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BGB AT
Grundstückskaufverträge ab Beurkundung der Auflassung formlos änderbar
Grundstückskaufverträge ab Beurkundung der Auflassung formlos änderbar
6. Juli 2025
7 Kommentare
4,7 ★ (14.968 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V ein Hausgrundstück für €300.000. Die Parteien erklären im (notariell beurkundeten) Vertrag auch die Auflassung. Später zeigt sich, dass der Preis zu hoch war. K verlangt Herabsetzung um €30.000. V willigt ein. K zahlt 270.000.- €. Danach verlangt V weitere €30.000, weil die Herabsetzung formunwirksam sei.
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Einordnung des Falls
Grundstückskaufverträge ab Beurkundung der Auflassung formlos änderbar
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hatte gegen K infolge des notariellen Kaufvertrags zunächst einen Anspruch auf Zahlung von €300.000 (§ 433 Abs. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
2. V kann von K Zahlung weiterer €30.000 verlangen, es sei denn V und K haben wirksam einen Änderungsvertrag geschlossen.
Ja!
3. Grundsätzlich unterliegen Änderungsverträge - genauso wie der Grundstückskaufvertrag selbst - dem Formzwang des § 311b Abs. 1 BGB.
Genau, so ist das!
4. V und K konnten den Kaufpreis formlos um €30.000 absenken, da sie die Auflassung bereits erklärt hatten.
Ja, in der Tat!
5. Der formunwirksame Änderungsvertrag ist wirksam geworden mit Auflassung und Eintragung des K in das Grundbuch (Heilung nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Im🍑nderabilie
19.12.2022, 14:59:31

Amelie
25.10.2023, 11:15:28
Wie sähe es aus wenn die Parteien sich im Nachhinein auf 30.000 EUR mehr geeinigt hätten? Da hätten sie ja Notarkosten/Steuern gespart (auch wenn das eventuell nicht beabsichtigt war) Wäre eine solche Änderung wirksam?
Leo Lee
28.10.2023, 17:11:13
Hallo Amelie, in diesem Fall wäre es vergleichbar mit dem vorliegenden Fall. Die Parteien einigen sich (entweder vor oder nach dem Vertrag) auf mehr, geben aber letztlich „weniger“ an beim Notar, um so Steuern zu sparen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Amelie
29.10.2023, 22:13:00
Also, nur um das richtig zu verstehen: wenn man im Voraus sich vereinbart beim Notar nur 270.000 anzugeben aber sich auf 300.000 geeinigt hat liegt ein unwirksames
Scheingeschäftvor und es ist kein Vertrag zustande gekommen. Einigt man sich aber erst im Nachhinein auf eine Erhöhung auf 300.000 ist dies wirksam?
JonasRehder
18.4.2024, 19:32:32
Moin! Unterschied der beiden Konstellationen ist ja, dass bei dem einen das Geschäft von Beginn an nicht so gewollt war (
Scheingeschäft). Bei dem anderen wiederum „merken“ die Parteien ja erst im Nachhinein, dass der vereinbarte Preis zu niedrig ist (stelle ich mir als eher unrealistisch vor, dass der Käufer da zustimmt). Insofern ist das Ergebnis aber gerade nicht unbillig, weil das Geschäft bei Letzterem ja gerade gewollt war und insofern auch keine Kosten umgangen werden sollten, welche sich ja erst im Nachhinein als erforderlich herausgestellt haben. Im Vergleich dazu ist eine vorige Absprache auch vom Gerechtigkeitsempfinden also auch als einziges „
verwerflich“
Erik_1995
3.6.2025, 14:40:03
Wird dadurch nicht massiv der Schutzbereich des § 311b reduziert? Ich hätte gesagt § 311b möchte nicht nur überhaupt vor einer Verpflichtung zur
Übereignungschützen, sondern gerade auch die vereinbarten essentialia negotii . Ist dem
Schutzzweckdes § 311b wirklich genüge getan, wenn man notariell den Kaufpreis auf 100k beurkundet (= Warnfunktion), dann aber vorschnell mündlich einer Herabsetzung auf 30k zustimmt? Ich würde behaupten definitiv nicht!

Nadim Sarfraz
14.6.2025, 12:46:52
Lieber @[Erik_1995](177911), in der Tat stellt die Entscheidung eine (zumindest in zeitlicher Hinsicht) weitgehende Einschränkung der Schutzwirkung des
§ 311b BGBdar. Spinnt man den Sachverhalt etwas weiter und lässt die nachträgliche
Minderungnicht nur 10 % des ursprünglichen Kaufpreises betragen, sondern z.B. 50 %, wird dies noch deutlicher. Dem BGH ging es v.a. darum, den Rechtsverkehr zu schützen, der auf den Inhalt des Grundbuchs vertraut. Folgt man der Lösung des BGH nämlich nicht, droht eine Gesamtnichtigkeit des
Kaufvertrages (wohl nach §
139 BGB) - eine Heilung nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB kann dann aber nicht mehr erfolgen, da die Auflassung bereits erfolgt ist. Den Schutz des Rechtsverkehrs (und i.E. auch des Bestands des
Kaufvertrages) nahm der BGH - wie Du richtig erkennst - auf Kosten der Reichweite des
Schutzzwecks des
§ 311b BGBvor. Dies wurde in der Lit. eher kritisch aufgenommen, vgl. z.B. die Entscheidungsbesprechung Stadler, JA 2019, 545, die argumentiert, dass eben im Zweifel eine Gesamtnichtigkeit in Kauf zu nehmen sei und die Parteien dann eben einen weiteren, aktualisierten notariell beurkundeten
Kaufvertragschließen müssen. Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team