Strafrecht

BT 5: Verkehrsdelikte

Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, § 315b StGB

§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB: Bereiten von Hindernissen ("Pervertierung") – konkrete Gefährdung fehlt

§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB: Bereiten von Hindernissen ("Pervertierung") – konkrete Gefährdung fehlt

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T tätigt während des Abbiegevorgangs ohne äußeren Anlass eine Vollbremsung. Wie von T beabsichtigt, kann O nicht mehr rechtzeitig bremsen und fährt mit mäßiger Geschwindigkeit hinten auf. An dem Pkw des O entsteht ein Schaden (€160).

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Einordnung des Falls

§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB: Bereiten von Hindernissen ("Pervertierung") – konkrete Gefährdung fehlt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T den Auffahrunfall gezielt herbeiführte, hat sie einen unter § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB fallenden "Außeneingriff" vorgenommen.

Nein!

§ 315b StGB erfasst im Gegensatz zu § 315c StGB grundsätzlich gerade keine Vorgänge des fließenden oder ruhenden Verkehrs, sondern nur verkehrsfremde Einwirkungen (sog. Außeneingriffe). Bei dem gezielten Herbeiführen des Auffahrunfalls handelt es sich äußerlich betrachtet um einen Vorgang des fließenden Verkehrs, also um ein verkehrsinternes Verhalten.
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2. Indem T den Auffahrunfall gezielt herbeiführte, hat sie einen unter § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB fallenden "verkehrsfeindlichen Inneneingriff" vorgenommen.

Genau, so ist das!

Ausnahmsweise wird die Sperrwirkung des grundsätzlich abschließenden § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB bei verkehrsinternen Verhaltensweisen durchbrochen. Dafür muss der Verkehrsteilnehmer den Verkehrsvorgang zu einem verkehrsfeindlichen Inneneingriff pervertieren. Ein verkehrsfeindlicher Inneneingriff erfordert, dass objektiv durch grobe Einwirkung von einigem Gewicht und subjektiv in verkehrsfeindlicher Absicht in die Sicherheit des Straßenverkehrs eingegriffen wird, was gegeben ist, wenn ein Pkw als Waffe oder Schadenswerkzeug zweckentfremdet wird. Nach st.Rspr. muss (mindestens bedingter) Schädigungsvorsatz hinzukommen. Wenn der Täter absichtlich einen Unfall provoziert, ist nach h.M. sogar bei äußerlich korrekter Teilnahme am Straßenverkehr eine Pervertierung anzunehmen. T hat den Auffahrunfall gezielt herbeigeführt und ein "Hindernis bereitet" (§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB).

3. Indem T den Auffahrunfall gezielt herbeiführte, hat sie "die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt" (§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

"Zwischenerfolg" des § 315b StGB ist die (abstrakte) Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs. Diese ist eingetreten, wenn der Eingriff sich störend auf Verkehrsvorgänge auswirkt und so zu einer Steigerung der allgemeinen Verkehrsgefahr führt. Der im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommene Inneneingriff der T hat die normale Verkehrsgefahr erheblich gesteigert.

4. Es bestand eine "konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert" (§ 315b Abs. 1 Hs. 2 StGB).

Nein!

Eine konkrete Gefährdung liegt vor, wenn es zu einer Schädigung oder einem Beinahe-Unfall kommt. Fremde Sache von bedeutendem Wert ist jede täterfremde Sache, die einen bedeutenden Verkehrswert hat, der mindestens in dieser Höhe durch die Tat verringert worden ist oder verringert zu werden drohte. Während die Wertuntergrenze teilweise bei €1.000 oder €1.300 gezogen wird, nimmt die h.M. einen bedeutenden Wert ab €750 an. Der entstandene Fremdschaden (€160) ist unbedeutend. Angesichts der mäßigen Auffahrgeschwindigkeit sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass am Pkw des O ein Schaden bedeutenden Umfangs konkret drohte.

5. Der Versuch der Vorsatztat aus §§ 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1 StGB ist straflos.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Mangels Tatvollendung kommt allenfalls eine Versuchsstrafbarkeit der T in Betracht. Hier könnte T gehandelt haben, um einen Unglücksfall herbeizuführen (§ 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) und eine andere Straftat zu ermöglichen (§ 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB). Da die über § 315b Abs. 3 StGB anwendbaren Qualifikationen des § 315 Abs. 3 StGB im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bedroht sind, handelt es sich um Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB).
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