Zivilrecht
Bereicherungsrecht
Umfang des Bereicherungsanspruchs
Keine Herausgabe des commodum ex negotiatione
Keine Herausgabe des commodum ex negotiatione
19. Mai 2025
22 Kommentare
4,8 ★ (5.001 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft ein Pferd an K für €3000. Das Pferd verkauft K weiter für €5000. Später ficht V das Rechtsgeschäft wirksam an und verlangt Herausgabe des aus dem Verkauf Erlangten (§ 818 Abs. 1 BGB) aus der gegebenen Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
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Einordnung des Falls
Keine Herausgabe des commodum ex negotiatione
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Anspruch auf Herausgabe des Surrogats erfasst auch das, was der Bereicherungsschuldner durch einen Verkauf erlangt hat (§ 818 Abs. 1 BGB).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Juliane May
18.7.2022, 09:05:43
Wie wäre der Fall zu betrachten, wenn K das Pferd für 2000€ verkauft? Müsste er dann trotzdem den Wert ersetzen (also 3000€ bezahlen) und würde somit 1000€ verlieren?

Nora Mommsen
3.8.2022, 11:39:36
Hallo Juliane Mayo, in diesem Fall könnte sich K gebenenfalls auf §
818 Abs. 3 BGBberufen. Dieser schützt den gutgläubigen Bereicherungs
schuldner im Falle der
Entreicherung. K müsste also nur insoweit Wertersatz leisten, wie er noch bereichert ist. In deinem Beispiel also in Höhe von 2000 €. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Zlatan1328
3.9.2023, 12:40:57
Den Herausgabeanspruch auf 2000€ zu beschränken wäre mEn nicht konsequent. Das würde ja bedeuten, dass das Verkaufsgeschick des S nur soweit berücksichtigt wird, wie er schlecht verkauft. Wenn er gut verkauft, dann kann er seinen Gewinn ja behalten.

Major Tom(as)
22.11.2024, 10:05:26
Inwieweit der S den objektiven Wert oder den tatsächlichen Erlös (ob zu viel oder zu wenig) herausgeben muss, ist tatsächlich umstritten (auch, wenn es eine starke h.M. gibt). Dafür, dass der objektive Wert unabhängig des Verhandlungsgeschicks herauszugeben ist, plädiert mE überzeugend z.B. Schwab (MüKo BGB; § 818; Rn. 341): "Infolge dieses Umstands hat (d)er Empfänger nicht den Veräußerungserlös erlangt, sondern die Befreiung von der Verbindlichkeit, den betreffenden Gegenstand zu übereignen. Diese
Schuldbefreiung ist objektiv so viel wert wie der veräußerte Gegenstand selbst; herauszugeben ist daher nur der objektive Wert. Den verschärft haftenden Empfänger trifft damit die Pflicht, diesen Wert zu ersetzen, und zwar ohne Rücksicht darauf, inwiefern er um die
Schuldbefreiung noch bereichert ist. Die ganz hM, wonach § 285 einen Anspruch auf den Veräußerungserlös gewährt, ist daher abzulehnen."
David.
26.7.2023, 20:26:36
§ 285 wäre in diesem Fall aber nicht anwendbar, weil hier 818 II, III Lex Specialis sind oder?
Leo Lee
3.8.2023, 12:25:15
Hallo David,
§ 285 BGBist wie du richtigerweise anmerkst nicht zu prüfen, da hier die Voraussetzungen von §§ 818 IV, 819 I BGB nicht vorliegen. Insofern sind die § 818 II, III BGB "lex Specialis", wobei dieser Begriff i.V.m. mit den §§ 818 f. BGB nicht wirklich genutzt wird :) Liebe Grüße Leo

ajboby90
19.3.2024, 13:36:47
Der Vollständigkeit halber: außerhalb des
Bereicherungsrechts kann der Gewinn durch Verhandlungsgeschick auch aus GoA heraus verlangt werden. (Es gibt also drei AGLs im gesamten Zivilrecht, nach denen dies möglich ist.)

Juraddicted
3.1.2025, 11:14:04
Danke! :) Würde die GoA dann (hier) am
fremden Geschäft und
Fremdgeschäftsführungswillen hier (trotz Anfechtung) scheitern?

FW
15.11.2024, 09:13:31
Hi, Ich verstehe nicht ganz warum das
rechtsgeschäftliche Surrogat über § 818 IV, 819 I, 285 herauszugeben ist. Ich dachte § 285 verlangt eine wirtschaftliche Identität zwischen untergegangen Gegenstand und dem als Ersatz erlangten Gegenstand. Typischerweise sind das ja Versicherungsleistungen. Der Verkaufserklös ist aber gerade nicht als Ersatz anzusehen, welcher quasi den Wert ersetzen soll und an Stelle des ursprünglich Gegenstandes tritt, sondern eine adäquate, im Vertrag ausgehandelte Gegenleistung. Könntet ihr das noch genauer erlöuternV

Major Tom(as)
22.11.2024, 09:56:42
Aus meiner Sichtweise ist das Problem, das du beschreibst, weniger ein Problem der wirtschaftlichen Identität als der Kausalität: Denn irgendwo soll die Gegenleistung für mich ja gerade das, was ich verkaufe in meinem Vermögen als gleichwertig ersetzen. Ich schließe allgemein Verträge ab, um mein Vermögen in das "umzuwandeln" was ich gerne haben möchte - ob das eine Kaufsache, etwas Getauschtes oder auch die Arbeitsleitung meiner Arbeitnehmerin ist. Hier soll nach herrschender Meinung sehr großzügig entschieden werden, entscheidend ist, dass ich die Sache "für" eine andere erlange. Problematisch ist aber, dass ich die Gegenleistung ja grds. durch ein
Verfügungsgeschäftmeiner Vertragspartnerin erlange und die Sache selbst in einem anderen
Verfügungsgeschäftveräußere - "infolge" (§ 285 I) der Verfügung über den Gegenstand erlange ich grds. nichts außer einer Befreiung von meinem Anspruch. (und dies ist kein "Ersatz" oder "Ersatzanspruch" i.S.d. Norm - a.A. Teilansicht in der Literatur: Diese Befreiung sei so viel wert wie der Gegenstand obj. wert ist, daher sei dieser zu ersetzen) Die beiden Erwerbstatbestände sind nur über das
Kausalgeschäftverknüpft. Deswegen ist es tatsächlich umstritten, ob das commodum ex negatiatione cum re auch vom § 285 umfasst ist. Die herrschende Meinung wendet die Norm aber mit Blick auf den Telos des § 285, die durch § 275 I (Gläubigerin trägt die
Leistungsgefahr) unbillige Verteilung von Vermögenswerten auszugleichen (jedenfalls analog) an. (Wo man das Problem "einsortiert", ist vermutlich aber ohnehin Geschmackssache, irgendwo entsprechen sich die Punkte ja auch ein Stück weit) Vielleicht hilft das schon mal weiter, bis Jurafuchs dazu kommt, zu antworten :)
millisiewert
27.3.2025, 13:50:18
Aber über § 816 I 1 BGB wäre auch der verhandelte Mehrkaufpreis herauszugeben?
hardymary
31.3.2025, 16:48:50
Hier nicht, weil nicht als Nichtberechtigter verfügt wurde. Aber generell kann (aber str.) auch der Mehrkaufpreis nach § 816 I 1 herausverlangt werden
Leo Lee
19.4.2025, 07:30:13
Hallo millisiewert, vielen Dank für diese sehr gute und vor allem klausurrelevante Frage! Wie hardymary richtigerweise anmerkt, stellt sich hier - abseits von diesem konkreten Fall - generell die Frage, was unter "erlangt" zu verstehen ist (obj. Wert oder Gewinn). Diese Frage ist ein wahrer Klassiker, weshalb sie unbedingt zu beherrschen ist. Deshalb am besten bei dieser Gelegenheit wiederholen. Wenn 816 relevant wird aufgrund unberechtigter Verfügung, kann man sich eig. fast schon immer sicher sein, dass auch dieser Streit zu behandeln sein wird. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Schwab § 816 Rn. 39 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo