Gestörte Gesamtschuld bei gesetzlicher Haftungsprivilegierung – Spielplatzfall
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der zweijährige K fällt von der unzureichend gesicherten Rutsche eines Spielplatzes der Stadt B, als der stets fahrlässige Vater V einen Moment unaufmerksam ist. K verlangt von B Schadensersatz.
Einordnung des Falls
Gestörte Gesamtschuld bei gesetzlicher Haftungsprivilegierung – Spielplatzfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat einen Anspruch gegen B aus § 823 Abs. 1 BGB.
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Genau, so ist das!
2. Der Anspruch des K ist um dessen eigenes Mitverschulden zu kürzen (§ 254 Abs. 1 BGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
3. Der Anspruch des K ist gemäß §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB um das Mitverschulden des V zu kürzen.
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Nein!
4. Eine Anspruchskürzung ist grundsätzlich auch nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld möglich.
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5. V haftet dem K nur aufgrund einer gesetzlichen Privilegierung nicht.
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Ja, in der Tat!
6. Weil ein Fall der gestörten Gesamtschuld vorliegt, haftet V dem K trotz der Privilegierung direkt im Außenverhältnis nach § 823 Abs. 1 BGB und § 1664 Abs. 1 BGB.
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Nein!
7. Bei der hier vorliegenden gesetzlichen Privilegierung haftet die B dem K voll und kann nach hM keinen Regress bei V nehmen.
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Genau, so ist das!
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Helena
15.12.2021, 13:40:38
Ich bin etwas verwirrt. Zwischen wem muss das Schuldverhältnis bestehen, damit die Zurechnung greift? Zwischen dm Schädiger und dem Geschädigten oder zwischen dem Geschädigten und dem gesetzlichen Vertreter?

Lukas_Mengestu
15.12.2021, 18:06:15
Hallo Helena, super Frage. Bei 3-Personenkonstellationen mache ich mir auch am liebsten eine kurze Skizze um den Überblick nicht zu verlieren :-). Gefragt war danach, ob K selbst ein Mitverschulden (§ 254) trifft. Da K als Zweijähriger aber nicht zurechnungsfähig ist (§ 828 Abs. 1 BGB analog) müsste ihm das Verhalten seines gesetzlichen Vertreters zurechenbar sein. Jetzt wird es tricky. § 278 BGB findet nur dann Anwendung, wenn bereits ein Schuldverhältnis besteht. Im Deliktsrecht kann man deshalb allenfalls eine Haftung nach § 831 BGB für Verrichtungsgehilfen begründen. Damit § 278 BGB herangezogen werden kann, müsste also zwischen der Stadt (Schädiger) und K (Geschädigtem) ein Schuldverhältnis bestehen. Nur dann könnte über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB ein Verschulden des gesetzlichen Vertreters zugerechnet werden. Ein solches besteht zum Zeitpunkt der Schädigungshandlung aber (noch) nicht. Insofern scheidet die Zurechnung aus. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CR7
23.4.2023, 14:14:32
Aber die Zurechnung scheitert doch hier auch daran, dass denn V doch kein Verschulden trifft, da er nach § 277 BGB wegen seiner ständigen Fahrlässigkeit nicht haftet, oder?

Lukas_Mengestu
24.4.2023, 12:16:56
Hallo (af), auf die Haftungsprivilegierung des Vaters gegenüber seinem Kind, kann das Kind sich grundsätzlich nicht gegenüber Dritten berufen. Denn Verschulden gesetzlicher Vertreter muss es sich zurechnen lassen, wie eigenes Verschulden. Da es für Vorsatz und jegliche Fahrlässigkeit haftet, wäre über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB das Verhalten des Vaters auch dann zu berücksichtigen, wenn er stets fahrlässig handelt. Anders ist dies hier nur, weil kein Schuldverhältnis zwischen K und B bestand, sodass § 278 BGB überhaupt nicht zum Zuge kommt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Ralu
13.6.2023, 19:42:43
Könnte mir jemand erklären, wo im Gutachten ich den Streit darstelle?

Lukas_Mengestu
16.6.2023, 16:09:28
Hallo Ralu, nachdem Du die Anspruchsvoraussetzungen des § 823 BGB geprüft hast, musst Du den Haftungsumfang thematisieren. An dieser Stelle sprichst Du dann sowohl die Frage an, ob ein Mitverschulden zu einer Kürzung des Anspruchs führt, als auch die Frage der gestörten Gesamtschuld. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team