Zivilrechtliche Nebengebiete
Arbeitsrecht
Störungen des Arbeitsverhältnisses
Annahmeverzugslohn (§ 615 S. 1 BGB)
Annahmeverzugslohn (§ 615 S. 1 BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Hakuna Matata-GmbH (H) zahlt nur schleppend die Löhne ihrer Arbeitnehmer. Mitarbeiter M hat das immer wieder beanstandet. Als erneut ein Lohnrückstand iHv zwei Monatsgehältern aufgelaufen ist, verkündet er, dass er erst wieder arbeiten werde, wenn er sein Geld erhalte.
Diesen Fall lösen 85,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Annahmeverzugslohn (§ 615 S. 1 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Muss M die infolge seiner Arbeitsverweigerung ausgefallene Arbeitsleistung nachholen?
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wird die Arbeitsleistung nicht erbracht, so entfällt damit im Grundsatz auch der Anspruch auf den Lohn (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB).
Genau, so ist das!
3. M behält seinen Lohnanspruch, wenn H sich im Annahmeverzug befand (§ 615 S. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
4. Befand sich H im Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB)?
Ja!
5. Für die Zeit, in der M die Arbeit niederlegt, hat er keinen Anspruch auf Lohn.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
nadineundercover
13.2.2023, 10:26:00
Inwiefern liegt bei H ein Annahmeverzug vor, wenn diese ihre
Leistungspflichtnicht erfüllen, also die vereinbarte Vergütung zu zahlen? Warum nennt man das Annahmeverzug, wenn die H keine Leistung annimmt sondern Vergütung nicht gewährt?
Lukas_Mengestu
13.2.2023, 12:38:32
Hallo nadineundercover, vielen Dank für Deine gute Frage! Der Annahmeverzug ist in den §§ 293ff. BGB geregelt. Der
Grundfallist in der Tat, dass der Schuldner seine Leistung tatsächlich anbietet und der Gläubiger diese nicht annimmt (§§ 293, 2
94 BGB). Es gibt allerdings noch eine Reihe anderer Fälle, in denen Annahmeverzug eintritt. Einer davon ist in § 298 BGB geregelt: "Ist der Schuldner nur gegen eine Leistung des Gläubigers zu leisten verpflichtet, so kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er zwar die an
gebotene Leistung anzunehmen bereit ist, die verlangte Gegenleistung aber nicht anbietet." Der Arbeitnehmer muss nur gegen Leistung seines Arbeitslohns tätig werden. Der Arbeitnehmer ist zwar grds. vor
leistungspflichtig und erhält erst am Ende des Monats seinen Lohn (§ 614 BGB). Er ist aber nicht verpflichtet, darüber hinaus in Vorleistung zu treten. Sofern der Arbeitgeber also nach Ablauf des Monats nicht zahlt, kann der Arbeitnehmer die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erheben (§ 320 Abs. 1 BGB) und der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug nach § 298 BGB (vertiefend dazu auch: MüKoBGB/Spinner, 9. Aufl. 2023, BGB § 611a Rn. 4ff.). Die Arbeitsverweigerung unterliegt dabei den Grenzen von Treu u. Glauben, sodass insbesondere bei geringfügiger Verzögerung bzw. Zuwenigleistung eine Arbeitsverweigerung ausgeschlossen ist (vgl. § 320 Abs. 2 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
TonksBlack
19.4.2023, 09:23:19
Hallo liebes Jurafuchs-Team, ich habe mich das Gleiche beim Durcharbeiten gefragt. Könnte man die Erklärung vielleicht ergänzen oder zumindest einen Hinweis reinschreiben. Das wäre super!
Lukas_Mengestu
19.4.2023, 10:41:21
Danke Carolin, wir haben das in der Aufgabe nun noch einmal weiter vertieft. Ich hoffe, dadurch wird es noch ein wenig klarer :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Dogu
3.2.2024, 11:47:17
Ich verstehe nicht, wieso das Arbeitsverhältnis als Zug-um-Zug-Leistung eingestuft wird, obwohl ihr ja selbst in der Aufgabe schreibt, dass der Arbeitnehmer vor
leistungspflichtig ist. Also liegt nach § 320 I 1 a.E. BGB gerade keine Zug-um-Zug-Leistung vor.
Timurso
22.2.2024, 09:53:36
Das Arbeitsverhältnis selbst ist keine Leistung Zug-um-Zug, da der AN, wie du richtig sagst, vor
leistungspflichtig ist. Allerdings hat er, wenn der AG am Ende des Monats nicht zahlt, ein
Zurückbehaltungsrechtnach
§ 320 BGB. Denn dann ist auch der Lohnanspruch fällig und nicht mehr von einer Vorleistung abhängig. Das
Zurückbehaltungsrechtführt nun wiederum dazu, dass die aktuelle Arbeitsleistung Zug-um-Zug zur Zahlung des alten! Lohns abzuwickeln ist, § 322 BGB. Nicht bezüglich des neuen Lohns, da bleibt der AN vor
leistungspflichtig, wie du gesagt hast.
Dogu
22.2.2024, 14:21:34
Danke
JuliaG.
22.2.2024, 09:23:37
Hallo liebes Team, es ist vielleicht eine ziemlich doofe frage, aber wenn wir den Fall annehmen, dass eben der AG die Annahme der Arbeitsleistung bzw. die Zahlung des Lohns verweigert und der AN dementsprechend nicht mehr zu Arbeit kommt, unter welcher Anspruchsgrundlage könnte dann der AN seinen Anspruch auf den Lohn der nicht gerarbeiteten Tage nach der Ausnahme geltend machen? Wäre die AGL dann direkt: §§ 611a II, 615 BGB? Und wie würde dann eine jeweilige Prüfung aussehen, also an welcher Stelle prüft man das Problem? dankeschön 🙋♀️
Timurso
22.2.2024, 09:41:44
Anspruchsgrundlage wäre § 611a BGB, ja. Zum Problem kommt man darüber, dass die Arbeitsleistung nach h.M. absolute Fixschuld ist und mit ihrer Nichterbringung unmöglich nach § 275 I BGB wird. Daher würde grundsätzlich auch der Gegenanspruch auf den Arbeitslohn gem. § 326 I BGB entfallen. § 615 ist davon wiederum die Ausnahme, die dazu führt, dass der Anspruch doch nicht erlischt. Also unter "Anspruch erloschen" erst den § 326 I BGB anprüfen und dann diskutieren, ob nach § 615 BGB der Anspruch doch nicht erloschen ist.
Moltisanti
16.5.2024, 22:56:59
Stichwort: Ansprucherhaltende Norm
Whale
3.10.2024, 10:18:24
Was zitiert man denn hier nun? § 298 oder
§ 615 Satz 1 BGB? Ich dachte der
§ 615 Satz 1 BGBwäre hier spezieller.
moee44
14.10.2024, 20:48:20
In der Subsumtion zu 4. wird das
Zurückbehaltungsrechtauf ein Gegenseitigkeitsverhältnis von Arbeitsleistung und Lohn gestützt, also auf
§ 320 BGB. Das finde ich vor dem Hintergrund, dass das BAG das
Zurückbehaltungsrechtam Arbeitslohn wegen § 614 BGB (Vor
leistungspflichtdes AN) nicht auf
§ 320 BGBsondern auf § 273 Abs. 1 BGB stützt (BAG NJW 1985, 2494; BAG NZA 1996, 1085) etwas schwierig. Eine Gegenseitigkeit von Lohn und Arbeit wird in der Praxis beim Monatslohn nur zwischen der Arbeitsleistung für einen bestimmten Monat und dem Lohn für diesen einen Monat gesehen (bspw. stehen die Arbeitsleistung für April 2024 und das Gehalt für April 2024 im Synallagma). Ansonsten besteht aber kein Gegenseitigkeitsverhältnis (bspw. stehen die Arbeitsleistung für Mai 2024 und der Lohn für April 2024 nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis). Von daher kommt wegen § 614 BGB in der Regel
§ 320 BGBnicht in Betracht. Der AN ist nach dem Gesetz vor
leistungspflichtig und kann daher kein ZBR aus § 320 geltend machen. Aus Sicht der hier vertreten