Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Grundbegriffe der Rechtsgeschäftslehre

Rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung, § 108 Abs. 2 BGB)

Rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung, § 108 Abs. 2 BGB)

24. Mai 2025

27 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 16-jährige T kauft von V einen gebrauchten Pferdesattel für €100, den sie mit einem Teil ihrer Ersparnisse bezahlen will. V möchte von Ts Eltern wissen, ob sie den Kauf genehmigen (§ 108 Abs. 2 BGB).

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Einordnung des Falls

Rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung, § 108 Abs. 2 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat mit der Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung (§ 108 Abs. 2 BGB) gegenüber den Eltern eine Willenserklärung abgegeben.

Nein!

Eine Willenserklärung ist eine auf den Eintritt eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtete private Willensäußerung. Der Erklärende bringt zum Ausdruck, dass nach seinem Willen eine bestimmte Rechtsfolge (Begründung, Änderung oder Beendigung eines Rechtsverhältnisses) eintreten bzw. gelten soll. V hat mit der Aufforderung gegenüber den Eltern erklärt, dass er wissen möchte, ob ihrerseits eine Genehmigung des Kaufvertrags erfolgt. Er hat damit aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass nach seinem Willen eine bestimmte Rechtsfolge eintreten soll. Die Aufforderung nach § 108 Abs. 2 BGB ist keine Willenserklärung.
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2. Bei geschäftsähnlichen Handlungen treten die Rechtsfolgen – anders als bei Willenserklärungen – kraft Gesetzes und damit unabhängig vom Willen des Erklärenden ein.

Genau, so ist das!

Geschäftsähnliche Handlungen sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Erklärungen, deren Rechtsfolgen kraft Gesetzes eintreten, ohne dass ein entsprechender Rechtsfolgewille erklärt werden muss. Typischerweise handelt es sich dabei um Erklärungen, die auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen, insbesondere Aufforderungen (z.B. nach § 177 Abs. 2 BGB und nach § 439 Abs. 1 BGB) und Mitteilungen (z.B. nach §§ 149 S. 2, 170 und 171 Abs. 1 BGB). Im Unterschied zum Realakt, bei dem die Rechtsfolgen auch kraft Gesetzes eintreten, liegt bei der geschäftsähnlichen Handlung zumindest eine Erklärung und keine bloße tatsächliche Willensbetätigung vor.

3. Die Aufforderung des V ist eine geschäftsähnliche Handlung. Daraus folgt, dass die Rechtsfolgen des § 108 Abs. 2 BGB (u.a. Beendigung des Schwebezustands nach zwei Wochen) unabhängig von Vs Willen eintreten.

Ja, in der Tat!

Geschäftsähnliche Handlungen sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Erklärungen, deren Rechtsfolgen kraft Gesetzes eintreten, ohne dass ein entsprechender Rechtsfolgewille erklärt werden muss. V nimmt mit seiner Aufforderung auf den Kaufvertrag mit T Bezug und erstrebt mit der Auskunft über die Genehmigung einen tatsächlichen Erfolg. Die Rechtsfolgen der Aufforderung nach § 108 Abs. 2 BGB treten unabhängig vom Willen des V kraft Gesetzes ein. Eine davor dem Minderjährigen gegenüber erklärte Genehmigung/Verweigerung wird unwirksam; die Erklärung der Eltern kann – abweichend von § 182 Abs. 1 BGB – nur gegenüber dem Vertragsgegner erklärt werden und gilt als verweigert, wenn sie ihm nicht binnen zwei Wochen nach Aufforderung zugeht, siehe § 108 Abs. 2 BGB.

4. Für die Aufforderung (§ 108 Abs. 2 BGB) gelten die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff. BGB), Willensmängel (§§ 116ff. BGB), Wirksamwerden (§§ 130ff. BGB), Auslegung (§§ 133, 157 BGB), Stellvertretung (§§ 164ff. BGB) und Einwilligung und Genehmigung (§§ 182ff. BGB) direkt.

Nein!

Das BGB enthält in Buch 1 (Allgemeiner Teil, §§ 1-240 BGB) Abschnitt 3 (Rechtsgeschäfte, §§ 104-185 BGB) spezielle Regeln für Willenserklärungen. Die Aufforderung (§ 108 Abs. 2 BGB) ist keine Willenserklärung. Die Regeln für Willenserklärungen sind nicht direkt anwendbar.

5. Für die Aufforderung (§ 108 Abs. 2 BGB) gelten die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff. BGB), Willensmängel (§§ 116ff. BGB), Wirksamwerden (§§ 130ff. BGB), Auslegung (§§ 133, 157 BGB), Stellvertretung (§§ 164ff. BGB) und Einwilligung und Genehmigung (§§ 182ff. BGB) analog, soweit dies Zweck und Eigenart der Aufforderung und die Interessenlage zulassen.

Genau, so ist das!

Die Regeln über Willenserklärungen sind auf geschäftsähnliche Handlungen analog anwendbar, soweit dies Zweck und Eigenart der betreffenden Erklärung und die Interessenlage zulassen. Dies ist anzunehmen, wenn die geschäftsähnliche Handlung in einer Willensäußerung besteht. Die Aufforderung nach § 108 Abs. 2 BGB enthält eine Willensäußerung. Die §§ 104ff. BGB sind entsprechend anwendbar.
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