Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Stellvertretung

Stellvertretung oder eigene Verpflichtung? - Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs

Stellvertretung oder eigene Verpflichtung? - Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs

3. Juli 2025

13 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Hausmann M kümmert sich um das Eigenheim, während seine Ehefrau F auf Geschäftsreise ist. Als die Waschmaschine kaputt geht, kauft M ohne Rücksprache mit F ein neues Gerät bei U auf Rechnung zu einem Preis, der den Lebensverhältnissen der Ehegatten entspricht. U verlangt Zahlung von F, weil M kein eigenes Einkommen besitzt.

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Einordnung des Falls

Stellvertretung oder eigene Verpflichtung? - Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M hat F wirksam gegenüber U vertreten (§ 164 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Voraussetzung für eine wirksame Stellvertretung sind: (1) die Zulässigkeit der Stellvertretung, (2) die Abgabe einer eigenen Willenserklärung des Vertreters, (3) im Namen des Vertretenen, (4) innerhalb seiner Vertretungsmacht. M hat jedoch nicht deutlich gemacht, dass er in fremden Namen handelt. Nach dem Offenkundigkeitsprinzip muss der Vertreter entweder ausdrücklich (§ 164 Abs. 1 S. 2. Alt. 1 BGB) oder konkludent (§ 164 Ab. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft Fremdwirkung entfalten soll. M hat nicht offengelegt, F zu vertreten. Damit fehlt es hier an der Offenkundigkeit für eine wirksame Stellvertretung.
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2. Es handelt sich um ein Geschäft für den, den es angeht, bei dem eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsgrundsatz gemacht wird.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip liegen immer dann vor, wenn der Geschäftspartner nicht schutzwürdig in Bezug auf die Fremdwirkung ist. Das liegt insbesondere bei Bargeschäften des täglichen Lebens vor, bei denen die Leistungen sofort ausgetauscht werden (sog. verdeckte Geschäft für den, den es angeht). Dem Geschäftsgegner ist sein Geschäftspartner hier völlig gleichgültig. Hier kauft M die Waschmaschine auf Rechnung, es handelt sich somit um kein Bargeschäft. Gleichzeitig haben Waschmaschinen einen erheblichen Wert, weshalb der Verkäufer Interesse an einem liquiden Vertragspartner hat.

3. Ehepartner können auch ohne wirksame Stellvertretung durch den anderen Ehegatten verpflichtet werden (§ 1357 BGB).

Ja!

Nach § 1357 Abs. 1 BGB ist jeder Ehegatte dazu berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten kraft Gesetzes berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Sinn und Zweck ist es dabei, beiden Ehepartnern eine eigenverantwortliche Haushaltsführung zu ermöglichen, unabhängig davon, ob sie eigenes Einkommen oder Vermögen besitzen (sog. Schlüsselgewalt).

4. Der Kauf der Waschmaschine ist ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs (§ 1357 BGB).

Genau, so ist das!

Als Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs zählt alles, was zur Haushaltsführung und der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse der Ehepartner und der Kinder erforderlich ist. Der Begriff ist weit zu verstehen, da darunter auch außergewöhnliche Geschäfte fallen können, die keinen Aufschub dulden, z.B. die Unterbringung eines Kindes im Krankenhaus. Grundlagengeschäfte wie z.B. Abschluss und Kündigung von Mietverträgen sind jedoch nicht umfasst. Angemessen ist das Geschäft, wenn es von einem Ehegatten selbstständig, also auch ohne vorherige Absprache mit dem anderen Ehegatten, getätigt werden kann. Hierbei kommt es auf den äußerlich erkennbaren Zuschnitt der individuellen Verhältnisse an, wie er sich für den objektiven Betrachter darstellt. Bei dem Kauf der Waschmaschine handelt es sich um ein Geschäft zur Haushaltsführung, das auch den Verhältnissen der Ehegatten entspricht.

5. U kann von F Zahlung des Kaufpreises für die Waschmaschine verlangen (§ 433 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Voraussetzung für die Zahlung des Kaufpreises ist das Bestehen eines wirksamen Kaufvertrags (§ 433 BGB). Vorliegend haben sich nur M und U über den Kauf der Waschmaschine geeinigt. Für eine Stellvertretung der F durch M mangelte es an der Offenkundigkeit. Jedoch wurde sie als Ehepartnerin des M kraft Gesetzes mitverpflichtet, da es sich bei dem Kauf um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs handelt (§ 1357 BGB). Damit sind M und F Gesamtschuldner (§ 421 BGB). Mithin kann U die Zahlung des Kaufpreises sowohl von M als auch von F verlangen. Gleiches gilt auch für die eingetragene Lebenspartnerschaft (§ 8 Abs. 2 LPartG).
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