Klageerzwingungsverfahren 1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T sagt zu O, dass er ihm die Zunge abschneiden werde, wenn O weiter so viel über ihn lästert. O verlangt von der Staatsanwältin S die Strafverfolgung, diese stellt das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts ein (§ 170 Abs. 2 StPO).
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Einordnung des Falls
Klageerzwingungsverfahren 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. O ist Verletzter der Bedrohung (§ 241 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. O muss für eine Klageerzwingung zunächst einen Strafantrag gestellt haben.
Genau, so ist das!
3. O kann gegen den Einstellungsbescheid sofort beim OLG einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung begründet, erhebt das OLG selbst Anklage gegen T.
Nein!
5. Für den Erfolg und die Begründetheit des Antrages ist es notwendig, dass ein dringender Tatverdacht besteht.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Leporello
22.5.2021, 14:01:18
Die Fragestellung halte ich für missverständlich. Es könnte ein „nur“ vor das „begründet“ eingefügt werden. Denn bei dringenden Tatverdacht dürfte der Antrag stets begründet sein, aber halt nicht nur dann.
Tigerwitsch
22.5.2021, 14:26:07
Ich denke, man muss differenzieren: Für den Antrag ist hinreichender Tatverdacht erforderlich. „Nur“ dringender Tatverdacht reicht nicht aus. Anders formuliert: Ein dringender Tatverdacht ist nicht ausreichend. Insofern würde m. E. das von Dir vorgeschlagene „nur begründet“ nichts an dieser Bewertung ändern.
Tigerwitsch
22.5.2021, 14:28:24
* Dringender TV ist stets dynamisch und kann sich entwickeln. Hinreichender TV meint, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung höher ist als die eines Freispruches. Somit sind die Anforderungen höher als bei dringendem Tv.
Leporello
22.5.2021, 14:49:22
Dem Grade nach ist der dringende Tatverdacht stärker als der hinreichende Tatverdacht (vgl. Meyer – Goßner § 112 Rn. 6). Auch wenn der dringende Tatverdacht dynamisch ist und den hinreichenden nicht zwingend voraussetzt, ist die vorliegende Fragestellung meines Erachtens zumindest missverständlich, wenn man „stimmt nicht“ auswählen muss, wenn dringender Tatverdacht vorliegt (dann ja hier im Kontext auch zu dem Zeitpunkt, da der hinreichende vorliegen muss). Wenn nach der
Begründetheitgefragt wird, dann ist in diesem Moment ja wohl der Zeitpunkt der Anklagehebung gemeint, und zu diesem Zeitpunkt muss der dringende Tatverdacht stärker sein als der hinreichende.
Tigerwitsch
22.5.2021, 15:24:47
Dem stimme ich Dir zu, dass der dringende TV dem Grade nach stärker ist als der hinreichende TV. Dennoch geht man bei letzterem weiter: Beim dringendem TV (zB für einen Antrag auf U-Haft, §§ 112 ff. StPO) sind nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte an einer Straftat / Handlung beteiligt war. Demgegenüber kommt es bei diesem Verdachtsgrad gerade nicht darauf an, ob auch eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als keine. Der hinreichende TV zeichnet sich durch eine „doppelte Prognoseentscheidung“ aus: Neben der o.g. Wahrscheinlichkeit (zur Tat) kommt hinzu, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung höher ist als die eines Freispruches. Anders gesagt: Beim hinreichenden TV kommt in der Prüfung nochwas „hinzu“ (nämlich eine Rechtsprüfung!) was beim dringenden TV nicht geprüft wird. Das ist mE davon zu trennen, dass - wie Du richtig sagst - der Verdachtsgrade an sich unterschiedlich ausgeprägt sind. —————— Natürlich könnte man gerne den Text etwas präzisieren 😇
Lukas_Mengestu
25.5.2021, 16:30:20
Hallo zusammen, wir haben den Fragetext jetzt etwas umformuliert, um die Zielrichtung etwas deutlicher zu machen. Letztlich ist es nach meiner Erfahrung indes wenig ratsam, die beiden Begriffe zwingend in ein Stufenverhältnis zu bringen. Denn sie werden zu unterschiedlichen Zeiten des Ermittlungsverfahrens und bei verschiedenen Normen relevant. Der unmittelbare Vergleich, welcher "stärker" ist, ist insofern nur bedingt hilfreich. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
17.9.2021, 11:11:48
Hallo Ihr Lieben, zu dieser Aufgabenstellung hätte ich eine Frage: Läuft die Beschwerde beim
Klageerzwingungsverfahren( § 172 I StPO) zunächst immer an den Generalstaatsanwalt beim OLG? LG.
Lukas_Mengestu
5.11.2021, 11:11:39
Hallo Paci, nach §172 Abs. 1 S. 1 StPO entscheidet über die Beschwerde der "vorgesetzte Beamte der Staatsanwaltschaft". Dies ist nach §§ 145, 147 GVG der erste Beamte der StA, die der einstellenden StA nach den landesrechtlichen Organisationsbestimmungen übergeordnet ist. In der Regel ist dies der Generalstaatsanwalt beim OLG (vgl. KK-StPO/Moldenhauer, 8.A.2019, § 172 RdNr. 5). Die Beschwerde kann aber auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden und wird dann an den Generalstaatsanwalt weitergeleitet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
SabrinaAusBerlin
10.6.2024, 16:30:45
Wer Verletzter iSd StPO ist, bestimmt § 373b StPO. "Im Sinne dieses Gesetzes sind Verletzte diejenigen, die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in ihren
Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt worden sind oder unmittelbar einen Schaden erlitten haben.", § 373b Absatz 1 StPO In Absatz 2 ist dann aufgezählt, wer "Verletzten im Sinne des Absatzes 1 gleichgestellt" ist.
Tobias R
21.8.2024, 08:57:57
Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Be
drohung(§ 241 StGB) um ein Privatklagedelikt i.S.d. § 374 StPO handelt. Wird das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung (§ 241 Abs. 5 i.V.m. § 230 Abs. 1 StGB) von den Ermittlungs
behörden verneint, dann ist der Verletzte gemäß § 170 Abs. 2 i.V.m. §§ 374, 376 StPO auf den Privatklageweg zu verweisen. Zu einem
Klageerzwingungsverfahrenkommt es dann wegen § 172 Abs. 2 S. 3 StPO überhaupt nicht mehr.