Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Grundbegriffe der Rechtsgeschäftslehre
Rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung, § 108 Abs. 2 BGB)
Rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung, § 108 Abs. 2 BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die 16-jährige T kauft von V einen gebrauchten Pferdesattel für €100, den sie mit einem Teil ihrer Ersparnisse bezahlen will. V möchte von Ts Eltern wissen, ob sie den Kauf genehmigen (§ 108 Abs. 2 BGB).
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung, § 108 Abs. 2 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat mit der Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung (§ 108 Abs. 2 BGB) gegenüber den Eltern eine Willenserklärung abgegeben.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Bei geschäftsähnlichen Handlungen treten die Rechtsfolgen – anders als bei Willenserklärungen – kraft Gesetzes und damit unabhängig vom Willen des Erklärenden ein.
Genau, so ist das!
3. Die Aufforderung des V ist eine geschäftsähnliche Handlung. Daraus folgt, dass die Rechtsfolgen des § 108 Abs. 2 BGB (u.a. Beendigung des Schwebezustands nach zwei Wochen) unabhängig von Vs Willen eintreten.
Ja, in der Tat!
4. Für die Aufforderung (§ 108 Abs. 2 BGB) gelten die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff. BGB), Willensmängel (§§ 116ff. BGB), Wirksamwerden (§§ 130ff. BGB), Auslegung (§§ 133, 157 BGB), Stellvertretung (§§ 164ff. BGB) und Einwilligung und Genehmigung (§§ 182ff. BGB) direkt.
Nein!
5. Für die Aufforderung (§ 108 Abs. 2 BGB) gelten die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff. BGB), Willensmängel (§§ 116ff. BGB), Wirksamwerden (§§ 130ff. BGB), Auslegung (§§ 133, 157 BGB), Stellvertretung (§§ 164ff. BGB) und Einwilligung und Genehmigung (§§ 182ff. BGB) analog, soweit dies Zweck und Eigenart der Aufforderung und die Interessenlage zulassen.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
gelöscht
19.8.2020, 15:23:07
Wenn der Verkäufer sich anders ausgedrückt hätte, also: "wenn deine Eltern dem zustimmen, dann werde ich ihn dir verkaufen" ist es dann vielleicht eine Willenserklärung? Bzw eine Wissens und Willenserklärung?
Eigentum verpflichtet 🏔️
22.8.2020, 16:56:17
Hallo John, danke für die Frage. Bitte beachte, das Verkaufsangebot bzw. die Annahme im Verhältnis zu T stellt immer eine WE nach §§ 145,
147 BGBdar. Die Nachfrage bei den Eltern stellt immer eine
geschäftsähnliche Handlungdar, da diese nicht direkt auf den Eintritt eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Die andere Formulierung würde da nichts dran ändern.
chuck lawris
2.9.2021, 23:09:25
Das muss man nicht unbedingt so sehen; ich mach mal die aA. Das Angebot des V wäre mE eine Bedingung, § 158 BGB, und damit erstmal WE im Sinne eines neuen Angebots. Mit der "Einwilligung" (§ 183 BGB) der Eltern würde die Bedingung eintreten. Die Aufforderung an die Eltern - um die es geht - wäre dadurch ein Angebot an die Eltern auf das gesetzliche Erfordernis der Genehmigung zu verzichten und damit auch eine Willenserklärung. Insofern hätte V auch nicht die Gefahr der schwebenden Unwirksamkeit, bzw. dass das Geschäft abgewickelt wird und wieder rückabgewickelt werden muss, weil es von den Eltern nicht genehmigt wird. Anmerkung Korrektor: "vertretbar" :)
Oli
20.10.2020, 14:13:59
Welcher Natur ist die Antwort der Eltern? Schließlich lassen diese dann ein RG zustandekommen (oder auch nicht)
Eigentum verpflichtet 🏔️
20.10.2020, 16:13:35
Hallo Oli, danke für deine gute Frage. Die Zustimmung nach §§ 182ff. BGB (vorherige Einwilligung, § 183 BGB oder nachträgliche Genehmigung, § 184 BGB) ist ein selbstständiges, einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. (vgl. MükoBGB, 8. A § 182, Rn. 1-3). LG ;)
kleinerPadawan
14.3.2023, 08:17:21
Ich denke die Frage zielte eher darauf ab, ob es sich hier auch um eine "bloße"
rechtsgeschäftsähnliche Handlunghandelt oder eine Willenserklärung. Insofern würde ich sagen, dass es sich ebenfalls um eine
rechtsgeschäftsähnliche Handlunghandelt, da die Rechtsfolge (Wirksamkeit des Vertrags) hier wiederum auch Kraft Gesetzes eintritt. Also fänden die §§ 104 ff. BGB ebenfalls nur analog Anwendung.
kleinerPadawan
14.3.2023, 08:20:29
Um Deine Ausgangsfrage aufzugreifen: Zwar wollen die Eltern, dass das das Geschäft zustande kommt, dies geschieht aber letztlich kraft Gesetzes.
🦊²
20.10.2020, 17:22:41
Welche Beispiele gibt es für
geschäftsähnliche Handlungenwelche nicht in einer
Willensäußerungbestehen?
Eigentum verpflichtet 🏔️
20.10.2020, 17:36:53
Hallo LBD, danke für deine Frage. Beispiele für
geschäftsähnliche Handlungensind (neben der Aufforderung zur Genehmigung nach §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2 BGB):
Fristsetzung(zB § 281 Abs. 1 S. 1 BGB), Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB), das Schadensersatzverlangen nach § 281 IV BGB- Wie diese Liste zeigt, sind
Geschäftsähnliche Handlungenimmer
Willensäußerungen. Deswegen finden ja auch die Vorschriften über Willenserklärungen analoge Anwendung. Einziger Unterschied ist, dass diese Erklärungen nur auf einen tatsächlichen, nicht auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet sind und die Rechtsfolgen kraft Gesetzes eintreten. In Abgrenzung dazu gibt es jedoch auch noch
Realakte. Bspw. die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB oder die §§ 946ff. BGB. Bei diesen findet keine
Willensäußerungstatt.
Ella
7.6.2023, 08:42:03
Gibt es ein Beispiel für eine
geschäftsähnliche Handlung, auf welche die Willenserklärungs-Regelungen nicht anwendbar sind?
Lukas_Mengestu
7.6.2023, 16:43:55
Hallo Ella, auch wenn immer wieder betont wird, dass die analoge Anwendung nicht schematisch erfolgen dürfe und stets die Eigentart und typische Interessenlage der jeweiligen geschäftsähnlichen Handlung in den Blick genommen werden müsse, kannst Du Dir fürs Examen merken, dass die analoge Anwendung eigentlich nahezu immer vorgenommen wird. Das BAG hat dies für § 174 BGB (einseitiges Geschäft eines Bevollmächtigten) einmal in einem besonderen arbeitsrechtlichen Kontext abgelehnt (Geltendmachung tariflicher Ausschlussfrist: BAG, Urteil vom 14. 8. 2002 - 5 AZR 341/01 = NJW 2003, 236). Im Regelfall findet aber auch § 174 BGB auf
geschäftsähnliche HandlungenAnwendung (vgl. Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 81.A. 2022 § 174 RdNr. 2). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Ella
7.6.2023, 17:06:55
Merci! :)
Law_yal_life
18.9.2023, 08:54:33
Also auf die AUFFORDERUNG nach
108 BGBmeint ihr bei der Subsumtion mit entsprechend anwendbar, dass die Vorschriften der WE analog anwendbar sind? Bisschen verwirrend...
flari0n
6.10.2023, 13:09:04
Müsste es nicht heißen: „Die Aufforderung des V ist eine
geschäftsähnliche Handlung. Das folgt daraus, dass die Rechtsfolgen des § 108 Abs. 2 BGB… eintreten.“? (Statt „Daraus folgt, dass…“)
Paulah
6.10.2023, 18:22:36
Ich meine, es ist richtig. Weil die Aufforderung des V ist eine
geschäftsähnliche Handlungist, folgt daraus, dass die Rechtsfolgen des § 180 Abs. 3 BGB eintreten. So wie du es formuliert hast, hieße es, dass aus dem Eintritt der Rechtsfolgen des § 108 Abs. 2 BGB folgt, dass die Aufforderung eine geschäftsfähige Handlung ist.
Leo Lee
7.10.2023, 13:37:06
Hallo flarion und Paulah, in der Tat seid ihr beide richtig! Denn nach flarion ist die Aufforderung eine
geschäftsähnliche Handlung, WEIL die Rechtsfolgen unabhängig vom Willen des Erklärenden eintreten, was völlig zutrifft. Nach Paulah wiederum treten die Rechtsfolgen unabhängig vom Willen des Erklärenden ein, WEIL die Aufforderung eine
geschäftsähnliche Handlungist. Somit ist es im Grunde nur der Unterschied des Ansatzpunktes (ist die Aufforderung geschäftsähnlich, weil die RF automatisch eintritt, oder tritt die RF automatisch ein, weil die Aufforderung geschäftsähnlich ist?) und insofern ein bisschen wie die „Huhn-oder-Ei-Frage“ :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Kind als Schaden
25.3.2024, 16:47:21
Naja... Man könnte entgegen der Lösung auch unterstellen, dass V durch seine Aufforderung gerade die Rechtsfolge des § 108 II 1 2. Hs BGB auslösen will. Dass es gegebenenfalls keine vorherige Erklärung der Eltern gab, ist mMn unschädlich. Ich kann ja auch irrtümlich eine Willenserklärung zum Kauf eines Autos abegeben, obwohl der Vertragspartner gar nicht über besagtes Auto verfügt.
Sebastian Schmitt
23.9.2024, 16:29:35
Hallo @[Kind als Schaden](207572), diskutieren man natürlich in juristischen Fragen (fast) immer. Die ganz hM dürfte hier aber schon eine
geschäftsähnliche Handlungund keine Willenserklärung annehmen. Die von Dir genannten Folgen des § 108 II BGB treten hier eben unabhängig von Vs Willen ein. Nicht das von ihm Gewollte setzt die Rechtsfolgen des § 108 II 1 BGB in Gang (so wäre es bei Willenserklärungen), sondern die Rechtsfolgen treten ein, weil das Gesetz diese Rechtsfolgen mit einer Aufforderung nach § 108 II BGB verknüpft (Staudinger/Klumpp, Neubearb 2021, § 108 Rn 43 mwN). Auf irgendwelche (vorhandenen oder nicht vorhandenen) vorherigen Erklärungen der Eltern oder Ähnliches kommt es dabei nicht an. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Kind als Schaden
23.9.2024, 16:47:03
Hallo, ja es ist wohl g.h.M., dass es sich bei der Aufforderung um eine
geschäftsähnliche Handlunghandelt, dies bestreite ich nicht. Das Vorliegen des Willens eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen, verhindert ja nicht, dass trotzdem eine
geschäftsähnliche Handlungvorliegt, wenn eben diese Rechtsfolge aufgrund des Gesetzes eintritt. Ich kann auch den Willen haben, die Rechtsfolgen einer Mahnung herbeizuführen. Trotzdem bleibt die Mahnung eine
geschäftsähnliche Handlung.
Sebastian Schmitt
18.11.2024, 08:38:48
Hallo @[Kind als Schaden](207572), dann bin ich nicht ganz sicher, ob ich Deine Kritik richtig verstehe. Geht es Dir um die Antwort zur ersten Frage? ("V hat mit der Aufforderung gegenüber den Eltern erklärt, dass er wissen möchte, ob ihrerseits eine Genehmigung des Kaufvertrags erfolgt. Er hat damit aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass nach seinem Willen eine bestimmte Rechtsfolge eintreten soll.") Denn wenn wir uns einig sind, dass die Aufforderung
geschäftsähnliche Handlungist, dann dürfte auch klar sein, dass der Wille des V unbeachtlich ist. Ein entsprechender Wille schadet natürlich nicht, was wir allerdings in der Aufgabe auch nicht behaupten. Ein entgegenstehender Wille schadet ebenfalls nicht. Wer als Gläubiger dem Schuldner nach Fälligkeit eine eindeutige Zahlungsaufforderung sendet, setzt den Schuldner grds selbst dann in Verzug, wenn er das für unhöflich hält und die Verzugsfolgen gar nicht herbeiführen möchte. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Whale
11.6.2024, 12:50:09
Ich finde diese Bezeichnung äußerst verwirrend, da es nach der Definition der rechtsgeschäftsähnlichen Handlung ja eben für den Erfolg nicht auf den Willen ankommen soll. Sprachlich ist der Unterschied zwischen Willenserklärung und
Willensäußerungzu fein. Habt ihr Vorschläge für Synonyme?
Timurso
11.6.2024, 23:06:06
Im Zweifel zur Abgrenzung einfach bei Willenserklärung und
rechtsgeschäftsähnliche Handlungbleiben.
Whale
12.6.2024, 10:30:33
Ich habe hier in einer anderen Aufgabe auch „Mitteilung“ gelesen
Wendelin Neubert
13.6.2024, 10:12:29
Hallo @[Whale](252844), es tut mir leid, dass Du einen Teil der Aufgabe verwirrend findest. Für die Frage, ob die Vorschriften über Willenserklärungen auch auf
geschäftsähnliche Handlungenanalog angewandt werden, kommt es nun mal auf die Vergleichbarkeit der Handlung zur Willenserklärung an. Deshalb wird dort der Begriff der „
Willensäußerung“ verwendet, der mit der Willenserklärung gerade nicht identisch ist. Merk Dir aber erstens: Die Vorschriften über Willenserklärungen werden praktisch immer analog auf
geschäftsähnliche Handlungenangewandt (siehe den dahingehenden Kommentar von @[Lukas_Mengestu](136780)). Merk Dir bitte zweitens den von uns in der Aufgabe dargestellten Maßstab:
Geschäftsähnliche Handlungensind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Erklärungen, deren Rechtsfolgen kraft Gesetzes eintreten, ohne dass ein entsprechender Rechtsfolgewille erklärt werden muss. Typischerweise handelt es sich dabei um Erklärungen, die auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen, insbesondere Aufforderungen (z.B. nach § 108 Abs. 2 BGB, § 177 Abs. 2 BGB und nach § 439 Abs. 1 BGB) und Mitteilungen (z.B. nach §§ 149 S. 2, 170 und 171 Abs. 1 BGB). Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team