, § 241a RdNr. 82 ff.). Schau Dir hierzu gerne auch folgenden Fall an: https://applink.jurafuchs.de/jw23rtXgQlb Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Cocos.lawstudy

Cocos.lawstudy

13.12.2021, 21:41:07

ok, danke

SS

Strand Spaziergang

2.5.2023, 08:10:28

Darf der K den Grüneberg behalten, obwohl kein KV zustande gekommen ist? Erwirbt er evtl nach einer Zeit Eigentum daran, wenn V das Buch nicht zurück fordert?

SE.

se.si.sc

2.5.2023, 08:43:38

Klassische Antwort: Das kommt darauf an. Ist K Verbraucher, gilt § 241a BGB, der K ein dauerhaftes Recht zum Besitz iSd § 986 BGB gibt (so jedenfalls die hM) und wonach er den Grüneberg behalten darf. Ein Eigentumserwerb ist damit nach hM jedoch nicht verbunden, weil § 241a BGB keinen gesetzlichen Eigentumserwerb ermöglicht und ein Erwerb durch reinen Zeitablauf in Form der

Ersitzung

nach § 937 II BGB ausscheidet. IE fallen damit Besitz und Eigentum dauerhaft auseinander (das kritisiert dann die Gegenauffassung, zu den Einzelheiten MüKo-BGB, § 241a Rn 29, 35 f). Ist K dagegen Unternehmer, greift § 241a BGB nicht und es bleibt bei den gesetzlichen Standardregeln. Zu prüfen wäre uU, ob wegen des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigunsschreiben sogar ein Vertrag zustande gekommen ist. Jedenfalls dürfte K das Buch schon wegen eines

Herausgabeanspruch

s des V aus § 985 BGB nicht behalten.

nullumcrimen

nullumcrimen

18.5.2024, 23:13:02

Unter welchem Punkt würde das Problem angesprochen werden? bereits unter obj.

Handlungswille

?

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

20.5.2024, 13:55:24

Hallo nullumcrimen,  ich würde da die einzelnen Willenserklärungsunterpunkte nicht zu sehr aufdröseln. Das wirkt ein wenig merkwürdig. Ich würde einfach prüfen, ob ein Vertrag geschlossen wurde. Angebot des V liegt vor. Annahme des K? Hier käme eine Annahme durch Schweigen in Betracht und dann das Ausgeführte. Wenn du es ganz genau machen willst, würde es bereits an der objektiven

Willensäußerung

(oder objektiven

Handlungswille

n oder "erkennbarem Verhalten" hier gibt es viele Synonyme in der Literatur) fehlen.  Beste Grüße  Max - für das Jurafuchsteam

Kiara256

Kiara256

2.7.2024, 13:19:30

Hallo ans Team, leider funktioniert der Link zum Fall nicht. LG

Paulah

Paulah

14.7.2024, 09:44:15

Meinst du den Link zu "Faust"? Der funktioniert bei mir - es wird eine PDF runtergeladen - wenn man es nicht in den Einstellungen unterdrückt hat (hatte ich in einem Browser, da ging es auch nicht).

Kiara256

Kiara256

14.7.2024, 09:48:00

Hallo Paulah, das ist ein guter Tipp! Das werde ich mal versuchen. Leider habe nämlich ich bisher das Problem gehabt, dass keine der Links “geöffnet” werden, wenn etwas anderes als eine Norm verlinkt ist. Vielen lieben Dank für deine Hilfe ☺️

Paulah

Paulah

14.7.2024, 10:36:49

@[Kiara256](243081) Die Literaturstellen sind nur Links, wenn sie unterstrichen sind. Sonst sind das nur Hinweise.

STE

Stella2244

18.10.2024, 17:40:20

Der Verweis auf §§ 108 II 2, 177 II BGB ist in diesem Zusammenhang falsch. Zwar wird hier dem Schweigen eine Bedeutung zugemessen, allerdings handelt es sich hierbei nicht um Willenserklärungen sondern um

rechtsgeschäftsähnliche Handlungen

. Bitte die Verweise entfernen.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

11.11.2024, 10:16:20

Hallo @[Stella2244](227540), Du hast insofern völlig Recht, als die Aufforderungen nach §§ 108 II 1, 177 II 1 BGB

rechtsgeschäftsähnliche Handlungen

sind. Die Reaktion darauf nach § 108 II BGB erfolgt aber nach dem Gesetzeswortlaut in Form einer Genehmigung (nach dem Vorbild des § 184 I BGB) bzw "Nicht-Genehmigung" - und die ist sehr wohl eine Willenserklärung (MüKoBGB/Spickhoff, 9. Aufl 2021, § 108 Rn 9; Staudinger/Klumpp, BGB, Neubearb 2021, § 108 Rn 26). Entsprechendes gilt für § 177 II BGB. Allein hinsichtlich dieser Genehmigungen als Willenserklärungen misst das Gesetz dem Schweigen eine Bedeutung bei (§§ 108 II 2, 177 II 2 BGB). Ich halte unsere Verweise daher nicht für falsch. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

STE

Stella2244

11.11.2024, 11:44:20

Ah vielen Dank, mein Fehler!


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