Übereignung nach § 929 S. 1 BGB: Übergabe 2, Übergabe durch Besitzdiener


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Der Angestellte A vertritt Smartphonehändler S beim Abschluss eines Kaufvertrags mit K über ein Smartphone. Im Rahmen der Übereignung übergibt und übereignet A dem K das Handy.

Einordnung des Falls

Übereignung nach § 929 S. 1 BGB: Übergabe 2, Übergabe durch Besitzdiener

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen A und K ist ein Kaufvertrag zustande gekommen.

Nein, das trifft nicht zu!

A hat eine eigene Willenserklärung im Namen des S abgegeben. Dies tat er auch im Rahmen der ihm zustehenden Vertretungsmacht. Gem. § 164 Abs. 1 BGB hat A daher S wirksam vertreten.

2. Die dingliche Einigung (§ 929 S. 1 BGB) ist ein Rechtsgeschäft.

Ja!

Wie das Verpflichtungsgeschäft, ist auch das Verfügungsgeschäft ein Rechtsgeschäft. Die dingliche Einigung basiert auf zwei übereinstimmenden Willenserklärungen, die auf eine Eigentumsübertragung gerichtet sind. Auf die Willenserklärungen im Rahmen des Verfügungsgeschäfts sind die allgemeinen Regelungen der §§ 104 ff. BGB, §§ 116 ff. BGB, §§ 133, 157 BGB, §§ 158 ff. BGB, §§ 164 ff. BGB §§ 182 ff. BGB und ferner die Nichtigkeitsgründe (§§ 123 BGB, 134 BGB, 138 BGB) anzuwenden.

3. A hat S bei der dinglichen Einigung (§ 929 S. 1 BGB) wirksam vertreten.

Genau, so ist das!

A hat eine eigene auf Eigentumsübertragung gerichtete Willenserklärung im Namen des S abgegeben. Dies tat er auch im Rahmen der ihm zustehenden Vertretungsmacht. Nach § 164 Abs. 1 BGB hat A den S daher wirksam bei der dinglichen Einigung vertreten.

4. Die Übergabe des Smartphones von A an K wirkt nach § 164 Abs. 1 BGB gegen S.

Nein, das trifft nicht zu!

Die §§ 164 ff. BGB erfassen nur die rechtsgeschäftliche Vertretung. Die Übergabe der Kaufsache ist jedoch kein Rechtsgeschäft, sondern ein Realakt. Hierauf finden die § 164 ff. BGB keine Anwendung.

5. In der Übergabe des Smartphones durch A an K liegt rechtlich eine Übergabe (§ 929 S. 1 BGB) durch S.

Ja!

A ist als Angestellter des S Besitzdiener an dem Smartphone (§ 855 BGB). Als Besitzdiener war A nicht selbst Besitzer. Er hat für S die tatsächliche Sachherrschaft ausübt. Die Übergabe des Besitzdieners bewirkt rechtlich eine Übergabe des S.

6. K hat nach § 929 S. 1 BGB Eigentum erworben.

Genau, so ist das!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. Die dingliche Einigung zwischen K und S liegt vor. Ferner hat S durch A das Smartphone auch an K übergeben. K und S waren zum Zeitpunkt der Übergabe auch einig, dass das Eigentum übergehen soll. S war auch verfügungsberechtigt, da er Eigentümer des Smartphones war.

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JO

jomolino

14.3.2022, 15:33:02

Wird nicht auf die Übergabe 164 ff analog angewandt!=

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2022, 10:34:14

Hallo nomamo, die ganz hM lehnt im Hinblick auf den Wechsel der tatsächlichen Sachherrschaft die (analoge) Anwendung der Stellvertretungsregelungen ab (Übersicht bei Klinck, in: BeckOGK-BGB, § 929 RdNr. 92). Mit Blick auf die tatsächliche Sachherrschaft sähe das Gesetz zwei spezielle Repräsentationsformen vor, die die §§ 164 ff. BGB verdrängen, nämlich die

Besitzdiener

schaft und die Besitzmittlung (Oechsler, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 929 RdNr. 63). Teilweise wird allerdings darauf abgestellt, dass zumindest im Hinblick auf den Konsens über den Wechsel der tatsächlichen Sachherrschaft die §§ 164 ff. BGB analog angewendet würden (vgl. Oechsler, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 929 RdNr. 63). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BENED

Benedikt

11.7.2023, 08:33:15

Bei der Übergabe prüft man den Punkt „Besitzerlangung auf Veranlassung des Veräußerers“. Veräußerer ist hier S. Der hatte aber keine Kenntnis. Entfällt der Prüfungspunkt bei der Übergabe durch

Besitzdiener

? Wie wäre es im Fall, dass K Besitzmittler war?

LO

Lorenz

6.8.2023, 13:03:13

Auf gar keinen Fall darf der Prüfungspunkt entfallen. Man prüft zunächst (ggf. gedanklich), ob S selbst übergeben hat und lehnt dies ab. Dann prüft man, ob ein Besitzmittler,

Besitzdiener

oder eine

Geheißperson

gehandelt hat.

Anastasia

Anastasia

6.8.2023, 20:52:11

Veräußerer ist hier V, nicht S. S ist

Besitzdiener

, das heißt er befindet sich in einer sozialen Abhängigkeit zu V und folgt seiner Weisungen. In diesem Sinne hat V die Übergabe veranlasst.

EVA

evanici

14.9.2023, 14:53:37

Trennungsprinzip und Grundstücksgeschäfte mal kurz über Bord geworfen: In der Praxis würde die dingliche Einigung doch wahrscheinlich mit der Einigung über das zugrunde liegenden Schuldverhältnis grundsätzlich zusammenfallen, oder?

CR7

CR7

10.1.2024, 12:18:57

Das mag so erscheinen, aber wenn du die Akte in einzelne Bilder teilst, wirst du mit der Übergabe der Sache eine konkludente Einigung sehen. Niemals darfst du schreiben, dass bspw. eine Erklärung beides bewirkt (T.-und A.-Prinzip!). Wenn du ein iPhone in einem Saturn kaufst, dann legst du/die MA es aufs Band (Angebot deinerseits), es wird gescannt (Annahme), Zahlung (Erfüllung), es wird dir übergeben (Angebot auf

Übereignung

) und du nimmst es an dich (Annahme des

Übereignung

sangebot und eine juristische Sekunde später Übergabe).

JEN

Jenny

28.1.2024, 09:50:21

Wo wäre der Aspekt, dass § 164 ff. BGB nicht angewandt wird denn im Prüfschema einzuordnen? Prüft man das bei (3) Auf Veranlassung des Veräußerers?

TI

Timurso

28.1.2024, 11:30:34

In der Prüfung ist das meines Erachtens nicht zwingend einzubauen. Es ist vielmehr eine Verständnisfrage und wenn man die Stellvertretung bei der Übergabe nicht anspricht, zeigt man, dass man es verstanden hat und richtig macht. Ansonsten könnte man evtl ganz am Anfang der Prüfung der Übergabe einen Satz schreiben a la "Übergabe ist

Realakt

, 164 nicht anwendbar, geht rein nach sachenrechtlicher Betrachtung" und dann diese sachenrechtliche Betrachtung durchziehen.


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