Zivilrecht
Werkrecht
Werkunternehmerpfandrecht
Gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts an Sachen, die nicht dem Besteller gehören? (str.)
Gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts an Sachen, die nicht dem Besteller gehören? (str.)
29. März 2025
18 Kommentare
4,8 ★ (51.711 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B hat von V einen Smart unter Eigentumsvorbehalt erworben. Vor Zahlung der letzten Rate, bringt er den Smart zur Umlackierung zu U. Als B seine Raten nicht zahlt, tritt V wirksam vom Kaufvertrag zurück. B zahlt auch den Werklohn an U nicht.
Diesen Fall lösen 77,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts an Sachen, die nicht dem Besteller gehören? (str.)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. U könnte eine Mitnahme des Smarts durch B verweigern, wenn ihm ein Werkunternehmerpfandrecht zusteht (§ 647 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. U steht eine Forderung aus dem Werkvertrag gegen B zu.
Ja!
3. Das Auto des B ist ein taugliches Pfandobjekt des Werkunternehmerpfandrechts (§ 647 BGB).
Genau, so ist das!
4. Das Werkunternehmerpfandrecht am Anwartschaftsrecht bestand auch nach Rücktritt des V vom Kaufvertrag fort (§ 647 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
5. Kann das Pfandrecht nach §§ 1207, 932ff. BGB gutgläubig erworben werden?
Nein!
6. Können die §§ 1207, 932 ff. BGB durch den Verweis aus § 1257 BGB entsprechend angewendet werden?
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Nach der h.M. ist der gutgläubige Erwerb durch eine analoge Anwendung des § 1207 BGB möglich.
Nein, das trifft nicht zu!
8. Die h.M. lehnt einen gutgläubigen Erwerb des Werkunternehmerpfandrecht gänzlich ab.
Ja!
9. Steht U nach Ausübung des Rücktritts durch V ein Werkunternehmerpfandrecht zu (§ 647 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
10. U hat bei Übergabe des Smart ein Werkunternehmerpfandrecht am Anwartschaftsrecht des B erworben (§ 647 BGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philippe
26.8.2022, 17:10:36
Kurze Verständnisfrage: Kommt es auf diesen Streit überhaupt an? Das wäre ja nur dann der Fall, wenn das
Pfandrecht am Anwartschaftsrechtein
Recht zum Besitzgegenüber dem Eigentümer begründet. Nach der Rechtsprechung des BGH kann das
Anwartschaftsrechtselbst aber kein
Recht zum Besitzsein. Folglich kann auch das
Pfandrecht am Anwartschaftsrechtkein
Recht zum Besitzgegenüber dem Eigentümer sein. Letztlich besteht vor dem
Rücktrittohnehin ein
abgeleitetes Besitzrecht, weil der Unternehmer zur Herausgabe nur Zug um Zug gegen Zahlung der Vergütung verpflichtet ist und
Zurückbehaltungsrechte nach der Rspr. ebenfalls ein
Recht zum Besitzbegründen.

Lukas_Mengestu
17.10.2022, 14:14:41
Hallo Philippe, hier sind zwei verschiedene Punkte zu unterscheiden: a) das
Werkunternehmerpfandrechtam
Anwartschaftsrechtund b) das
Werkunternehmerpfandrechtan der Sache selbst. Das
Pfandrecht am Anwartschaftsrechtist nach dem
Rücktrittnichts mehr wert, deswegen ist zu überlegen, ob der Unternehmer ggfs. gutgläubig ein Pfandrecht an der übergebenen Sache erworben hat, obwohl es sich hierbei gerade nicht um eine "Sache des Bestellers" handelt. Diese Probleamtik ist ein absoluter Klassiker und sehr prüfungsrelevant. Denn würde man dies bejahen, so stünde dem Unternehmer tatsächlich ein eigenes B
esitzrecht iSv § 986 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
lililaw
26.11.2022, 13:07:28
Das kam in der ersten Zivilrechtsklausur in Baden-Württemberg im Frühjahr 2022 dran.

Nora Mommsen
26.11.2022, 17:44:09
Liebe lililaw, das haben wir direkt getaggt! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
ChrisSch
24.8.2023, 16:27:50
Examenstreffer! Kam heute sehr ähnlich im der ersten Zivilrechtsklausur im Saarland

Lord Denning
27.2.2024, 10:29:15
Liebes Jurafuchs-Team, ich verstehe nicht ganz, warum § 1287 I 1 analog für die Erstreckung des Pfandrechts bei Erstarkung auf das Eigentum angewendet wird. Vielen Dank für eine Antwort schon mal im Voraus ;)

Sege
12.2.2025, 10:58:49
Ich bin mir auch nicht Sicher aber ich versuche es mir so zu erklären: Beim 1287 geht es eigentlich um Pfandrecht an einer Forderung. Das
Anwartschaftsrechtwird dann bei der analogen Anwendung quasi wie so eine Forderung behandelt (ist natürlich nicht wirklich eine aber hier geht es ja um analoge Anwendung). - Der Werkbesteller wäre bei 1287 analog der (Forderungs-) „Gläubiger“, weil er ja Inhaber des
Anwartschaftsrechts (=Forderung) ist - Der Werksunternehmer ist Pfandgläubiger (=Werks
unternehmerpfandrecht) - Der (noch) tatsächliche Eigentümer (z.B. der Verkäufer mit Eigentumsvorbehalt) ist der „Schuldner“ (weil von ihm das Eigentum ja weg geht (wenn alles gut geht)) Wenn der „Schuldner“ (Eigentümer) jetzt an den „Gläubiger“ (
Anwartschaftsrechtinhaber) „leistet“ (das Eigentum wird übertragen), dann würde bei der analogen Anwendung der „Pfandgläubiger“ (Unternehmer) jetzt das Pfandrecht nicht mehr an der „Forderung“ (dem
Anwartschaftsrecht) haben, sondern an dem Gegenstand selbst (der hergestellten oder ausgebesserten Sache) erwerben. Aber das wird ja von der hM abgelehnt, da es bei dem 1287 um das Entstehen des Pfandrechts geht (es wird ein neues Pfandrecht erworben) und in unserem Fall das
Werkunternehmerpfandrechtbereits entstanden ist und nur weiter bestehen soll. Wie das weiter geht steht ja in der Aufgabe. Ich hoffe ich hab das verständlich ausgedrückt und vor allem nichts falsches gesagt hahaha.
Anne
27.9.2024, 14:36:05
Wieso geht ihr vorliegend davon aus, dass vor
Rücktrittdes Kaufvertrags ein
Werkunternehmerpfandrechtam
Anwartschaftsrechtentstand? Wenn ich das
Werkunternehmerpfandrechtnach
§ 647 BGBprüfe, prüfe ich das doch in der Frage, ob der Werkunternehmer ein
Recht zum Besitzgegen den Eigentümer geltend machen kann. Nach h.M. führt aber ein
Anwartschaftsrechtschon zu keinem
Recht zum Besitz. Müsste dann ein
Werkunternehmerpfandrechtam
Anwartschaftsrechtaus einem Umkehrschluss erst Recht kein
Recht zum Besitzbegründen.

Nils
15.10.2024, 01:24:29
Lies mal zwei Threads weiter unten.
YanWing
10.1.2025, 15:34:01
Der Werkunternehmer erlangt nicht das
Anwartschaftsrechtan sich, sondern ein Pfandrecht, um seine Werklohnforderung zu sichern. Speziell beim Pfandrecht eines
Anwartschaftsrechts, im Vergleich zum Pfandrecht am Eigentum, ist, dass der Unternehmer die Sache zwar zur Befriedigung seiner Lohnforderung veräußern kann, die Sache aber immernoch mit Eigentumsvorbehalt des ursprünglichen Verkäufers belastet ist. Er kann also nur das
Anwartschaftsrechtund nicht das Eigentum veräußern. Dies ändert allerdings nichts daran, dass er im Rahmen seines Pfandrechts ein
Zurückbehaltungsrecht, also
Recht zum Besitz, hat. In diesem Fall bestand allerdings kein
Anwartschaftsrechtmehr, der Unternehmer kann also auch kein Pfandrecht an einem nicht existenten
Anwartschaftsrechthalten.

Louicay
24.3.2025, 09:14:36
Hi Jura-Fuchs Team, ich bin der Meinung, dass es zum besseren Verständnis der Aufgabe sehr hilfreich wäre, wenn ihr den Vertiefungshinweis um die Problematik des "Nicht mehr berechtigten B
esitzers" ergänzen würdet, da diesem Streit fundamentale Bedeutung hinsichtlich der Beantwortung der Frage zukommt, ob dem Werkunternehmer das
Zurückbehaltungsrechtnach § 1000 S. 1 BGB zugebilligt werden muss. Stichpunkt: Zeitpunkt der
Vindikationslagezur Begründung des EBV im relevanten Zeitpunkt.