Verhinderter Selbstmord
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A schwimmt im Rhein, als er sieht, wie B sich in Selbstmordabsicht von einer Brücke in den Fluss stürzt. A gelingt es, den B, der noch bei Bewusstsein ist, zu retten. Anschließend fährt A den B mit dem Taxi ins Krankenhaus.
Einordnung des Falls
Verhinderter Selbstmord
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A kann von B Ersatz für die Taxikosten verlangen, wenn er einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat.
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Genau, so ist das!
2. Indem A den B gerettet hat, hat er "ein Geschäft besorgt" (§ 677 BGB)
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Ja, in der Tat!
3. Die Rettungshandlung des A ist ein "fremdes Geschäft".
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Ja!
4. Vorliegend wird der Fremdgeschäftsführungswille des A vermutet.
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5. A hat das Geschäft für B besorgt "ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein" (§ 677 BGB).
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Ja, in der Tat!
6. Die Geschäftsführung des A war "berechtigt" (§ 683 S. 1 BGB).
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Nein!
7. Vorliegend ist der wirkliche Wille des B unbeachtlich (analog § 679 BGB):
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8. A kann von B Ersatz für die Taxikosten verlangen (§§ 677, 670, 683 S. 2, 679 BGB).
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Ja, in der Tat!
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Nebenbesitzer einer Fräsmaschine
12.8.2020, 15:04:39
Auch nach Recherche im Netz bin ich nicht fündig geworden: wieso verstößt ein Suizid gegen § 138 BGB?

Eigentum verpflichtet 🏔️
14.8.2020, 17:59:51
Hallo Nebenbesitzer ;) danke für die gute Frage. Schau dir dazu mal Palandt-Sprau, § 679 Rn. 6 m.w.N. an!

Eigentum verpflichtet 🏔️
14.8.2020, 18:34:43
Die herrschende Ansicht wird aber wohl mit dem ganz neuen Urteil des BVerfG - 2 BvR 2347/15 zur Sterbehilfe, das ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben festsetzt, einigen Gegenwind erfahren. Nach der Gegenansicht, soll eine Berechtigung nur dann in Frage kommen, wenn sich der Selbstmörder nach 104, 105 BGB in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand befindet, bzw. der entgegenstehende Wille nicht ernsthaft ist (Apellselbstmord).
Dankra01
12.2.2022, 02:19:32
Alternativ kann man die Sittenwidrigkeit des Suizids auch sicherlich über den Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden begründen, oder?
jomolino
29.3.2022, 17:07:50
Und ggfs kann man es darauf stützen, dass es für einen nur zufällig vorbeikommenden dritten kaum einschätzbar sein dürfte ob die suizidale Person in freiem Willen oder einem solchen ausschließenden Zustand handelt.

Simon
17.6.2022, 23:43:22
Mit Blick auf den letzten Beitrag: Ich würde -auch wenn obj. nicht erkennbar ist, ob sich der Suizident in einem Zustand nach §§ 104 Nr. 2, 105 I respektive in einem solchen nach § 105 II befand/befindet- nicht zu einer berechtigten GoA kommen. § 683 S. 1 stellt primär auf den wirklichen (und geäußerten) Willen des GH ab. Begeht jmd. einen Suizidversuch, so bringt er seinen wirklichen Willen entgegen seiner Rettung zum Ausdruck. Dass sich ein obj. Beobachter nicht sicher sein kann, ob dieser Wille wirksam war, ändert nichts daran, dass -iFd tatsächlichen Wirksamkeit- ein entgegenstehender Wille des GH vorlag. Hier geht es mE nicht um eine Auslegung (analog) § 133, vielmehr setzt eine Auslegung eine wirksame rechtsgeschäftsähnliche Handlung (hier: den geäußeren Willen des GH) voraus. Die Auslegung kann eine Wirksamkeit jedoch nicht in eine Unwirksamkeit verwandeln. Freilich bleibt die GoA eine "echte" und stellt damit eine RF des GF dar. Dieser dürfte (wegen § 680) idR auch nicht nach § 678 zum SE verpflichtet sein. Einen Aufwendungsersatz kann er hingegen nicht verlangen. Das Risiko, entgegen dem wirklichen Willen des GH zu handeln weist § 683 mit Blick auf den Aufwendungsersatz dem GF zu.
n00b
28.8.2022, 11:56:22
Ihr solltet sen Begriff "Selbstmord" durch Suizid ersetzen. Kein Mensch suizidiert sich selbst Heimtückisch usw. finde das eher umgangssprachlich. Selbstmörder = Suizident
Carl
11.12.2020, 19:05:43
Ist das auch nach der BVerfG Entscheidung zu § 217 StGB noch so?

w.laura.l
14.12.2021, 20:41:14
Würde mich auch interessieren. M.E. ist heute schwer vertretbar, dass der ernsthafte Wille zum Bilanzsuizid sittenwidrig sein soll. Zumal für § 679 BGB keine sittlichen Pflichten ausreichen sollen und über die Analogie diese Überlegung einfach ausgehebelt wird. Wenn ich mich recht erinnere, ist das Problem im Wandt recht gut erklärt.

Edward Hopper
27.7.2022, 21:52:28
Erinnert so ein bisschen an den animationsfilm The Incredibles. Da hat auch das Opfer den Retter verklagt. Spaß bei Seite, finde das sehr kritisch. Hier wird die Menschenwürde tangiert, wenn man sagt dass suizif sittenwidrig sei.

Lukas_Mengestu
28.7.2022, 20:03:20
Hallo Edward, die Themen Suizid und Sterbehilfe sind in der Tat recht kontrovers, weswegen die pauschalierende Lösung der hM hier in der Tat etwas verwundern kann. Aus diesem Grund gibt es auch Ansätze, die hier einen differenzierteren Blick wählen und zB zwischen dem Appellsuizid und dem Bilanzsuizid unterscheiden. Während es im ersteren Fall dem Suizident gerade um seine Rettung geht (Stichwort: Aufmerksamkeit), so ist der Suizident im letzteren Fall voll Geschäftsfähig und der Wunsch zu sterben entspricht seiner autonomen Entscheidung. Nach diesem differenzierteren Ansatz wäre ein Aufwendungsersatzanspruch aus berechtigter GoA deshalb zu versagen, da der entgegenstehende Wille nicht ohne weiteres als unbeachtlich deklariert werden kann (mehr dazu: MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, BGB § 683 Rn. 22). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team