Streitpunkt: Erfordernis der Vermögensverfügung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Mitarbeiterin T findet heraus, dass Chefin O mit ihrem Sekretär eine Affäre hat. Unter Androhung dies öffentlich zu machen, fordert sie O auf, ihr € 10.000 zu überreichen. Aus Angst ihren Job zu verlieren, hebt O das Geld ab und gibt es T in bar.

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Einordnung des Falls

Streitpunkt: Erfordernis der Vermögensverfügung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat O mit einem empfindlichen Übel i.S.d. § 253 StGB gedroht.

Genau, so ist das!

Drohung ist das Inaussichtstellen eines Übels, dessen Eintritt der Drohende als von seinem Willen abhängig darstellt.. Empfindlich ist das Übel, wenn die negative Folge geeignet ist, einen besonnenen Menschen in der konkreten Situation zu dem vom Täter erstrebten Verhalten zu bestimmen. T droht mit der Bekanntmachung der Affäre. Dies ist ein Übel dessen Eintritt von ihrem Willen abhängig ist. Affären mit Angestellten, die der eigenen Disziplinargewalt unterliegen, sind verpönt und können auch Compliance-Maßnahmen nach sich ziehen. Daher steht die Karriere der O auf dem Spiel. Auch ein besonnener Mensch wäre bereits dieses Risiko durch die Zahlung eines Geldbetrages abzuwenden; die Summe erscheint in Anbetracht der Karriere angemessen.
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2. Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Verwirklichung der Erpessung eine Vermögensverfügung erforderlich.

Nein, das trifft nicht zu!

Nötigungserfolg ist nach dem Wortlaut der Norm ein Handeln, Dulden oder Unterlassen. Die Frage, ob eine Vermögensverfügung für die Verwirklichung der (räuberischen) Erpressung erforderlich ist, ist höchst umstritten. Der BGH lehnt das Erfordernis einer Vermögensverfügung ab, wohingegen der überwiegende Teil der Literatur eine Vermögensverfügung als erforderlich ansieht. Nimmt man an, dass eine Vermögensverfügung erforderlich ist, dann liegt diese vor, wenn eine Handlung vorgenommen oder unterlassen wird, die unmittelbar zu einer Vermögensminderung führt. Nach Auffassung der Literatur kann die (räuberische) Erpressung damit allenfalls durch Drohung sowie den Einsatz von willensbeugender Gewalt (vis compulsiva) verwirklicht werden. Beim Einsatz von zwingender Gewalt (vis absoluta) scheidet die räuberische Erpressung dagegen stets tatbestandlich aus.

3. Muss der Streit vorliegend entschieden werden?

Nein!

Nach der ständigen Rechtsprechung liegt bei jedwedem Handeln, Dulden oder Unterlassen des Opfers der notwendige Nötigungserfolg vor (=äußeres Erscheinungsbild). Nach der h.L. muss eine Vermögensverfügung vorliegen, wobei die innere Willensrichtung des Opfers entscheidend ist. Glaubt das Opfer, eine Schlüsselposition innezuhaben, also einen unerlässlichen Mitwirkungsakt für den Gewahrsamswechsel leisten zu müssen, liegt bei Vorname dieses Mitwirkungsakts ein Einverständnis vor. Denn das Opfer verfügt dann mit einem „Rest an Freiwilligkeit“ über eigenes Vermögen.O hat infolge der Drohung das Geld übergeben (=äußeres Erscheinungsbild). Auch geschieht dies mit einem Rest an Freiwilligkeit, da T das Geld ohne die Mitwirkung der O nicht hätte erlangen können. Damit liegt sowohl nach der Rechtsprechung als auch der h.L. ein geeigneter Nötigungserfolg vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DIAA

Diaa

29.8.2023, 14:10:29

Welche Rolle spielt das Argument hier "Rest an Freiwilligkeit"? Ich verstehe nicht so ganz seine Rolle hier. Ich kenne zur Abgrenzung Raub und räuberische Erpressung.

Sambajamba10

Sambajamba10

18.1.2024, 13:43:30

Wenn wir uns den § 242 anschauen, dann muss ein Gewahrsamswechsel durch

tatbestandsausschließendes Einverständnis

"freiwillig" erfolgen. Auf diesem Grundsatz kann im Rahmen der §§ 253, 255 nur begrenzt zurückgegriffen werden, da der Täter ja Gewalt gegen eine Person anwendet oder mit einem empfindlichen Übel droht. Insofern sagt die Literatur, dass das Opfer mit einem "Rest an Freiwilligkeit" über sein Vermögen verfügen muss. Der Rest an Freiwilligkeit liegt in der Freiwilligkeit, die das Opfer noch dadurch hat, dass der Täter "nur" vis compulsiva und nicht

vis absoluta

(dann Wegnahme bzw. Raub) zur Erpressung anwendet


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