Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Umfang des Bereicherungsanspruchs

Keine Herausgabe des commodum ex negotiatione

Keine Herausgabe des commodum ex negotiatione

19. Mai 2025

22 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

V verkauft ein Pferd an K für €3000. Das Pferd verkauft K weiter für €5000. Später ficht V das Rechtsgeschäft wirksam an und verlangt Herausgabe des aus dem Verkauf Erlangten (§ 818 Abs. 1 BGB) aus der gegebenen Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

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Einordnung des Falls

Keine Herausgabe des commodum ex negotiatione

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Anspruch auf Herausgabe des Surrogats erfasst auch das, was der Bereicherungsschuldner durch einen Verkauf erlangt hat (§ 818 Abs. 1 BGB).

Nein!

Nach ganz h.M. erfasst die Herausgabepflicht aus § 818 Abs. 1 BGB nicht das, was der Bereicherungsschuldner durch ein von ihm abgeschlossenes Rechtsgeschäft (z.B. Kauf, Tausch) anstelle des Bereicherungsgegenstands erworben hat (sog. commodum ex negotiatione). Der Gläubiger soll nicht von dem Verkaufsgeschick des Schuldners profitieren. Der Schuldner hat lediglich Wertersatz für den Bereicherungsgegenstand zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). K hat lediglich Wertersatz für das Pferd zu leisten. Er hat nicht die €5000 herauszugeben. Rechtsgeschäftliche Surrogate sind nur nach §§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB und nach § 818 Abs. 4, 285 BGB herauszugeben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juliane May

Juliane May

18.7.2022, 09:05:43

Wie wäre der Fall zu betrachten, wenn K das Pferd für 2000€ verkauft? Müsste er dann trotzdem den Wert ersetzen (also 3000€ bezahlen) und würde somit 1000€ verlieren?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

3.8.2022, 11:39:36

Hallo Juliane Mayo, in diesem Fall könnte sich K gebenenfalls auf §

818 Abs. 3 BGB

berufen. Dieser schützt den gutgläubigen Bereicherungs

schuld

ner im Falle der

Entreicherung

. K müsste also nur insoweit Wertersatz leisten, wie er noch bereichert ist. In deinem Beispiel also in Höhe von 2000 €. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

ZLA

Zlatan1328

3.9.2023, 12:40:57

Den Herausgabeanspruch auf 2000€ zu beschränken wäre mEn nicht konsequent. Das würde ja bedeuten, dass das Verkaufsgeschick des S nur soweit berücksichtigt wird, wie er schlecht verkauft. Wenn er gut verkauft, dann kann er seinen Gewinn ja behalten.

Major Tom(as)

Major Tom(as)

22.11.2024, 10:05:26

Inwieweit der S den objektiven Wert oder den tatsächlichen Erlös (ob zu viel oder zu wenig) herausgeben muss, ist tatsächlich umstritten (auch, wenn es eine starke h.M. gibt). Dafür, dass der objektive Wert unabhängig des Verhandlungsgeschicks herauszugeben ist, plädiert mE überzeugend z.B. Schwab (MüKo BGB; § 818; Rn. 341): "Infolge dieses Umstands hat (d)er Empfänger nicht den Veräußerungserlös erlangt, sondern die Befreiung von der Verbindlichkeit, den betreffenden Gegenstand zu übereignen. Diese

Schuld

befreiung ist objektiv so viel wert wie der veräußerte Gegenstand selbst; herauszugeben ist daher nur der objektive Wert. Den verschärft haftenden Empfänger trifft damit die Pflicht, diesen Wert zu ersetzen, und zwar ohne Rücksicht darauf, inwiefern er um die

Schuld

befreiung noch bereichert ist. Die ganz hM, wonach § 285 einen Anspruch auf den Veräußerungserlös gewährt, ist daher abzulehnen."

DAV

David.

26.7.2023, 20:26:36

§ 285 wäre in diesem Fall aber nicht anwendbar, weil hier 818 II, III Lex Specialis sind oder?

LELEE

Leo Lee

3.8.2023, 12:25:15

Hallo David,

§ 285 BGB

ist wie du richtigerweise anmerkst nicht zu prüfen, da hier die Voraussetzungen von §§ 818 IV, 819 I BGB nicht vorliegen. Insofern sind die § 818 II, III BGB "lex Specialis", wobei dieser Begriff i.V.m. mit den §§ 818 f. BGB nicht wirklich genutzt wird :) Liebe Grüße Leo

ajboby90

ajboby90

19.3.2024, 13:36:47

Der Vollständigkeit halber: außerhalb des

Bereicherungsrecht

s kann der Gewinn durch Verhandlungsgeschick auch aus GoA heraus verlangt werden. (Es gibt also drei AGLs im gesamten Zivilrecht, nach denen dies möglich ist.)

Juraddicted

Juraddicted

3.1.2025, 11:14:04

Danke! :) Würde die GoA dann (hier) am

fremd

en Geschäft und

Fremdgeschäftsführungswille

n hier (trotz Anfechtung) scheitern?

FW

FW

15.11.2024, 09:13:31

Hi, Ich verstehe nicht ganz warum das

rechtsgeschäft

liche Surrogat über § 818 IV, 819 I, 285 herauszugeben ist. Ich dachte § 285 verlangt eine wirtschaftliche Identität zwischen untergegangen Gegenstand und dem als Ersatz erlangten Gegenstand. Typischerweise sind das ja Versicherungsleistungen. Der Verkaufserklös ist aber gerade nicht als Ersatz anzusehen, welcher quasi den Wert ersetzen soll und an Stelle des ursprünglich Gegenstandes tritt, sondern eine adäquate, im Vertrag ausgehandelte Gegenleistung. Könntet ihr das noch genauer erlöuternV

Major Tom(as)

Major Tom(as)

22.11.2024, 09:56:42

Aus meiner Sichtweise ist das Problem, das du beschreibst, weniger ein Problem der wirtschaftlichen Identität als der Kausalität: Denn irgendwo soll die Gegenleistung für mich ja gerade das, was ich verkaufe in meinem Vermögen als gleichwertig ersetzen. Ich schließe allgemein Verträge ab, um mein Vermögen in das "umzuwandeln" was ich gerne haben möchte - ob das eine Kaufsache, etwas Getauschtes oder auch die Arbeitsleitung meiner Arbeitnehmerin ist. Hier soll nach herrschender Meinung sehr großzügig entschieden werden, entscheidend ist, dass ich die Sache "für" eine andere erlange. Problematisch ist aber, dass ich die Gegenleistung ja grds. durch ein

Verfügungsgeschäft

meiner Vertragspartnerin erlange und die Sache selbst in einem anderen

Verfügungsgeschäft

veräußere - "infolge" (§ 285 I) der Verfügung über den Gegenstand erlange ich grds. nichts außer einer Befreiung von meinem Anspruch. (und dies ist kein "Ersatz" oder "Ersatzanspruch" i.S.d. Norm - a.A. Teilansicht in der Literatur: Diese Befreiung sei so viel wert wie der Gegenstand obj. wert ist, daher sei dieser zu ersetzen) Die beiden Erwerbstatbestände sind nur über das

Kausalgeschäft

verknüpft. Deswegen ist es tatsächlich umstritten, ob das commodum ex negatiatione cum re auch vom § 285 umfasst ist. Die herrschende Meinung wendet die Norm aber mit Blick auf den Telos des § 285, die durch § 275 I (Gläubigerin trägt die

Leistungsgefahr

) unbillige Verteilung von Vermögenswerten auszugleichen (jedenfalls analog) an. (Wo man das Problem "einsortiert", ist vermutlich aber ohnehin Geschmackssache, irgendwo entsprechen sich die Punkte ja auch ein Stück weit) Vielleicht hilft das schon mal weiter, bis Jurafuchs dazu kommt, zu antworten :)

MI

millisiewert

27.3.2025, 13:50:18

Aber über § 816 I 1 BGB wäre auch der verhandelte Mehrkaufpreis herauszugeben?

HARD

hardymary

31.3.2025, 16:48:50

Hier nicht, weil nicht als Nichtberechtigter verfügt wurde. Aber generell kann (aber str.) auch der Mehrkaufpreis nach § 816 I 1 herausverlangt werden

LELEE

Leo Lee

19.4.2025, 07:30:13

Hallo millisiewert, vielen Dank für diese sehr gute und vor allem klausurrelevante Frage! Wie hardymary richtigerweise anmerkt, stellt sich hier - abseits von diesem konkreten Fall - generell die Frage, was unter "erlangt" zu verstehen ist (obj. Wert oder Gewinn). Diese Frage ist ein wahrer Klassiker, weshalb sie unbedingt zu beherrschen ist. Deshalb am besten bei dieser Gelegenheit wiederholen. Wenn 816 relevant wird aufgrund unberechtigter Verfügung, kann man sich eig. fast schon immer sicher sein, dass auch dieser Streit zu behandeln sein wird. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Schwab § 816 Rn. 39 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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