Zufällige Schadensverlagerung: Obligatorische Gefahrentlastung – Gefahrtragung bis Abnahme (§ 644 BGB)
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Hauseigentümer B hat Werkunternehmerin U mit dem Anbau einer Garage an den Seiteneingang seines Hauses beauftragt. U beginnt mit der Arbeit. Nachbarin N missfällt das Vorhaben des B. N zerstört die zwischenzeitlich von U fertiggestellte Garage bevor B die Garage abnehmen kann.
Einordnung des Falls
Zufällige Schadensverlagerung: Obligatorische Gefahrentlastung – Gefahrtragung bis Abnahme (§ 644 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. U kann von N Ersatz für die zerstörte Garage verlangen.
Nein, das ist nicht der Fall!
2. U kann aber von B die Zahlung des Werklohns verlangen.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Hat B durch die Beschädigung der Garage einen Schaden erlitten?
Nein!
4. B kann von N trotzdem nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m den Grundsätzen der Drittschadensliquidation Schadensersatz verlangen.
Genau, so ist das!
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asanzseg
13.4.2023, 13:49:19
Mhhh, mir scheint die Annahme dass hier kein Schaden aufgrund der Differenzhypothese vorliegt etwas seltsam, schließlich würde das heißen dass der ANSPRUCH eine bestimmte Sache neu zu errichten und damit Eigentum zu erwerben dem tatsächlich vorhandenem Eigentum gleichgesetzt wäre. DIes hat der BGH in mehreren Fällen aber verneint, weil der Gläubiger hier dem Insolvenzrisiko des Werkunternehmers und zudem auch dem Prozessrisiko ausgesetzt wäre wenn der Unternehmer tatsächlich nicht leisten will…
Dogu
22.6.2023, 11:04:44
Zumal der Unternehmer ohne zusätzliche Gegenleistung sämtliche Materialien erneut einkaufen müsste. Je nach Größe des Projekts könnte alleine hierdurch eine Insolvenz im Raum stehen.
Rubinho
7.9.2023, 12:23:17
Teilweise wird in der Literatur hier auch die Auffassung vertreten, dass § 645 I BGB analog anzuwenden sei (Ausdruck des Allg. Sphärengedanken), wonach sich der Besteller bis zur Abnahme sämtliche Leistungsstörungen zurechnen lassen muss! In diesem Fall würde dann die Preisgefahr beim Besteller (B) verbleiben, d.h. U würde ein Anspruch auf teilweisen Werklohn zustehen.
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DerChristoph
16.1.2024, 12:07:51
Welchen Anspruch hätte hier U? Lediglich einen Abtretungsanspruch gegenüber B? Was wäre, wenn B sich "weigert", einen DSL-Anspruch gegenüber N geltend zu machen? Hätte U dann einen Schadensersatzanspruch gegenüber B?
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Nedjem
1.2.2024, 14:47:25
Hey, ich sehe zwei Anspruchsmöglichkeiten der U: 1) U - B: analog* § 285 I BGB kann U von B Abtretung des Ersatzanspruchs gegen N verlangen, um sodann gegen N direkt vorgehen zu können. B muss dafür keine Ansprüche gegen N geltend machen. 2) U - N: U ist nach § 631 I BGB, N nach §§ 823 I, 249 I BGB zum Wideraufbau der zerstörten Garage verpflichtet. U und N haften damit als Gesamtschuldner. Damit hätte U gegen N gem. § 426 I BGB einen eigenen Ausgleichsanspruch, und zwar, da N im Verhältnis zu U allein verantwortlich ist, in Höhe der gesamten Wiederaufbaukosten. *Anmerkung, weil ich mich selbst damit schwer tat, zu verstehen, warum 285 hier analog angewandt wird: § 285 I BGB kommt nach seinem Wortlaut nicht in Betracht; denn B hat den Ersatzanspruch gegen N nicht infolge eines Umstandes erlangt, aufgrund dessen er nach § 275 I-III BGB nicht mehr zu leisten braucht. B ist nämlich nicht nach § 275 I BGB von seiner Leistungspflicht befreit: B schuldet Geld, und Geldleistungen sind niemals unmöglich. B ist vielmehr nach § 644 I 1 BGB von der Verpflichtung befreit, die bereits vorgenommenen Arbeiten der U zu vergüten; er ist nicht von seiner Leistungspflicht, sondern von seiner Gegenleistungspflicht befreit.