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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V eine Wohnung. Dann wird ihm bekannt, dass V ihn über Schimmelbefall getäuscht hat. Dennoch schreibt K dem V: „Mit dem Erwerb der Wohnung bin ich trotz Schimmels vollumfänglich zufrieden. Zum Glück habe ich den Kaufvertrag unterschrieben!“ Später verlangt K Rückzahlung des Kaufpreises wegen arglistiger Täuschung.

Einordnung des Falls

Schadensersatz trotz Bestätigung eines Vertrages

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Rücktritts nach §§ 437 Nr. 2, 323 BGB liegen vor.

Genau, so ist das!

Die Kaufsache war bei Gefahrübergang mangelhaft (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung durch K bedurfte es nicht: Diese ist nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 entbehrlich, weil eine arglistige Täuschung vorlag (Ernst, in: MüKo BGB, § 323, RdNr. 127). Dem stünde selbst ein zwischen den Parteien vereinbarter Gewährleistungsausschluss nicht entgegen. Denn gemäß § 444 BGB kann sich der Verkäufer auf eine derartige Vereinbarung bei arglistigem Verschweigen nicht berufen.

2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines „großen“ Schadensersatzes (also Schadensersatz statt der ganzen Leistung) gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1,3, 281 Abs. 1 S. 3 BGB liegen vor.

Ja, in der Tat!

Der Schadensersatz statt der ganzen Leistung gemäß §§ 281 Abs. 1 S. 3 BGB meint den Fall, dass der Käufer die Sache zurückgibt (§ 281 Abs. 5 BGB) und dafür sein (positives) Interesse in Geld erstattet erhält.Die Voraussetzungen liegen vor: V hat die Pflicht zur ordnungsgemäßen Leistung („Gutleistungspflicht“) verletzt. Das Vertretenmüssen wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die Pflichtverletzung ist erheblich, da der Schimmelbefall dem Kaufgegenstand die Brauchbarkeit völlig nimmt.

3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruches auf Vertragsaufhebung gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB liegen vor.

Ja!

V hat den K bei der Anbahnung des Vertrages getäuscht (=Pflichtverletzung). Dieses Verhalten hat er auch zu vertreten. Rechtsfolge nach § 249 Abs. 1 BGB: Aufhebung des Vertrages. Umstritten ist, ob der Anspruch ausgeschlossen ist, wenn gleichzeitig ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung besteht. Denn damit wird die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB unterlaufen und eine Möglichkeit zur Vertragsaufhebung auch bei fahrlässiger Täuschung geschaffen. BGH: Beiden Konzepten liege ein unterschiedlicher Schutzzweck zugrunde. Das Anfechtungsrecht schütze die Willensbildung, der Anspruch aus § 311 Abs. 2 BGB das Vermögen. Daher stünden die Rechte nebeneinander, wenn ein Vermögensschaden vorliegt (umstritten, siehe Medicus, Bürgerliches Recht, RdNr. 150).

4. K kann Rückzahlung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verlangen, wenn er den Vertrag wirksam anficht.

Genau, so ist das!

V hat einen vermögenswerten Vorteil („etwas“ im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB) erlangt, nämlich den Auszahlungsanspruch gegen seine Bank. Dies geschah durch bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung seitens des K, nämlich durch Leistung in Erfüllung der Pflicht aus dem Kaufvertrag. Sofern die Anfechtung wirkt, besteht gemäß § 142 „ex tunc“ kein Rechtsgrund.

5. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB liegen vor.

Ja, in der Tat!

K wurde durch seinen Vertragspartner V arglistig getäuscht, § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Diese Täuschung war auch kausal für den Vertragsschluss („durch“ … „bestimmt“). Achtung: Eine Drohung von irgendeiner (!) Person führt zur Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäfts. Hingegen kommt eine arglistige Täuschung nur durch den Vertragspartner oder diesem nahe stehende Personen in Betracht (dem Vertragspartner steht gleich, wessen Verhalten dem Vertragspartner nach dem Rechtsgedanken des § 278 BGB zuzurechnen ist, sogenannte „Lagertheorie“). Bei einer Täuschung durch Dritte (hier nicht der Fall) wäre die Erklärung nur nach Maßgabe des § 123 Abs. 2 BGB anfechtbar!

6. Die Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB ist vorliegend dennoch ausgeschlossen.

Ja!

Die Erklärung des K gegenüber V ist eine Bestätigung im Sinne des § 144 BGB. BGH: Die Bestätigung setzte keine ausdrückliche Erklärung voraus, es genüge ein Verhalten, das den Willen offenbare, trotz Kenntnis der Anfechtbarkeit an dem Rechtsgeschäft festzuhalten. Weil Teilnehmer am Rechtsverkehr nicht ohne Weiteres auf bestehende Befugnisse zu verzichten bereit zu sein pflegen, seien an die Annahme einer Bestätigung durch schlüssiges Verhalten strenge Anforderungen zu stellen. Hier ergebe sich aus dem Wortlaut „vollumfänglich zufrieden“ und „Glück“ sowie der gesamten Umstände, dass die Erklärung keine bloße Höflichkeitsformel sei. K habe damit vielmehr zum Ausdruck bringen wollen, die Wirksamkeit des Vertrages nicht infrage zu stellen.

7. Die Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts als solches schließt Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung und Vertragsaufhebung aus.

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 144 BGB ist auf die schadensrechtliche Vertragsaufhebung nicht unmittelbar anwendbar, sodass die Bestätigung diese nicht ausschließt (BGH, RdNr. 20).

8. Die Bestätigung enthält ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages (§ 397 BGB) hinsichtlich aller aus dem Anfechtungstatbestand folgender Ansprüche.

Ja, in der Tat!

BGH: Es bedürfe einer Auslegung im Einzelfall, ob in der Bestätigungserklärung zugleich ein Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages enthalten sei. In aller Regel sei der Wille aber dahin gehend aufzufassen, dass Ansprüche erfasst seien, die die Wirksamkeit des Vertrages infrage stellen. Ausgeschlossen seien also Ansprüche, die wirtschaftlich einer Rückabwicklung entsprechen. Denn diese Folge würde durch die Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts ja ebenfalls ausgeschlossen. Vorliegend enthält die Bestätigung daher einen Antrag auf Abschluss eines Erlasssvertrages. Damit sind auch Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung und Rückabwicklung ausgeschlossen (BGH, RdNr. 21ff.).

9. Gemäß § 151 S. 1 BGB ist die Annahme des Angebots auf Erlass eines Erlassvertrages entbehrlich.

Nein!

Nach § 151 S. 1 BGB ist lediglich der Zugang der Willenserklärung bei der Gegenseite entbehrlich. Nicht entbehrlich ist aber weiterhin die Erklärung als solche (keine Erklärung durch Schweigen). An diese seien allerdings geringe Anforderungen zu stellen. Regelmäßig genüge die Untätigkeit des Erklärungsgegners als Bestätigung des Annahmewillens (BGH, RdNr. 28).

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WH

Whiskey

15.11.2021, 19:17:44

Zwar ist die Anfechtung des Rechtsgeschäfts infolge der Bestätigung ausgeschlossen, aber könnte der Betroffene im vorliegenden Fall nicht die Bestätigung selbst als Willenserklärung anfechten, wenn er bei deren Abgabe einem Irrtum (etwa über das Ausmaß des Schimmelbefalls) unterlag?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.11.2021, 20:13:58

Hallo Whiskey, in der Tat handelt es sich bei der Bestätigung um eine Willenserklärung, die selbstständig ebenfalls angefochten werden kann. Allerdings müsste es natürlich auch für diese Anfechtung einen entsprechenden Anfechtungsgrund geben. Im Sachverhalt gibt es dafür in diesem Beispiel keinen Anhaltspunkt. Besteht die von Dir eingebrachte Abwandlung, dass sich K über den Umfang des Befalls und damit auch dem Umfang seiner Bestätigung irrt, könnte dies wohl als Inhaltsirrtum zu qualifizieren sein, der für sich genommen zur Anfechtung der Bestätigung berechtigen würde. Dadurch wäre auch das ursprüngliche Geschäft wieder anfechtbar. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

WH

Whiskey

15.11.2021, 20:25:37

Besten Dank für die schnelle und hilfreiche Antwort 👍

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.11.2021, 21:23:10

Immer wieder gerne :-)


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