Formfreiheit, § 311b Abs. 2, 3
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die wohlhabende Tante T liegt nach einem Unfall im Krankenhaus. Ihre Nichte N besucht sie als Einzige regelmäßig. Aus Dankbarkeit schenkt T der N ihr gesamtes gegenwärtiges und künftiges Vermögen. Nach Entlassung aus dem Krankenhaus übertragt T der N ihre Villa.
Einordnung des Falls
Formfreiheit, § 311b Abs. 2, 3
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Versprechen der T, der N ihr künftiges Vermögen zu übertragen, ist nichtig (§ 311b Abs. 2 BGB).
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Ja, in der Tat!
2. Der Vollzug der Schenkung durch Übertragung der Villa heilt den Formfehler des Verpflichtungsgeschäfts.
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Nein!
3. Auch das Versprechen bezüglich der Übertragung des gegenwärtigen Vermögens ist nichtig (§§ 311b Abs. 3, 125 S. 1 BGB).
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Genau, so ist das!
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lillschi
7.1.2021, 22:13:27
Bei der ersten Frage steht in der Erklärung: “Es soll verhindert werden, dass er sich gewissermaßen seiner Erwerbsfähigkeit begibt ...” Was ist damit gemeint?
Bienenschwarmverfolger
23.4.2021, 09:05:41
„Sich etwas begeben“ kann so viel heißen wie „sich etwas entledigen“ oder „etwas aufgeben“. Wenn man sich zur Übertragung seines künftigen Vermögens verpflichtet, gibt man gewissermaßen seine Erwerbsfähigkeit auf, weil man - zumindest für sich selbst - faktisch nichts mehr erwerben kann.
lillschi
23.4.2021, 11:23:29
Ah ok, Danke, kannte die Begrifflichkeit “sich etwas begeben” nicht.
Eike-Christian
13.5.2023, 09:46:57
Wie habe ich mir denn praktisch den Vollzug der Schenkung durch Übertragung der Villa vorzustellen? T und N gehen zum Grundbuchamt, erklären die Auflassung und beantragen und bewilligen die Eintragung? Das dürfte aber dann nicht ohne notariellen Schenkungsvertrag geschehen?

Carl Wagner
13.5.2023, 14:41:05
Vielen Dank für deine Frage Eike-Christian! In der Tat ist es in der Praxis so, dass die Grundbuchämter auf eine notarielle Beurkundung bestehen. Der Fall der Heilung in § 311b I 2 BGB ist eher theoretischer Natur. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team
silasowicz
17.8.2023, 12:39:08
Woraus im Fall ergibt sich denn, dass die Villa das gegenwärtige oder künftige Vermögen der T darstellt? Irgendwie stehe ich da gerade auf dem Schlauch. Wäre sie das nämlich nicht, müsste doch schon 311b I 2 zum Zuge kommen, oder?
Paulah
29.9.2023, 14:29:52
Kleine Anekdote am Rande: In einem Mentoriat fragte mal jemand "wann ist denn der Hund tot". Der Dozent: "Wenn es im Sachverhalt steht." Vorliegend würde ich aus der Kombination der Informationen "sie schenkt der Nichte das gegenwärtige und künftige Vermögen" und "sie überträgt die Villa" schließen, dass die Villa das gegenwärtige und künftige Vermögen ist.