Gutläubiger Erwerb eines Fahrzeugs, das im Rahmen einer Probefahrt entwendet wurde
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
D besucht das Autohaus A. Dort vereinbart er eine Probefahrt mit einem Wohnmobil. Er bekommt den Schlüssel ausgehändigt und fährt davon. D verschwindet mit dem Wohnmobil. Danach verkauft und übereignet er dieses unter Vorlage von gefälschten, aber täuschend echt wirkenden KFZ-Zulassungsbescheinigungen (Teil I und II) am Hamburger Hauptbahnhof an das Ehepaar E, das D für den Eigentümer hält.
Einordnung des Falls
Gutläubiger Erwerb eines Fahrzeugs, das im Rahmen einer Probefahrt entwendet wurde
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. E hat Eigentum an dem Auto nach § 929 S. 1 BGB erlangt.
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Nein, das trifft nicht zu!
2. E war hinsichtlich des Eigentums des D am Wohnmobil gutgläubig (§ 932 Abs. 2 BGB).
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Ja!
3. Sofern kein Fall des Abhandenkommens (§ 935 BGB) vorliegt, könnte E hier gutgläubig Eingentum erwerben.
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Genau, so ist das!
4. E hat nicht gutgläubig Eigentum am Wohnmobil erworben, da dieses A abhandengekommen ist.
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Nein, das trifft nicht zu!
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Ira
12.8.2021, 16:23:57
was ist die Zulassungsbescheinigung (Teil I und II)? der Fahrzeugschein? d.h. dass das Ehepaar auch ohne Fahrzeugbrief gutgläubig erwerben konnte?
Isabelle
14.8.2021, 16:59:17
Hi Ira, Teil I ist der Fahrzeugschein und Teil II ist der Fahrzeugbrief. Die Zulassungsbescheinigung Teil II, bis 2005 war das der Fahrzeugbrief, ist jedoch kein Traditionspapier sondern hat nur Indizfunktion hinsichtlich des zivilrechtlichen Eigentums. Mehr hierzu kannst du in Vieweg, Sachenrecht, s.142, RN 31 nachlesen.

Fiona
15.6.2023, 15:33:23
Aber das Wohnmobil kommt doch mit der Übereignung an E abhanden?
cann1311
24.6.2023, 11:15:59
Abhandenkommen ist der Verlust des *unmittelbaren* Besitzes, der mittelbare Besitz ist unbeachtlich
Merida
26.6.2023, 13:32:04
Wir hatten ziemlich genau so einen Fall in der großen Übung BGB, und als Faustregel hieß es: wenn das Fahrzeug freiwillig herausgegeben wird ist es nicht abhanden gekommen. Und bei einer Probefahrt liegt Freiwilligkeit vor. Darüber hinaus aus besagter Klausur: Auch sind täuschend echt aussehende Papiere einer Gutgläubigkeit nicht entgegenstehend, ebenso ist auch ein Verkauf um 12 Uhr nachts auf einem Supermarktparkplatz nicht pauschal ein Indiz, das gegen Gutgläubigkeit spricht

Linda
25.8.2023, 13:28:24
Wie behandelt man, dass dem Ehepaar E das Fahrzeug am Hauptbahnhof verkauft wurde? Ich finde, hier hätte E misstrauisch werden müssen.

Blan
5.9.2023, 12:09:03
Der Punkt allein kann wohl nicht gegen einen gutgläubigen Erwerb sprechen. Auch waren die Papiere täuschend echt, was auch einen starken Rechtsschein der Berechtigung auslöst. Aber ich kann deinen Punkt verstehen. In der Klausur wird es wohl noch mehr Anhaltspunkte geben, wie Barzahlung etc. :)
me99
5.9.2023, 16:26:24
Finde auch, dass man es ansprechen sollte, im Ergebnis führt der Umstand mMn aber nicht zu einer Bösglaubigkeit. Es ist doch super typisch, dass bei einem Autokauf der Käufer mit dem Zug zum Treffpunkt kommt und mit keinem anderen Auto. Genauso fährt der Verkäufer das Auto zwar zum Treffpunkt hin, muss dann aber regelmäßig mit anderen Verkehrsmitteln (wie einem Zug) wieder nach Hause kommen. Ein Bahnhof mag zwar ein „sketchy“ Ort sein, bietet sich aber aufgrund des Wesens der Kaufsache als Austauschort an, insbesondere wenn man sich in der Mitte treffen möchte.
Natze
5.12.2023, 14:49:14
Kam das in einem Bundesland schon im Examen dran? LG