Strafrecht
BT 5: Verkehrsdelikte
Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, § 315b StGB
§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB: Bereiten von Hindernissen ("Pervertierung") – konkrete Gefährdung fehlt
§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB: Bereiten von Hindernissen ("Pervertierung") – konkrete Gefährdung fehlt
20. Mai 2025
22 Kommentare
4,6 ★ (19.077 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T tätigt während des Abbiegevorgangs ohne äußeren Anlass eine Vollbremsung. Wie von T beabsichtigt, kann O nicht mehr rechtzeitig bremsen und fährt mit mäßiger Geschwindigkeit hinten auf. An dem Pkw des O entsteht ein Schaden (€160).
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB: Bereiten von Hindernissen ("Pervertierung") – konkrete Gefährdung fehlt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T den Auffahrunfall gezielt herbeiführte, hat sie einen unter § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB fallenden "Außeneingriff" vorgenommen.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem T den Auffahrunfall gezielt herbeiführte, hat sie einen unter § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB fallenden "verkehrsfeindlichen Inneneingriff" vorgenommen.
Genau, so ist das!
3. Indem T den Auffahrunfall gezielt herbeiführte, hat sie "die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt" (§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
4. Es bestand eine "konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert" (§ 315b Abs. 1 Hs. 2 StGB).
Nein!
5. Der Versuch der Vorsatztat aus §§ 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1 StGB ist straflos.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vulpes
4.8.2020, 19:17:22
Hier geht es um ein konkretes Gefährdungsdelikt, oder nicht? Durch den Unfall als Erfolg entstand ein
Schadenvon nicht erheblichen 160€, okey. Aber hier
waren zwei Autos beteiligt, wobei eine sehr
konkrete Gefahrbestand, dass der
Schadenmehrere Tausend Euro betragen könnte (Karosserie und Lack
schaden). Bei konkreten Gefährdungsdelikten geht es soweit ich weiss nicht darum wie hoch die
Schadenssumme ausfällt, sondern wie hoch sie ausfallen hätte können. Die Strafbarkeit wegen einem
vollendeten gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr hätte somit eigentlich bejaht werden müssen, oder?

Jana-Kristin
20.8.2020, 10:17:32
Das vom Täter geführte Fahrzeug fällt ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse nicht in den Schutzbereich der Vorschrift. Das Fahrzeug als notwendiges Werkzeug kann nicht gleichzeitig Schutzobjekt des Straßenverkehrs sein (vgl. Rengier, BT II, 44 Rn. 22).

Vulpes
20.8.2020, 11:12:16
Das Auto des O reicht völlig aus.
Elisabeth
22.8.2020, 21:54:59
Es wird ja bei der konkreten Gefährdung unterschieden zwischen Vorliegen eines Beinaheunfalls und einer Schädigung (im vorliegenden Fall). Meines Wissens wird das Bejahen eines Beinaheunfalls restriktiv angewendet, also z.b. nur dann wenn es aufgrund reinem Glücks nicht zu einem Unfall gekommen ist. Könnte mir das mit dem hohen Strafrahmen erklären, oder auch Strafzweck ist ja die Sicherheit des Straßenverkehrs, bei einem reinem geringen „Blech
schaden“ ist der Strafzweck nicht hinreichend betroffen? Gerade für das Bejahen eines solchen Beinaheunfalls gab es im Sacher halt zu wenig Angaben und die Schädigungssumme war unterhalb der Geringfügigkeitsschwelle, so könnte man begründen, dass in dem Fall keine hinreichende konkrete Gefährdung vorlag.


TeamRahad 🧞
22.4.2021, 10:01:26
@Adrian zu deiner ursprünglichen Frage: Das habe ich auch gedacht und deshalb die
konkrete Gefahrbejaht. In der Erklärung zur Frage wird aber damit argumentiert, dass das Auffahren ja nur mit "mäßiger Geschwindigkeit" passiert ist und deswegen konkret kein
Schadenüber der Erheblichkeitsgrenze gedroht hat. Ich denke, in einer Klausur (und im echten Leben) hätte man wahrscheinlich mehr Infos und könnte das besser beurteilen :) Kann natürlich sein, dass der Fall inzwischen angepasst wurde und die passende Erläuterung noch nicht da war, als du deine Frage gestellt hast 🤷😊

Lukas_Mengestu
28.10.2021, 13:44:22
Hallo zusammen, ihr habt völlig Recht, dass es nicht auf den konkreten
Schadenankommt, sondern auf die Gefährdung. Für diese bedarf es aber konkreter Anhaltspunkte im Sachverhalt. Bei Jurafuchs übernehmen wir die Arbeit den Sachverhalt zu erstellen für euch, in der Klausur erfolgt dies durch die Prüfer/Prüfungsamt und im echten Leben beschäftigten sich damit die
Tatsachengerichte. In einer Klausur muss man dann unter die bestehenden Sachverhaltsinformationen subsumieren und nichts anderes bleibt dem BGH als Revisionsinstanz übrig. In dem vorliegenden Fall hat er den
Schuldspruch des Ausgangsgerichtes von einem
vollendeten gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einem versuchten Eingriff in den Straßenverkehr abgeändert (vgl. § 354 Abs. 1 StPO), da es die
Tatsachenbasis als nicht ausreichend erachtete, um hier eine konkrete Gefährdung anzunehmen. Auch im echten Leben hat man insofern nicht alle Informationen, die man gerne hätte :D. Aber es wäre auch nicht "falsch", an dieser Stelle zu einem anderen Ergebnis zu kommen, denn gerade bei Autos ist man mittlerweile selbst bei kleinen Unfällen schnell im vierstelligen Bereich. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Vallowitz
30.1.2022, 15:07:21
Hallo! Den letzten Teil verstehe ich nicht, bleiben nach § 12 II Qualifikationen nicht außer Betracht für die Bewertung als Verbrechen? Danke 🦊

Vallowitz
30.1.2022, 15:10:24
12 III natürlich
Victor
30.1.2022, 21:26:05
Faby
2.11.2023, 10:56:30
Hallo, eine Versuchsstrafbarkeit besteht doch schon durch
§ 315bAbs. 2 StGB. Wieso dann der Umweg der Argumentation über ein Verbrechen nach §
315 StGB? Und welche andere Straftat sollte ermöglicht werden? Ich finde die Erklärung zu dünn, um das an der Stelle nachvollziehen zu können :)

Nora Mommsen
2.11.2023, 17:58:40
Hallo Faby, § 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 StGB stellt eine Qualifikation zu § 315 b Abs. 1 StGB dar. Es kommt also nicht allein auf die bereits bestehende Strafbarkeit an, sondern ob zusätzlich ein Qualifikationsmerkmal erfüllt ist. Dieser Tatbestand der Qualifikation des
§ 315bStGB wird sehr gerne übersehen in Klausuren, den sollte man bei der Prüfung daher gedanklich immer im Kopf behalten. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Burumar🐸
12.7.2024, 18:28:15
jomolino
19.9.2024, 15:02:39
Ich würde annehmen, weil hier eben auch der Quali-Tatbestand erfüllt ist. Daher auch die Versuchsstrafbarkeit des qualifizierten Tatbestands. Finde den Sachverhalt aber auch etwas dünn.
David
9.4.2024, 11:06:03
Hallo Jurafuchs-Team, § 315c StGB setzt tatbestandlich nicht den Eintritt eines
Schadens voraus, auch dann nicht, wenn wir es mit einem verkehrs
fremden Inneneingriff zu tun haben. Hier muss lediglich der
Vorsatzauf Verletzung und nicht nur auf Gefährdung gerichtet sein. Demnach kommt es auch nicht auf den letztlich eingetretenen
Schaden(160 EUR) an, sondern auf die den
Schadenvermittelnde Gefahr, die nicht zwingend mit dem eingetretenen
Schadenidentisch sein muss.
Timurso
9.4.2024, 14:19:43
Siehe dazu die Diskussion darunter. Die Lösung geht hier mMn ebenfalls nicht davon aus, dass es auf den
Schadenankommt.

Tiwi
10.12.2024, 23:34:58
bei Frage 2 wird in der Lösung von § 315c statt
§ 315bStGB gesprochen. Verlinkt ist ebenfalls § 315c. Mit Blick auf Frage und Inhalt der Antwort würde ich die Behauptung aufstellen, dass sich hier ein Tippfehler eingeschlichen hat. LG
Vincent
15.1.2025, 17:11:53
Das Gesetz liest sich so, dass die Sache von bedeutendem Wert, nicht aber der
Schadeneine bestimmte Höhe haben muss. Wie erklärt sich dieses ungeschrieben Tatbestandsmerkmal, denn das Auto an sich ist ja eben eine Sache von bedeutendem Wert.
Vanilla Latte
5.4.2025, 03:16:23

'Jimmy' McGill
9.4.2025, 18:31:02
Im Fischer Kommentar steht hierzu nur, dass die Prüfung einer Gefährdung einer
fremden Sache von bedeutendem Wert in zwei Prüfungsschritten erfolgen muss: 1. muss die gefährdete Sache von bedeutendem Wert sein 2. muss der Sache sodann ein
Schadenbedeutenden Ausmaßes (= lt. Rspr. ab 750 EUR) drohen. Das einer Sache von bedeutendem Wert nur ein unbedeutender
Schadendroht, reicht daher nicht aus. Wenn ich den
Beschlussvom OLG Hamm (Az.: 4 RVs 48/21) richtig verstanden habe, ist hier letztlich immer auf die Höhe des drohenden
Schadens abzustellen. Der Drohende
Schadenlässt sich ja aber nur berechnen, wenn man auch den Wert der einzelnen gefährdeten Sachen kennt. Schritt 1. ist somit immer nur notwendige Voraussetzungen um überhaupt Schritt 2. durchführen zu können. D.h. logischerweise müsste bei Gefährdung von zwei KFZ mit einem Wert von jeweils 500 EUR auch eine Gefährdung von
fremden Sachen von bedeutendem Wert in Betracht kommen können, wenn beide Kfz in vollem Ausmaß gefährdet wurden (Weil 2x 500 > 750 EUR drohender
Schaden). So auch OLG Karlsruhe NJW 1961, 133 LS; Pegel in: MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 315c Rdn. 96: Bei mehreren gefährdeten Sachen kommt es auf deren Gesamtwert an. Das widerspricht zwar im Ergebnis irgendwie der Zweischrittigen Prüfung, so wie sie im Fischer vorgestellt wird (weil 1. schon nicht erfüllt wäre, wenn die Sache nicht von bedeutendem Wert ist). Ich glaube im Fischer wurde aber einfach auf den Fall abgestellt, dass nur eine Sache gefährdet ist. Dann kann ein
Schadenbedeutenden Ausmaßes natürlich nur vorliegen, wenn auch die eine Sache von bedeutendem Wert ist.
HanDerenoglu
12.2.2025, 23:18:21
es gibt kein 315 III 1a oder b
Vanilla Latte
5.4.2025, 03:15:36