Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2021
Halbierung von Gewerbemiete infolge von Corona-Schließungsmaßnahmen wegen § 313 BGB
Halbierung von Gewerbemiete infolge von Corona-Schließungsmaßnahmen wegen § 313 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Spielhallenbetreiber M mietet für seine Spielhalle Gewerberäume von V (monatliche Miete: 1.500 €). Im April und Mai 2020 zwingt ihn die Berliner SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung zur Schließung der Spielhalle. V verlangt weiterhin Mietzahlung.
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Einordnung des Falls
Halbierung von Gewerbemiete infolge von Corona-Schließungsmaßnahmen wegen § 313 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Anspruchsgrundlage für die Leistung der Miete von M an V ist § 535 Abs. 2 BGB.
Ja!
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2. Die geschuldete Miete mindert sich grundsätzlich automatisch, wenn während der Mietzeit ein Mangel der Mietsache auftritt, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder verringert.
Genau, so ist das!
3. Die Zwangsschließung aufgrund der SARS-CoV-2-Verordnung begründet einen Sachmangel der vermieteten Räume.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Zwangsschließung führt jedoch zu einem Rechtsmangel gemäß § 536 Abs. 3 BGB.
Nein!
5. Für Vertragsverhältnisse, die den Zeitraum der COVID-19-Pandemie betreffen, hat der Gesetzgeber teilweise spezielle Regelungen erlassen.
Ja, in der Tat!
6. Nach den Regelungen in Art. 240 EGBGB konnten Kleinstunternehmen in Dauerschuldverhältnissen zur Leistungsverweigerung berechtigt sein, wenn sie während des „ersten Lockdowns“ in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind.
Ja!
7. M kann sich gegenüber V auf ein solches Leistungsverweigerungsrecht berufen.
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Die Regelungen in Art. 240 EGBGB waren abschließend, soweit es um Zahlungsrückstände infolge der Pandemie geht. M kann sich deshalb auch nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen (§ 313 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
9. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann ein Vertragspartner die Anpassung eines Vertrags verlangen. Der Tatbestand enthält ein tatsächliches, ein hypothetisches und ein normatives Element.
Ja!
10. Die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, haben sich nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert. Das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage liegt vor.
Genau, so ist das!
11. Die Parteien hätten den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie die Pandemie vorhergesehen hätten. Das hypothetische Element der Störung der Geschäftsgrundlage liegt ebenfalls vor.
Ja, in der Tat!
12. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls kann M das Festhalten am unveränderten Vertrag laut KG nicht zugemutet werden. Auch das normative Element der Störung der Geschäftsgrundlage liegt vor.
Ja!
13. Die Voraussetzungen der Störung der Geschäftsgrundlage liegen vor (§ 313 Abs. 1 BGB). V kann von M für die Monate April und Mai 2020 nur jeweils die Hälfte der Miete (750 €) verlangen.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
3.7.2021, 14:32:29
Interessant. Ich hatte den Ausschluss der Anpassung in der Miete über die Sonderregeln bisher immer so verstanden, dass er sich gerade nicht auf Gewerberaummiete sondern nur auf Wohnraummiete bezieht. Die Nutzbarkeit von Wohnräumen war ja nie betroffen, so dass es da bereits am sachlichen Anwendungsbereich fehlt. Problematisch ist hier doch meist, dass in den meisten Gewerberraummietverträgen die Nutzungsmöglichkeit gerade nicht explizit benannt wird und der Mangel deswegen ausscheidet.
Lukas_Mengestu
5.7.2021, 19:02:49
Hi Isabell, sofern im Einzelfall die Voraussetzungen der
Störung der Geschäftsgrundlagevorliegen, wäre theoretisch auch bei Wohnraum eine Anpassung möglich. Anders als bei Gewerberäumen greift hier aber nicht die Vermutung des (neuen) Art. 240 § 7 EGBGB zugunsten des Mieters, weswegen es tatsächlich nur schwer vorstellbar ist, dass bei privatem Wohnraum mal eine wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage bejaht wird. Du hast zudem natürlich Recht, dass in vielen Gewerbemietverträgen nicht explizit eine bestimmte Nutzungsart vereinbart sein dürfte. Selbst wenn aber eine solche Nutzung vereinbart ist, so hat dies im Hinblick auf die Beurteilung der Frage, ob ein Mangel vorliegt, keine Auswirkung. Denn das Mietobjekt bleibt ja theoretisch bezüglich dieser Nutzung weiterhin nutzbar, nur ist es aufgrund der geltenden Corona-Bestimmungen faktisch nicht mehr möglich. Die fehlende Nutzbarkeit liegt insofern nicht im Objekt begründet und stellt insofern keinen Mangel dar. Die Mängelgewährleistungsrechte (zB Minderung) scheiden insofern aus. Beste Grüße, Lukas
Isabell
6.7.2021, 17:33:56
Da muss man wirklich ganz sauber arbeiten in der Benennung der Anknüpfspunkte.
Jopies
11.10.2021, 10:07:39
Tatsächlich ist das aber nicht ganz so unrealistisch, bzw. auch schon vorgekommen während der Pandemie. In MV Frau Schwesig teils wochenlang MV als ganzes und noch mehr die Insel Usedom abgeschirmt, Einreisen für Touristen oder solche mit Zweitwohnsitz verboten.
KingWelf
18.11.2021, 13:05:44
Isabell du laberst doch nen Bockmist
Wendelin Neubert
7.12.2021, 12:38:51
Hallo zusammen, die entscheidende Diskussion in diesem Zusammenhang dreht sich darum, ob eine Unzumutbarkeit i.S.d.
313 BGBangenommen werden kann und, wenn ja, wie man dies auf Rechtsfolgenseite löst. Wir haben die Aufgabe ergänzt und die widerstreitenden Ansichten in der Rechtsprechung eingepflegt. Der BGH hat grad über die Sache verhandelt, das Urteil wird am 12.01.2022 erwartet. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
Philipp Paasch
1.7.2022, 23:43:18
@[KingWelf](151978) inwiefern?
Melanie 🐝
7.9.2021, 16:19:48
Examens Treffer heute ZR 1 in Bawü im Herbst 2021
Melanie 🐝
7.9.2021, 16:39:19
Hab grad die andere Rechtssprechung gesehen, in der es um ein Bekleidungsgeschäft geht und so war auch der SV heute. Im Ergebnis gehts bei beiden ja um Miete, Corona und 313
Lukas_Mengestu
14.10.2021, 10:33:33
Vielen Dank für den Hinweis :)
TRW
22.10.2021, 09:43:54
Ebenfalls Examenstreffer in Hessen im Oktober 2021
urheberrechtler
21.1.2022, 10:26:11
Und Berlin Okt 2021
Cajetan
13.11.2021, 09:58:21
Die Lösung suggeriert ein bisschen, Rechtsmängel könnten nur private
Rechte Drittersein, aber es können ja durchaus auch Rechte aus dem öffentlichen Recht sein (zB wegen Ausschreibung in einer internationalen Fahndungsliste). Greift diese Fallgruppe hier nicht, weil aus der erzwungenen Schließung niemand "Rechte" herleiten kann? Das ist mir nicht ganz klar.
Lukas_Mengestu
15.11.2021, 19:20:16
Hallo Cajetan, kann es sein, dass Du hier den Begriff des
Rechtsmangels aus dem Kaufrecht mit dem
Rechtsmangelbegriff des Mietrechts gedanklich gleichgesetzt hast? Im Kaufrecht hast Du völlig recht, dass es auch Rechtsmängel durch öffentlich-rechtliche Belastung gibt. Dies wird aus einem Umkehrschluss von §436 Abs. 2 BGB gezogen (vgl. Gutzeit, in: BeckOGK, BGB, 1.3.2021, § 435 RdNr. 38). In diese Richtung zielt ja auch das von Dir gewählte Beispiel der Eintragung eines Pkw in die SIS-Fahndungsliste. Rechtsmängel iSv § 536 Abs. 3 BGB sind dagegen nur Privatrechte. Liegen dagegen öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen vor, die mit der Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen, dann handelt es sich im Mieterecht um einen Sachmangel iSv § 536 Abs. 1 BGB, nicht um einen
Rechtsmangel(vgl. Schüller, in: BeckOK MietR, 25. Ed. 1.8.2021, BGB, § 536 RdNr. 10). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Cajetan
15.11.2021, 19:39:35
Ah vollkommen richtig, vielen Dank 😄
Martin
10.9.2023, 08:17:14
Liebes Team, Art. 240 EGBGB ist inzwischen wieder weggefallen. LG
Lukas_Mengestu
11.9.2023, 10:35:27
Danke Martin, wir haben die Norm nun noch im Bild hinterlegt und die Hinweistexte entsprechend angepasst :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
DeliktusMaximus
26.10.2023, 19:16:37
Ich finde den Begriff "automatisch" sehr irreführend. Automatisch und ohne das Zutun des Mieters mindert sich die Miete eben nicht.
Nora Mommsen
27.10.2023, 14:37:51
Hallo DelikutsMaximus, unterscheide bitte zwischen dem Anspruch auf Mietzins und der Mietzahlung. Dadurch, dass die mietrechtliche Minderung auf einem gesetzlichen Minderungsgrund beruht, mindert sich der Mietzinsanspruch (!) automatisch mit Vorliegen der Voraussetzungen. Es bedarf dazu keiner Erklärung des Mieters in Form einer Gestaltungserklärung. Dass die tatsächliche Zahlung natürlich davon abhängig ist, dass der Mieter einen Dauerauftrag ändert, die geringere Überweisung tätigt etc. und oftmals eine Kommunikation zwischen Mieter und Vermieter vorausgeht ist selbstverständlich. Das ändert aber nichts daran, dass der Mietzinsanspruch automatisch gemindert wird. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Johannes Nebe
27.4.2024, 17:44:07
Ich finde den Kommentar von @[DeliktusMaximus](178154) ganz berechtigt (und bedaure bei dieser Gelegenheit gleich einmal, dass die App es erlaubt, anonym und ohne Begründung, also gleichsam feige aus dem Hinterhalt, Kommentare abzuwerten). @[
Nora Mommsen](178057) unterscheidet ja auch Mietanspruch und Mietzins(zahlung). Diese Unterscheidung wäre bei der Formulierung der Frage 2 zu empfehlen, dann stimmte es auch mit dem "automatisch".