Zivilrecht

Werkrecht

Werkunternehmerpfandrecht

Gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts an Sachen, die nicht dem Besteller gehören? (str.)

Gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts an Sachen, die nicht dem Besteller gehören? (str.)

29. März 2025

18 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Illustration zum Gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts das einen Verkäufer zeigt, der vom Vertrag zurücktritt, einen Käufer der nicht zahlt und einen Lackierer, der ein Auto nicht herausgibt, weil er vom Käufer nicht bezahlt wird.
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Klassisches Klausurproblem

B hat von V einen Smart unter Eigentumsvorbehalt erworben. Vor Zahlung der letzten Rate, bringt er den Smart zur Umlackierung zu U. Als B seine Raten nicht zahlt, tritt V wirksam vom Kaufvertrag zurück. B zahlt auch den Werklohn an U nicht.

Diesen Fall lösen 77,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Gutgläubiger Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts an Sachen, die nicht dem Besteller gehören? (str.)

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer BaWü 2022
Examenstreffer Saarland 2023

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. U könnte eine Mitnahme des Smarts durch B verweigern, wenn ihm ein Werkunternehmerpfandrecht zusteht (§ 647 BGB).

Ja, in der Tat!

Das Werkunternehmerpfandrecht ist ein gesetzliches Pfandrecht und sichert Forderungen aus dem Werkvertrag. Maßgeblich ist, dass die Grundlage des Anspruch im Werkvertrag liegt. Das Werkunternehmerpfandrecht setzt (1) einen Werkvertrag, (2) eine Forderung aus dem Werkvertrag, (3) das Eigentum des Bestellers und (4) den Besitz des Unternehmer an der Sache voraus. Das Pfandrecht entsteht unabhängig vom Parteiwillen. Die Vergütung wird regelmäßig erst durch die Abnahme fällig, sodass der Unternehmer vorleistungspflichtig ist. Um den Unternehmer hinsichtlich der finanziellen Risiken der Vorleistungspflicht zu sichern, wird ihm ein gesetzliches Pfandrecht zugesprochen.
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2. U steht eine Forderung aus dem Werkvertrag gegen B zu.

Ja!

Das Werkunternehmerpfandrecht ist ein gesetzliches Pfandrecht und sichert alle Forderungen aus dem Werkvertrag. Dies können Vergütungsansprüche, aber auch Ansprüche des Unternehmers gegen den Besteller aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht sein. Maßgeblich ist, dass die Grundlage des Anspruch im Werkvertrag liegt. B ist nach § 631 Abs. 1 BGB zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

3. Das Auto des B ist ein taugliches Pfandobjekt des Werkunternehmerpfandrechts (§ 647 BGB).

Genau, so ist das!

Nur bewegliche Sache können Pfandobjekte des Werkunternehmerpfandrechts sein (§ 90ff. BGB). Der Smart des B ist eine bewegliche Sache Bei KfZ-Reparaturen wird das Pfandrecht auch auf den KfZ-Brief erstreckt.

4. Das Werkunternehmerpfandrecht am Anwartschaftsrecht bestand auch nach Rücktritt des V vom Kaufvertrag fort (§ 647 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Das Werkunternehmerpfandrecht kann auch an einem Anwartschaftsrecht entstehen, solange der Besteller Inhaber des Anwartschaftrechts ist. Sobald dieses erlischt (z.B. infolge eines Rücktritts vom Kaufvertrag durch den Verkäufer), erlischt auch das Anwartschaftsrecht. Ohne Anwartschaftsrecht des Bestellers, steht dem Werkunternehmer kein Pfandrecht an diesem zu. Ursprünglich hatte B zwar ein Anwartschaftrecht an dem Auto. Dieses erlosch aber infolge des Rücktritts durch den Verkäufer. Damit erlosch auch das zunächst bestehende Anwartschaftsrecht des U.

5. Kann das Pfandrecht nach §§ 1207, 932ff. BGB gutgläubig erworben werden?

Nein!

Eine direkte Anwendung der §§ 1207, 932ff. BGB scheidet aus, weil die Vorschrift für rechtsgeschäftlich bestellte Pfandrechte gilt. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 1207 BGB. Dieser ist aber im Zusammenhang mit § 1205 BGB zu lesen und § 1205 BGB regelt die Bestellung eines (rechtsgeschäftlichen) Pfandrechts.

6. Können die §§ 1207, 932 ff. BGB durch den Verweis aus § 1257 BGB entsprechend angewendet werden?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 1257 BGB finden die Vorschriften über das durch Rechtsgeschäft bestellte Pfandrecht auf ein kraft Gesetzes entstandenes Pfandrecht entsprechend Anwendung. Der Wortlaut des § 1257 BGB verdeutlicht, dass eine entsprechende Anwendung nur für kraft Gesetz entstandene Pfandrechte in Betracht kommt. Hier geht es jedoch um das erstmalige Entstehen des Pfandrechts, sodass ein gutgläubiger Erwerb durch eine entsprechende Anwendung der §§ 1257, 1207, 932ff. BGB nicht in Betracht kommt.

7. Nach der h.M. ist der gutgläubige Erwerb durch eine analoge Anwendung des § 1207 BGB möglich.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der h.M. spricht (1) der eindeutige Wortlaut des § 1257 BGB gegen eine analoge Anwendung des § 1207 BGB. Nach § 1257 BGB sind die Vorschriften über rechtsgeschäftliche Pfandrechte nur bei bereits entstandenen Pfandrechten entsprechend anzuwenden. Bei dem Erwerb des Werkunternehmerpfandrechts geht es zunächst um dessen erstmalige Entstehung. (2) Auch der Besitz der Sache könne einen gutgläubigen Erwerb nicht legitimieren, weil die Besitzübergabe nicht zwecks Pfandrechtsbestellung erfolge. Der Unternehmer soll den Besitz erlangen, um sein Werk zu verrichten. Der Besitzübermittlung komme keine hinreichende Legitimationswirkung zugute.

8. Die h.M. lehnt einen gutgläubigen Erwerb des Werkunternehmerpfandrecht gänzlich ab.

Ja!

Die h.M. lehnt sowohl eine direkte, als auch analoge Anwendung der §§ 1207, 932, 1257 BGB ab. Der Rechtsgedanke des § 366 Abs. 3 HGB spreche weder für die analoge Anwendung der §§ 1207, 932, 1257 BGB, noch könne die Vorschrift selbst analog angewendet werden. Um den Unternehmer nicht ganz schutzlos zu stellen, wird die Reparatur als notwendige Verwendung (§ 994 BGB) angesehen, sodass dem Unternehmer nach der h.M. ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB zusteht.

9. Steht U nach Ausübung des Rücktritts durch V ein Werkunternehmerpfandrecht zu (§ 647 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Mit Erlöschen des Anwartschaftsrechts ist auch das ursprünglich bestehende Pfandrecht erlöschen. Ein gutgläubiger Erwerb kommt aus mehreren Gründen nach der h.M. nicht in Betracht: (1) wegen des eindeutigen Wortlauts des § 1257 BGB, (2) weil der Besitz nicht mit dem Zweck der Entstehung eines Pfandrechts übertragen wurde und somit keine Legitimationswirkung entfaltet, (3) § 366 Abs. 3 HGB keinen allgemeinen Rechtsgedanken enthält, der eine analoge Anwendung der §§ 1207, 932 ff. BGB rechtfertige und (4) § 366 Abs. 3 HGB wegen des besonderen - über das des Werkunternehmers hinausgehenden - Sicherungsbedürfnisses nicht analogiefähig ist.

10. U hat bei Übergabe des Smart ein Werkunternehmerpfandrecht am Anwartschaftsrecht des B erworben (§ 647 BGB).

Genau, so ist das!

Das Werkunternehmerpfandrecht kann auch an einem Anwartschaftsrecht entstehen. Erstarkt das Anwartschaftsrecht zum Volleigentum, so erstreckt sich dann auch das Pfandrecht auf das Volleigentum (§ 1287 S. 1 BGB analog). B hat zwar (noch) kein Eigentum an dem Bulli, er hat aber ein Anwartschaftsrecht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PH

Philippe

26.8.2022, 17:10:36

Kurze Verständnisfrage: Kommt es auf diesen Streit überhaupt an? Das wäre ja nur dann der Fall, wenn das

Pfandrecht am Anwartschaftsrecht

ein

Recht zum Besitz

gegenüber dem Eigentümer begründet. Nach der Rechtsprechung des BGH kann das

Anwartschaftsrecht

selbst aber kein

Recht zum Besitz

sein. Folglich kann auch das

Pfandrecht am Anwartschaftsrecht

kein

Recht zum Besitz

gegenüber dem Eigentümer sein. Letztlich besteht vor dem

Rücktritt

ohnehin ein

abgeleitetes Besitzrecht

, weil der Unternehmer zur Herausgabe nur Zug um Zug gegen Zahlung der Vergütung verpflichtet ist und

Zurückbehaltungsrecht

e nach der Rspr. ebenfalls ein

Recht zum Besitz

begründen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.10.2022, 14:14:41

Hallo Philippe, hier sind zwei verschiedene Punkte zu unterscheiden: a) das

Werkunternehmerpfandrecht

am

Anwartschaftsrecht

und b) das

Werkunternehmerpfandrecht

an der Sache selbst. Das

Pfandrecht am Anwartschaftsrecht

ist nach dem

Rücktritt

nichts mehr wert, deswegen ist zu überlegen, ob der Unternehmer ggfs. gutgläubig ein Pfandrecht an der übergebenen Sache erworben hat, obwohl es sich hierbei gerade nicht um eine "Sache des Bestellers" handelt. Diese Probleamtik ist ein absoluter Klassiker und sehr prüfungsrelevant. Denn würde man dies bejahen, so stünde dem Unternehmer tatsächlich ein eigenes B

esi

tzrecht iSv § 986 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LI

lililaw

26.11.2022, 13:07:28

Das kam in der ersten Zivilrechtsklausur in Baden-Württemberg im Frühjahr 2022 dran.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

26.11.2022, 17:44:09

Liebe lililaw, das haben wir direkt getaggt! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

CH

ChrisSch

24.8.2023, 16:27:50

Examenstreffer! Kam heute sehr ähnlich im der ersten Zivilrechtsklausur im Saarland

Lord Denning

Lord Denning

27.2.2024, 10:29:15

Liebes Jurafuchs-Team, ich verstehe nicht ganz, warum § 1287 I 1 analog für die Erstreckung des Pfandrechts bei Erstarkung auf das Eigentum angewendet wird. Vielen Dank für eine Antwort schon mal im Voraus ;)

Sege

Sege

12.2.2025, 10:58:49

Ich bin mir auch nicht Sicher aber ich versuche es mir so zu erklären: Beim 1287 geht es eigentlich um Pfandrecht an einer Forderung. Das

Anwartschaftsrecht

wird dann bei der analogen Anwendung quasi wie so eine Forderung behandelt (ist natürlich nicht wirklich eine aber hier geht es ja um analoge Anwendung). - Der Werkbesteller wäre bei 1287 analog der (Forderungs-) „Gläubiger“, weil er ja Inhaber des

Anwartschaftsrecht

s (=Forderung) ist - Der Werksunternehmer ist Pfandgläubiger (=Werks

unternehmerpfandrecht

) - Der (noch) tatsächliche Eigentümer (z.B. der Verkäufer mit Eigentumsvorbehalt) ist der „Schuldner“ (weil von ihm das Eigentum ja weg geht (wenn alles gut geht)) Wenn der „Schuldner“ (Eigentümer) jetzt an den „Gläubiger“ (

Anwartschaftsrecht

inhaber) „leistet“ (das Eigentum wird übertragen), dann würde bei der analogen Anwendung der „Pfandgläubiger“ (Unternehmer) jetzt das Pfandrecht nicht mehr an der „Forderung“ (dem

Anwartschaftsrecht

) haben, sondern an dem Gegenstand selbst (der hergestellten oder ausgebesserten Sache) erwerben. Aber das wird ja von der hM abgelehnt, da es bei dem 1287 um das Entstehen des Pfandrechts geht (es wird ein neues Pfandrecht erworben) und in unserem Fall das

Werkunternehmerpfandrecht

bereits entstanden ist und nur weiter bestehen soll. Wie das weiter geht steht ja in der Aufgabe. Ich hoffe ich hab das verständlich ausgedrückt und vor allem nichts falsches gesagt hahaha.

AN

Anne

27.9.2024, 14:36:05

Wieso geht ihr vorliegend davon aus, dass vor

Rücktritt

des Kaufvertrags ein

Werkunternehmerpfandrecht

am

Anwartschaftsrecht

entstand? Wenn ich das

Werkunternehmerpfandrecht

nach

§ 647 BGB

prüfe, prüfe ich das doch in der Frage, ob der Werkunternehmer ein

Recht zum Besitz

gegen den Eigentümer geltend machen kann. Nach h.M. führt aber ein

Anwartschaftsrecht

schon zu keinem

Recht zum Besitz

. Müsste dann ein

Werkunternehmerpfandrecht

am

Anwartschaftsrecht

aus einem Umkehrschluss erst Recht kein

Recht zum Besitz

begründen.

Nils

Nils

15.10.2024, 01:24:29

Lies mal zwei Threads weiter unten.

YANW

YanWing

10.1.2025, 15:34:01

Der Werkunternehmer erlangt nicht das

Anwartschaftsrecht

an sich, sondern ein Pfandrecht, um seine Werklohnforderung zu sichern. Speziell beim Pfandrecht eines

Anwartschaftsrecht

s, im Vergleich zum Pfandrecht am Eigentum, ist, dass der Unternehmer die Sache zwar zur Befriedigung seiner Lohnforderung veräußern kann, die Sache aber immernoch mit Eigentumsvorbehalt des ursprünglichen Verkäufers belastet ist. Er kann also nur das

Anwartschaftsrecht

und nicht das Eigentum veräußern. Dies ändert allerdings nichts daran, dass er im Rahmen seines Pfandrechts ein

Zurückbehaltungsrecht

, also

Recht zum Besitz

, hat. In diesem Fall bestand allerdings kein

Anwartschaftsrecht

mehr, der Unternehmer kann also auch kein Pfandrecht an einem nicht existenten

Anwartschaftsrecht

halten.

Louicay

Louicay

24.3.2025, 09:14:36

Hi Jura-Fuchs Team, ich bin der Meinung, dass es zum besseren Verständnis der Aufgabe sehr hilfreich wäre, wenn ihr den Vertiefungshinweis um die Problematik des "Nicht mehr berechtigten B

esi

tzers" ergänzen würdet, da diesem Streit fundamentale Bedeutung hinsichtlich der Beantwortung der Frage zukommt, ob dem Werkunternehmer das

Zurückbehaltungsrecht

nach § 1000 S. 1 BGB zugebilligt werden muss. Stichpunkt: Zeitpunkt der

Vindikationslage

zur Begründung des EBV im relevanten Zeitpunkt.


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