Realakt (Schatzfund, § 984 BGB)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der achtjährige S ist mit seinem Hund im Berliner Grunewald unterwegs. Als der Hund den Ball verliert, entdeckt S unter einem Laubhügel im Erdboden in einer Schachtel einen Ring, der so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist. S steckt ihn ein.

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Einordnung des Falls

Realakt (Schatzfund, § 984 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Eigentumserwerb am Ring (§ 984 BGB) setzt eine Genehmigung der Eltern (§§ 108 Abs. 1, 184 S. 1 BGB) des minderjährigen und damit beschränkt geschäftsfähigen (§106 BGB) S voraus.

Nein!

Der Eigentumserwerb am Schatz nach § 984 BGB (Schatzfund) ist ein gesetzlicher Erwerbstatbestand, der nicht an eine Willenserklärung anknüpft, sondern an einen Realakt (die Tathandlung ist hier das Entdecken und Inbesitznehmen). Ein Realakt ist eine rein faktisch wirkende Rechtshandlung, die eine Rechtsfolge kraft Gesetzes unabhängig vom Willen des Handelnden hervorruft. Auf Realakte sind die Vorschriften über Rechtsgeschäfte (§§ 104-185 BGB) weder direkt noch analog anwendbar. Realakte setzen also keine Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff. BGB) voraus und können auch von Minderjährigen alleine wirksam durchgeführt werden.
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2. Durch Entdeckung und Inbesitznahme des Rings erwirbt S zur Hälfte Eigentum daran (§ 984 BGB).

Genau, so ist das!

Im Unterschied zur geschäftsähnlichen Handlung fehlt es beim Realakt an einer Erklärung. Es kommt allein auf die Vornahme der Tathandlung an. Die Entdeckung und Inbesitznahme des Rings führt hier unabhängig vom Willen des S dazu, dass er kraft Gesetzes Eigentum daran erwirbt (§ 984 BGB).Nach § 984 BGB werden der Entdecker (hier: S) und der Eigentümer der Sache, in welcher der Schatz verborgen war (hier: Eigentümer des Grunewalds) hälftig Miteigentümer an der Sache.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KathiBinnig

KathiBinnig

16.4.2020, 17:38:38

Wenn sich das Eigentum zu gleichen Hälften laut §984 auf beide Personen verteilt und S dies dem Grunewald nicht mitteilt, besteht dieser Anspruch auch mit Unwissenheit für den Grunewald? Ich denke im realen Leben würde den Fund nicht jeder dem Wald mitteilen und wenn der Ring dann für € 1.500.000 verkauft wird, müssten ja eigentlich € 750.000 dem Wald übergeben werden oder?

REDO

Redo

17.4.2020, 01:18:03

Der Eigentumserwerb findet wie bei dem S kraft Gesetz auch bei dem Grunewald statt (oder dem entsprechenden Eigentümer des Waldes) dafür muss der Grunewald weder Kenntnis von dem Erwerb haben noch diesem in irgendeiner Weise zustimmen. Wie der S letztlich damit umgeht kann ja von niemandem bestimmt werden, würde er sich aber (ggf. sogar bösgläubig) für einen Verkauf entscheiden hätte er vermutlich gute Chancen "damit davon zu kommen". Sollte der Grunewald aber davon Kenntnis erlangen würde er vermutlich Ansprüche aus Bereicherungsrecht und Deliktsrecht geltend machen.

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

17.4.2020, 10:00:32

Hi, vielen Dank für die Frage! Tatsächlich erwirbt gem. §

984 BGB

der Finder und der Eigentümer der Liegenschaft (nenen wir ihn L) Miteigentum kraft Gesetzes, ohne dass es der Kenntnis bedürfte. Die dinglichen Rechte werden in § 1008 BGB geregelt. Wichtig: Beim Miteigentum werden alle Miteigentümer Eigentümer der ganzen Sache zu Bruchteilen, anders als beim Teileigentum (dort besteht ein Eigentumsrecht an einem ganz bestimmten Teil, z.B. einer Eigentumswohnung). Was passiert, wenn der Finder den Ring verkauft? Angenommen, der Ring wird an einen Käufer veräußert für 150,- € (Einigung, Übergabe gem. § 929 Abs. 1 BGB liegen vor) dann ist gem. § 747 S. 1 BGB der Finder nur für seinen Anteil verfügungsberechtigt. Hinsichtlich des anderen Teils (des L) kommt eine Eigentumserwerb des Erwerber

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

17.4.2020, 10:00:53

anderen Teils (des L) kommt eine Eigentumserwerb des Erwerbers gem. § 932 Abs. 1 BGB (gutgläubiger Eigentumserwerb) in Betracht (§ 935 BGB lassen wir mal außen vor). Mögliche Anspruchsgrundlagen für den: - in § 1008 ff. BGB nicht geregelt - in den §§ 741ff. BGB, die das schuldrechtliche Verhältnis der Parteien zueinander regeln, ebenfalls nicht geregelt - Ansprüche aus GoA: Ja. Hier kommt es ganz auf die Feinheiten des Falles an (also auf die Vorstellung des Finders und auf den Willen des anderen MIteigentümers). Im Grunde kommen hier alle möglichen Ansprüche in Betracht - insbesondere §§ 684 i.V.m. Bereicherungsrecht, ggf. auch § 687 I, II BGB.

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

17.4.2020, 10:01:31

- Daneben: Ansprüche aus § 812 Abs. 1 S.1 Alt. 2 BGB (

Eingriffskondiktion

), § 816 Abs. 1 S. 1 BGB (der auf den hälftigen Wert des tatsächlich erlösten Verkaufspreises gerichtet ist), § 823 Abs. 1 BGB und ggf. § 823 Abs. 2 BGB (iVm § 246 StGB, Unterschlagung, Frage, ob hier Vorsatz vorliegt). Hilft das alles dem Liegenschaftseigentümer, wenn er davon nichts weiß? Nein. Aber im Grunde ist das in unserem Rechtssystem immer so - im Extremfall kommt ein Mörder ja auch nicht ins Gefängnis, wenn er den perfekten Mord begeht und niemand jemals davon erfährt. ;-) Wie gesagt macht der Finder sich ggf. auch auch gemäß § 246 StGB (Unterschlagung) strafbar. Viele Grüße Für das Jurafuchs-Team - Stefan

KathiBinnig

KathiBinnig

17.4.2020, 10:16:46

Lieber Redo, lieber Stefan, Vielen Dank für die sehr ausführlichen Antworten, die mir damit nochmal bestätigen, wie kleinteilig Jura ist. Die Antworten haben mir sehr geholfen und ich danke euch für die Hilfe! 👍🏼🙂

Ella

Ella

7.6.2023, 08:47:33

Passier das auch wenn man etwas findet das einen rechtlichen Nachteil für einen selbst erzeugt? Also wenn man z.b. etwas gefährliches findet das entsorgt werden müsste?

Izapella

Izapella

27.6.2023, 22:25:02

Die Regelungen der §§ 104 ff. sind auf den

Realakt

nicht anwendbar, auch nicht analog und somit auch nicht auf den Schatzfund. Daher spielt es keine Rolle, ob der Fund

lediglich rechtlich vorteilhaft

ist.

KAT

Kathi

14.7.2023, 12:54:11

@[Izapella](206034) Ich vermute, dass sich Ellas Frage nicht auf die beschränkte Geschäftsfähigkeit und somit die Vorschriften der §§ 104 ff. bezog. Sondern vielmehr, ob der Eigentumserwerb irgendwie verhindert/ausgeschlagen werden kann, wenn der Erwerb nur Nachteile verschafft (Stichwort: Eigentum verpflichtet). Zum Beispiel höchst gefährliche Substanzen o.ä.

EB

Elias Von der Brelie

3.8.2023, 18:36:46

Ich bin ein wenig verwirrt hinsichtlich Aufgabe 1. Wenn jemand etwas aus einem Gegenstand welcher jemand anderem Gehört herstellt, geht das Eigentum an dem neuen Gegenstand auf den Hersteller über? Oder meint "Erwerben" das man dann für das Material bzw den Vorherigen Gegenstand bezahlen muss? Heißt das nicht, dass man effektiv jemanden entweder zum Verkauf zwingen kann, oder etwas einfach stehlen kann solange man den Gegenstand umwertet? Und was bedeutet: 'Wenn der Wert der neuen Sache nicht deutlich geringer ist als der Wert der alten Sache'? Heißt dass wenn man etwas zerstört muss der Besitzer es ausbaden? Ich stehe hier ein bisschen auf dem Schlauch. Die Bedeutung von diesen Regelungen ist mir nicht klar geworden.

LELEE

Leo Lee

10.8.2023, 17:54:46

Hallo Elias Von der Breile, wenn jemand eine neue Sache gem. § 950 I 1 BGB herstellt, obwohl die Materialien einer anderen Person gehören, kann der Hersteller hieran (vorausgesetzt die restlichen Voraussetzungen sind erfüllt) tatsächlich EIGENTUM hieran erwerben. Erwerben meint in diesem Kontext nicht der "Erwerb" im vertraglichen Sinne (Trennung und Abstraktion!) :). Ein "Erwerbszwang" besteht insofern nicht, als derjenige, der eine neue Sache herstellt, dies auch freiwillig tut. "Wesentlich geringer" bedeutet, dass die Kosten der Stoffe, aus denen die neue Sache hergestellt wird, in der Summe nicht 60% des Wertes der hergestellten Sache überschreiten dürfen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 09:47:07

Also ist der Fund ein

Realakt

? Und unabhängig om Wissen des Grünewalds erwerben beide zur Hälfte das Eigentum? Wenn jetzt der Finder das aber einfach einsteckt oder weiter veräußert, dann passiert was? Ich meine ein gesetzlicher Laie weiß nicht, das der andere bei einem Fund zur Hä#lfte mitbewirbt- er ist ja eben NICHT busgläubig oder? Inwiefern greift Bereicherungsrecht? 985 wäre wahrscheinlich ja raus oder? Weil der Finder neuer gutgläubiger Eigentümer geworden wäre? Aber wonach? Die 929 ff passen ja hier nicht? Es findet ja eben KEINE DINGLICHE EINIGUNG statt? Welche Norm nimmt man? Warum geht dann 812 ff dann durch oder eben nicht durch? BIN VERWIRRT! Hilfe...

MWA

mwally

20.12.2023, 16:04:53

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