Zivilrecht
Werkrecht
Werkunternehmerpfandrecht
Gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts an Sachen, die nicht dem Besteller gehören? (str.)
Gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts an Sachen, die nicht dem Besteller gehören? (str.)
29. März 2025
42 Kommentare
4,8 ★ (72.459 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B hat von V einen Smart unter Eigentumsvorbehalt erworben. Vor Zahlung der letzten Rate, bringt er den Smart zur Umlackierung zu U. Als B seine Raten nicht zahlt, tritt V wirksam vom Kaufvertrag zurück. B zahlt auch den Werklohn an U nicht.
Diesen Fall lösen 76,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts an Sachen, die nicht dem Besteller gehören? (str.)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. U könnte eine Mitnahme des Smarts durch B verweigern, wenn ihr ein Werkunternehmerpfandrecht zusteht (§ 647 BGB).
Ja, in der Tat!
2. U steht eine Forderung aus dem Werkvertrag gegen B zu.
Ja!
3. Das Auto des B ist ein taugliches Pfandobjekt des Werkunternehmerpfandrechts (§ 647 BGB).
Genau, so ist das!
4. Das Werkunternehmerpfandrecht am Anwartschaftsrecht bestand auch nach Rücktritt des V vom Kaufvertrag fort (§ 647 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
5. Kann das Werkunternehmerpfandrecht nach §§ 1207, 932ff. BGB gutgläubig erworben werden?
Nein!
6. Können die §§ 1207, 932 ff. BGB durch den Verweis aus § 1257 BGB entsprechend angewendet werden?
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Nach der h.M. ist der gutgläubige Erwerb durch eine analoge Anwendung des § 1207 BGB möglich.
Nein, das trifft nicht zu!
8. Die h.M. lehnt einen gutgläubigen Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts gänzlich ab.
Ja!
9. Steht U nach Ausübung des Rücktritts durch V ein Werkunternehmerpfandrecht zu (§ 647 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
10. U hat bei Übergabe des Smart ein Werkunternehmerpfandrecht am Anwartschaftsrecht des B erworben (§ 647 BGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philippe
26.8.2022, 17:10:36
Kurze Verständnisfrage: Kommt es auf diesen Streit überhaupt an? Das wäre ja nur dann der Fall, wenn das
Pfandrecht am Anwartschaftsrechtein Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer begründet. Nach der Rechtsprechung des BGH kann das
Anwartschaftsrechtselbst aber kein Recht zum Besitz sein. Folglich kann auch das
Pfandrecht am Anwartschaftsrechtkein Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer sein. Letztlich besteht vor dem Rücktritt ohnehin ein
abgeleitetes Besitzrecht, weil der Unternehmer zur Herausgabe nur Zug um Zug gegen Zahlung der Vergütung verpflichtet ist und Zurückbehaltungsrechte nach der Rspr. ebenfalls ein Recht zum Besitz begründen.

Lukas_Mengestu
17.10.2022, 14:14:41
Hallo Philippe, hier sind zwei verschiedene Punkte zu unterscheiden: a) das
Werkunternehmerpfandrechtam
Anwartschaftsrechtund b) das
Werkunternehmerpfandrechtan der
Sacheselbst. Das
Pfandrecht am Anwartschaftsrechtist nach dem Rücktritt nichts mehr wert, deswegen ist zu überlegen, ob der Unternehmer ggfs. gutgläubig ein Pfandrecht an der übergebenen
Sacheerworben hat, obwohl es sich hierbei gerade nicht um eine "
Sachedes Bestellers" handelt. Diese Probleamtik ist ein absoluter Klassiker und sehr prüfungsrelevant. Denn würde man dies bejahen, so stünde dem Unternehmer tatsächlich ein eigenes Besitzrecht iSv § 986 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
lililaw
26.11.2022, 13:07:28
Das kam in der ersten Zivilrechtsklausur in Baden-Württemberg im Frühjahr 2022 dran.

Nora Mommsen
26.11.2022, 17:44:09
Liebe lililaw, das haben wir direkt getaggt! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
ChrisSch
24.8.2023, 16:27:50
Examenstreffer! Kam heute sehr ähnlich im der ersten Zivilrechtsklausur im Saarland

Lord Denning
27.2.2024, 10:29:15
Liebes Jurafuchs-Team, ich verstehe nicht ganz, warum § 1287 I 1 analog für die Erstreckung des Pfandrechts bei Erstarkung auf das Eigentum angewendet wird. Vielen Dank für eine Antwort schon mal im Voraus ;)

Sege
12.2.2025, 10:58:49
Ich bin mir auch nicht Sicher aber ich versuche es mir so zu erklären: Beim 1287 geht es eigentlich um Pfandrecht an einer Forderung. Das
Anwartschaftsrechtwird dann bei der analogen Anwendung quasi wie so eine Forderung behandelt (ist natürlich nicht wirklich eine aber hier geht es ja um analoge Anwendung). - Der Werkbesteller wäre bei 1287 analog der (Forderungs-) „Gläubiger“, weil er ja Inhaber des
Anwartschaftsrechts (=Forderung) ist - Der Werksunternehmer ist Pfandgläubiger (=Werks
unternehmerpfandrecht) - Der (noch) tatsächliche Eigentümer (z.B. der Verkäufer mit Eigentumsvorbehalt) ist der „Schuldner“ (weil von ihm das Eigentum ja weg geht (wenn alles gut geht)) Wenn der „Schuldner“ (Eigentümer) jetzt an den „Gläubiger“ (
Anwartschaftsrechtinhaber) „leistet“ (das Eigentum wird übertragen), dann würde bei der analogen Anwendung der „Pfandgläubiger“ (Unternehmer) jetzt das Pfandrecht nicht mehr an der „Forderung“ (dem
Anwartschaftsrecht) haben, sondern an dem Gegenstand selbst (der hergestellten oder ausgebesserten
Sache) erwerben. Aber das wird ja von der hM abgelehnt, da es bei dem 1287 um das Entstehen des Pfandrechts geht (es wird ein neues Pfandrecht erworben) und in unserem Fall das
Werkunternehmerpfandrechtbereits entstanden ist und nur weiter bestehen soll. Wie das weiter geht steht ja in der Aufgabe. Ich hoffe ich hab das verständlich ausgedrückt und vor allem nichts falsches gesagt hahaha.

Tim Gottschalk
16.9.2025, 19:29:34
Hallo @[Lord Denning](222886), die Antwort von @[Sege](241995) ist im Hinblick auf die analoge Anwendung von § 1287 Abs. 1 S. 1 BGB genau richtig. Allerdings muss ich sie hinsichtlich der h.M. korrigieren: Die h.M. lehnt nicht ab, dass § 1287 Abs. 1 S. 1 BGB analog angewendet wird, um das
Pfandrecht am Anwartschaftsrechtnach Erstarkung zum Vollrecht am Vollrecht selbst besteht. Die h.M. lehnt lediglich ab, dass das Pfandrecht gutgläubig erworben werden kann. Das ist eine davon unabhängige Frage. Vergleiche dazu die Ausführungen in diesem Thread: https://applink.jurafuchs.de/fAseTqJnIWb Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Juraminator
1.10.2025, 19:41:15
danke an Euch sehr hilfreich!!
Anne
27.9.2024, 14:36:05
Wieso geht ihr vorliegend davon aus, dass vor Rücktritt des Kaufvertrags ein
Werkunternehmerpfandrechtam
Anwartschaftsrechtentstand? Wenn ich das
Werkunternehmerpfandrechtnach
§ 647 BGBprüfe, prüfe ich das doch in der Frage, ob der Werkunternehmer ein Recht zum Besitz gegen den Eigentümer geltend machen kann. Nach h.M. führt aber ein
Anwartschaftsrechtschon zu keinem Recht zum Besitz. Müsste dann ein
Werkunternehmerpfandrechtam
Anwartschaftsrechtaus einem
Umkehrschlusserst Recht kein Recht zum Besitz begründen.

Nils
15.10.2024, 01:24:29
Lies mal zwei Threads weiter unten.
YanWing
10.1.2025, 15:34:01
Der Werkunternehmer erlangt nicht das
Anwartschaftsrechtan sich, sondern ein Pfandrecht, um seine Werklohnforderung zu sichern. Speziell beim Pfandrecht eines
Anwartschaftsrechts, im Vergleich zum Pfandrecht am Eigentum, ist, dass der Unternehmer die
Sachezwar zur Befriedigung seiner Lohnforderung veräußern kann, die
Sacheaber immernoch mit Eigentumsvorbehalt des ursprünglichen Verkäufers belastet ist. Er kann also nur das
Anwartschaftsrechtund nicht das Eigentum veräußern. Dies ändert allerdings nichts daran, dass er im Rahmen seines Pfandrechts ein Zurückbehaltungsrecht, also Recht zum Besitz, hat. In diesem Fall bestand allerdings kein
Anwartschaftsrechtmehr, der Unternehmer kann also auch kein Pfandrecht an einem nicht existenten
Anwartschaftsrechthalten.
sparfüchsin
26.5.2025, 14:59:34
Vielleicht könnten wir gier nochmal klären, was sich daraus für die einzelnen Ansprüche ergibt. Wenn ich es richtig verstehe, ist das Auto noch bei U. V -> U auf Herausgabe nach 985 (+), weil U mangels gutgläubig erworbenem WUP (da würde man dann die Einzelfragen aus der Aufgabe diskutieren) kein Recht zum Besitz hat. welche Ansprüche kommen noch in Betracht?
Sophie
6.8.2025, 21:36:53
push <3

Tim Gottschalk
27.9.2025, 12:27:56
Hallo @[sparfüchsin](295598), als weitere Ansprüche kommen in Betracht: Ein Anspruch des U gegen V auf
Verwendungsersatznach §§ 994,
996 BGB. Eine
notwendige Verwendungliegt beim Umlackieren jedoch nicht vor, auch von einer Wertsteigerung steht im Sachverhalt nichts. Daher ist dieser Anspruch abzulehnen. Ein Anspruch des U gegen B auf Zahlung des Werklohns nach § 631 Abs. 1 Hs. 2 BGB. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Amelie7
4.8.2025, 11:10:42
Zum einen wird hier gesagt, dass U bei Übergabe ein
Werkunternehmerpfandrechtam
Anwartschaftsrechterworben hat, dann wird aber gesagt dass hier noch kein Pfandrecht entstanden ist und deswegen eine analoge Anwendung abgelehnt wird? Ich verstehe das nicht so ganz, vielleicht kann mir jemand erklären wie das gemeint ist
Lt. Maverick
21.8.2025, 14:47:50
Hier ist zwischen 2 Ebenen zu unterscheiden: -
Werkunternehmerpfandrechtan der
Sacheselbst -
Werkunternehmerpfandrechtam
AnwartschaftsrechtSolange ein
Anwartschaftsrechtbesteht, kann der Werkunternehmer gemäß
§ 647 BGBgrundsätzlich ein
Werkunternehmerpfandrechtdaran erwerben. Tritt der Verkäufer jetzt aber gemäß § 449 II BGB wirksam vom Kaufvertrag zurück, so erlischt auch das
Anwartschaftsrecht, da der Bedingungseintritt der vollständigen Kaufpreiszahlung mit Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht mehr eintreten kann. Wenn etwas erlischt, kann hieran auch kein Recht mehr gehalten werden, also geht folglich auch das
Werkunternehmerpfandrechtunter. Deshalb stellt sich die Frage, ob der Unternehmer auch an
Sachen, die nicht im Eigentum des Bestellers sind, wirksam ein Pfandrecht gemäß
§ 647 BGBerwerben kann. Hier kommt die Konstruktion des gutgläubigen Erwerbs gemäß §§ 1207, 932 ff. BGB zum Tragen: Problematisch ist aber, dass in Ansehung des § 1205 BGB die Vorschriften nach §§ 1207, 932 ff. BGB nur für rechtsgeschäftliche Pfandrechte gelten und nicht gesetzlich erworbene, wie dem nach
§ 647 BGB. Nach § 1257 BGB gelten die Vorschriften rechtsgeschäftlicher Pfandrechte entsprechend, aber das setzt wiederum ein BESTEHENDES gesetzliches Pfandrecht voraus. Da der Werkunternehmer aber grundsätzlich kein Pfandrecht an
Sachen erwerben kann, die nicht im Eigentum des Bestellers stehen, hat er demnach auch kein Pfandrecht nach
§ 647 BGBerworben. Zudem hat der Werkunternehmer lediglich das
Pfandrecht am Anwartschaftsrecht, nicht aber an der
Sacheselbst erlangt. Nach § 1257 BGB bestand also zunächst ein
Werkunternehmerpfandrecht, welches aber auf das
Anwartschaftsrechtbeschränkt war. Somit hätte selbst bei Bestehen des
§ 647 BGBam
Anwartschaftsrecht, kein Erwerb des Pfandrechts an der
Sachegemäß §§ 1207, 932 ff. BGB erfolgen können. Die Vorschriften über rechtsgeschäftliche Pfandrechte wären gemäß § 1257 BGB nur soweit und solange anwendbar wie das
Pfandrecht am Anwartschaftsrechtnoch besteht. Gegen eine analoge Anwendung der §§ 1207, 932 ff. BGB spricht zudem der eindeutige Wortlaut des § 1257 BGB, der für die Anwendbarkeit gerade ein Bestehen des gesetzlichen Pfandrechts voraussetzt.
okalinkk
5.8.2025, 22:12:16
?
okalinkk
15.9.2025, 18:39:25
Schliesslich hat er ja das Auto des V repariert?

Foxxy
15.9.2025, 18:39:28
Ein Zurückbehaltungsrecht nach berechtigter GoA (§§ 683, 670, 677,
1000 BGB) steht U gegen V grundsätzlich nicht zu. Zwar hat U tatsächlich das Auto des V repariert, aber U handelte nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag, sondern aufgrund eines Werkvertrags mit B. Die GoA ist nur subsidiär anwendbar, also nur, wenn kein anderes Schuldverhältnis besteht. Da zwischen U und B ein Werkvertrag bestand, kommt ein Zurückbehaltungsrecht aus GoA gegenüber V nicht in Betracht. U kann allenfalls Ersatz notwendiger
Verwendungengegenüber V verlangen (§
994 BGB), aber kein Zurückbehaltungsrecht aus GoA.
okalinkk
15.9.2025, 18:41:34
D.h. hier liegt ein Fall des pflichtengebundenen Geschäftsführers vor? U kann die Verführung nur von B aufgrund des Werkvertrags verlangen. Nicht aber von V.

Tim Gottschalk
16.9.2025, 10:02:23
Hallo @[okalinkk](253888), das ist ein Fall des pflichtengebundenen Geschäftsführers, ja. Allerdings ist hier durch den Werkvertrag die Vergütung abschließend geregelt, weswegen die GoA nicht anwendbar ist. Insofern hat Foxxy die Frage richtig beantwortet. Eine
notwendige Verwendungnach §
994 BGBwird in der Umlackierung aber relativ offensichtlich nicht, sodass auch dieser Anspruch nur sehr theoretisch besteht. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team