Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
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Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrages bei Schwarzgeldabrede (BGH, Urt. v. 15.03.2024 – V ZR 115/22)
Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrages bei Schwarzgeldabrede (BGH, Urt. v. 15.03.2024 – V ZR 115/22)
11. Mai 2025
16 Kommentare
4,7 ★ (46.423 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft K eine Wohnung. Sie vereinbaren einen Kaufpreis von €150.000. Beim Notar lassen sie aber nur einen Preis von €120.000 beurkunden, um Steuern zu sparen. V und K erklären direkt die Auflassung und K wird ins Grundbuch eingetragen.
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Einordnung des Falls
Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrages bei Schwarzgeldabrede (BGH, Urt. v. 15.03.2024 – V ZR 115/22)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Zwischen V und K könnte ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) gerichtet auf die Übereignung von Vs Wohnung zum Preis von €120.000 zustande gekommen sein. Müssten V und K zunächst entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben haben?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. V und K müssten die Willenserklärungen, gerichtet auf den Abschluss des Vertrags zum Kaufpreis i.H.v. €120.000 mit Rechtsbindungswillen abgegeben haben. Könnte man daran zweifeln, weil sie eigentlich einen Preis von €150.000 vereinbaren wollten?
Genau, so ist das!
3. Selbst wenn V und K ihre Willenserklärungen bezüglich des Kaufpreises in Höhe von €120.000 mit Rechtsbindungswillen abgegeben hätten, wären diese dennoch unwirksam (§ 117 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
4. Zwischen V und K könnte aber ein Kaufvertrag gerichtet auf die Übereignung der Wohnung zum Preis von €150.000 zustande gekommen sein. Besteht hinsichtlich dieses Kaufvertrags Formfreiheit (siehe § 311b Abs. 1 BGB)?
Nein!
5. Wurde der Formfehler geheilt (§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB)?
Genau, so ist das!
6. Der Formfehler wurde geheilt. Könnte sich die Nichtigkeit des Kaufvertrags aber daraus ergeben, dass V und K gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen haben (§ 134 BGB)?
Ja, in der Tat!
7. Es gibt eine gesetzliche Regelung, welche V und Ks vorgehen ausdrücklich verbietet.
Nein!
8. Für „Ohne-Rechnung“-Abreden im Werkrecht hat der VII. BGH-Senat regelmäßig aus dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (§ 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SchwarzArbG) eine Nichtigkeit der Verträge abgeleitet.
Genau, so ist das!
9. Diese Argumentation des VII. Zivilsenats aus dem Werkrecht zu § 1 Abs. 2 SchwarArbG ist ohne Weiteres auf Grundstückskaufverträge übertragbar.
Nein, das trifft nicht zu!
10. Der Kaufvertrag könnte schließlich wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein (§ 138 Abs. 1 BGB). Verstößt die Vereinbarung des falschen Kaufpreises eindeutig gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“?
Nein!
11. Zwischen V und K ist ein wirksamer Kaufvertrag mit einem Kaufpreis in Höhe von €150.000 zustande gekommen.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Wesensgleiches Minus
21.10.2024, 09:09:23
„Zwar könne eine solche Abrede, die mit der Absicht getroffen wird, Steuern zu hinterziehen, gegen § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verstoßen. Dieser verfolgt jedoch eine andere Zielrichtung als das Verbot der
Schwarzarbeit. Sein Schutzzweck ist allein in der Sicherung des staatlichen Steueraufkommens zu sehen. Ein Grundstücksgeschäft, bei dem Steuern hinterzogen werden sollen, ist also nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nach § 134 BGB unwirksam.“ Ich verstehe die Begründung (und den Vergleich zum Verbot der
Schwarzarbeit) nicht). Ein Grundstücksgeschäft, bei dem Steuern hinterzogen werden sollen, geht doch direkt gegen den Schutzzweck von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, das staatliche Steueraufkommen zu sichern ?!
Rechtsanwalt B. Trüger
21.10.2024, 14:17:36
Wie hier richtig dargestellt ging es im Originalfall um einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung gem. § 894 analog. Hierzu kann ich das aktuelle YouTube-Video von Prof. Fervers empfehlen, der unter anderem dieses Urteil sehr gut aufbereitet hat (geht 4 1/2 Stunden. Man kann aber gut die entsprechende Stelle raussuchen)! Der Fall wird in nächster Zeit mit Sicherheit mal im Examen irgendwo laufen. Vielleicht habe ich ja schon diese Woche das Vergnügen

Tobias Krapp
21.10.2024, 16:39:05
Klasse Empfehlung @[Rechtsanwalt B. Trüger](208842), kann ich so unterschreiben, Prof. Fervers macht finde ich wirklich einen fantastischen Job mit seinen YouTube Kanälen! Das von dir angesprochene Video findet sich hier: https://youtu.be/ulLwVeKP73I?si=LjY-vEuVPzlXauzK&t=10746 (Link führt direkt zum Fall, die übrigen Fälle lohnen aber auch :) Auf
§ 894 BGBanalog kommt auch er aber nur ganz kurz zu sprechen, wer das sich noch ergänzend vor Augen führen will, dem kann ich hier auf Jurafuchs https://applink.jurafuchs.de/DrEoCFZsSNb empfehlen. Und wer sich die volle Dröhnung geben will, mit gutgläubigem lastenfreien
Zweiterwerb einer Vormerkung, aufgehangen an
§ 894 BGBanalog, kann das hier tun: https://applink.jurafuchs.de/nVv1ms2sSNb Ganz viel Erfolg dir für dein Examen @[Rechtsanwalt B. Trüger](208842)! :)
Rechtsanwalt B. Trüger
22.10.2024, 22:57:50
Dankeschön!

Johannes Nebe
26.10.2024, 08:31:54
Die Argumentation des BGH verstehe ich noch nicht. § 370 I Nr. 1 AO zielt nicht auf
Schwarzarbeit, sondern auf das Steueraufkommen insgesamt. Aber das würde doch in diesem Fall gut den Punkt treffen. Der verminderte Kaufpreis würde zu einer geringeren Grunderwerbssteuer führen. -- Noch zwei Kleinigkeiten: "führte der BGH führt noch aus" ist missgestaltet und "selbst wenn" ist eine Einheit (ohne Komma).

Wendelin Neubert
28.10.2024, 17:24:43
Danke für Deinen Kommentar @[Johannes Nebe](174311). In der Tat könnte man es auch anders sehen, und ich habe große Sympathie für Deine Lösung. Der BGH führt dagegen allerdings den
Schutzzweck der Norman (RdNr. 22 bei openjur, RdNr. 18 auf der BGH-Website): „Eine solche Abrede kann zwar, wenn sie mit der Absicht getroffen wird, Steuern zu hinterziehen, gegen § 370 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) verstoßen. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche
Tatsachenunrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt. Der Schutzzweck dieser Norm liegt aber - anders als beim Verbot der
Schwarzarbeit- nicht (auch) in dem Schutz des redlichen Wettbewerbs, etwa - worauf die Revision abstellen möchte - dem Schutz anderer Kaufinteressenten, sondern allein in der Sicherung des staatlichen Steueraufkommens [...]. Dieser Zweck erfordert es nicht, dem Grundstücksgeschäft selbst die Wirksamkeit zu versagen. Darin liegt ein entscheidender Unterschied zu Zweck und Zielrichtung des
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes.“ -- Danke auch für die beiden von Dir gut gesehenen Fehler – die haben wir soeben korrigiert. Herzliche Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

Johannes Nebe
28.10.2024, 18:23:21
Danke, @[Wendelin Neubert](409), so wird es gut verständlich.
Katharina
6.11.2024, 18:59:10
liebes Team ein grosses DANKE für die Aufbereitung der relevanten Themen! Durch die App hat man wirklich die Möglichkeit sich in Kurzfassung (!) einen Überblick über die examensrelevanten Themen machen!

Linne_Karlotta_
13.11.2024, 17:46:57
Hallo Katharina, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team
UnbekannterNutzer
2.2.2025, 18:05:49
Es wird auf Rdnr. 32 verwiesen. Wie sieht man die Randnummern oder einfach ein Relikt von CopyPaste?
Leo Lee
3.2.2025, 03:01:49
Hallo UnbekannterNutzer, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Die Rdnr. werden i.d.R. oben recht oder links in kleinerer Schriftgröße notiert (da muss man etwas genauer hinschauen). Bei openjur befinden sie sich bei den jeweiligen Absätzen immer oben links im Grauton und etwas sehr klein :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Amelie
6.3.2025, 18:05:38
Rdnr. 32: “3. Da die Schwarz
geldabrede schon nicht zur Unwirksamkeit des Kaufvertrags führt, kann dahinstehen, ob sie darüber hinaus zur Nichtigkeit der Auflassung geführt hätte. Dies erscheint allerdings fraglich. Denn der Verstoß eines Rechtsgeschäfts gegen ein Verbotsgesetz oder gegen die guten Sitten führt, abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des § 138 Abs. 2 BGB, grundsätzlich nur zur Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts, nicht auch zur Nichtigkeit des
Erfüllungsgeschäfts. Anders liegt es nur, wenn das Verbotsgesetz gerade auch das
Erfüllungsgeschäftverhindern will oder wenn der Verstoß gegen die guten Sitten auch im
Erfüllungsgeschäftselbst liegt (vgl. Senat, Urteil vom 17. September 2004 - V ZR 339/03, LKV 2005, 84, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 160, 240). Die Regelung in § 370 AO schützt indes (allein) den staatlichen Steueranspruch, d.h. das
rechtzeitige und vollständige Steueraufkommen jeder einzelnen Steuerart (siehe oben Rn. 18); ihr Ziel ist es nicht, die - für sich genommen nicht anstößige - Übertragung von Grundeigentum zu verhindern.”
Magnum
26.2.2025, 15:35:00
Ist es nicht ein wenig inkonsequent, dass bei der Verwechslung von Parzellen der § 311b teleologisch reduziert wird, weil zumindest die Warn- und Beratungsfunktion erfüllt sind, wohingegen das hier nicht angenommen wird? Natürlich sind die Parteien hier weniger schutzwürdig aber bei der Beurkundung von 120.000€ ist die Warn- und Beratungsfunktion ja wohl auch erfüllt.
AngeD
11.3.2025, 15:42:26
„Die Vereinbarung der Falschangabe des Kaufpreises zum Zwecke einer Steuerhinterziehung hat
rechtlich etwas Anstößiges. Sie schlägt aber nur auf den gesamten Vertrag durch und lässt den Vertrag selbst nur dann als
rechtlich anstößig erscheinen, wenn die verbotene Steuerhinterziehung den von den Parteien beabsichtigten Hauptzweck des Vertrags bildet.“ Ich verstehe hier die Argumentation nicht. In meinen Augen ist die Steuerhinterziehung der Hauptzweck, weshalb ich einen Kaufvertrag vordergründig iHv 120k statt 150k abschließe. 🤷🏼♀️