Zivilrecht

Werkrecht

Werkunternehmerpfandrecht

Verpfändungsklausel, die das gesetzliche Werkunternehmerpfandrecht um ein vertragliches Pfandrecht (§§ 1204ff. BGB) ergänzt

Verpfändungsklausel, die das gesetzliche Werkunternehmerpfandrecht um ein vertragliches Pfandrecht (§§ 1204ff. BGB) ergänzt

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

U betreibt eine Werkstatt. Auf Anraten ihrer Nichte, die Jura studiert, hat U in ihren AGB geregelt, dass mit Kunden ein vertragliches Pfandrecht vereinbart wird. B gibt den im Eigentum des E stehenden Bulli zur Reparatur in die Werkstatt des U. U glaubt B sei die Eigentümerin.

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Einordnung des Falls

Verpfändungsklausel, die das gesetzliche Werkunternehmerpfandrecht um ein vertragliches Pfandrecht (§§ 1204ff. BGB) ergänzt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. U hat ein gesetzliches Werkunternehmerpfandrecht erworben (§ 647 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Das Werkunternehmerpfandrecht setzt einen (1) Werkvertrag, eine (2) Forderung aus dem Werkvertrag, das (3) Eigentum des Bestellers und den (4) Besitz des Unternehmer an der Sache voraus. B und U schlossen einen Werkvertrag. U hat einen Anspruch auf Vergütung gegen B. B war aber nicht Eigentümerin des Bulli.
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2. Da U glaubte, dass B Eigentümerin des Bullis sei, hat sie nach h.M. das Werkunternehmerpfandrecht gutgläubig erworben.

Nein!

Ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 1257, 1207, 932 BGB (direkt oder analog) kommt nach der h.M. wegen des eindeutigen Wortlauts des § 1257 BGB nicht in Betracht. Auch § 366 Abs. 3 HGB enthalte keinen allgemeinen Rechtsgedanken, der eine analoge Anwendung der §§ 1207, 932 ff. BGB rechtfertige. § 366 Abs. 3 HGB ist eine Ausnahmevorschrift, die wegen des besonderen - über das des Werkunternehmers hinausgehende - Sicherungsbefürfnisses auch nicht analogiefähig ist.

3. U hat aber ein vertragliches Pfandrecht durch die AGB gutgläubig erworben (§§ 1204ff., 1207, 932 BGB).

Genau, so ist das!

Ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht setzt eine (1) zu sichernde Forderung, die (2) Einigung, die (3) Übergabe der Pfandsache und die (4) Berechtigung des Bestellers voraus. Bei der Nichtberechtigung kann dieses Pfandrecht nach §§ 1207, 932ff. BGB gutgläubig erworben werden. Durch den Werkvertrag entsteht zumindest eine Vergütungsforderung, die abgesichert werden kann. B und U einigten sich über die Pfandrechtsbestellung. B übergab U den Bulli. B war nicht berechtigt. U war aber gutgläubig (bzgl. der Eigentümerstellung). Oft wird ein vertragliches Pfandrecht durch AGB vereinbart, sodass in der Klausur an eine AGB-Kontrolle zu denken ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BEN

Benji

14.6.2022, 23:55:32

Wieso ist ein "erstmalig entstandenes" gesetzliches Pfandrecht kein kraft Gesetzes "entstandenes Pfandrecht" i. S. d. § 1257 BGB? Lukas, ich stehe auf dem Mitternachtsschlauch und bitte um Aufklärung 🤯 😁.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.6.2022, 12:56:20

Hallo BenBo, dann hoffe ich doch, dass wir Dich schnell von dem Mitternachtsschlauch herunterbekommen ;-) Der Wortlaut des § 1257 BGB besagt, dass für den Fall, dass ein Pfandrecht kraft Gesetzes entstanden ist, auf dieses Pfandrecht die Regelungen über ein rechtsgeschäftlich bestelltes Pfandrecht Anwendung findet (also auch die Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb). Grundvoraussetzung ist indes, dass das gesetzliche Pfandrecht bereits besteht. Daran fehlt es in den Fällen zum

Werkunternehmerpfandrecht

, in denen der Besteller kein Eigentümer des Wagens ist. Denn mangels Eigentümerstellung ist das gesetzliche Pfandrecht noch gar nicht entstanden. Aus diesem Grund fragen wir uns, ob ein gutgläubiger Erwerb dieses Pfandrecht in Betracht kommt. Auf diesen Fall ist § 1257 BGB indes nicht anwendbar, da die Norm verlangt, dass das Pfandrecht bereits entstanden ist und nicht erst durch Anwendung der Gutglaubensvorschriften entsteht. Ist es jetzt etwas klarer geworden? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

HannaHaas

HannaHaas

7.2.2024, 23:57:29

Danke Lukas, deine Antwort hat mir sehr geholfen!!

Juramaus

Juramaus

30.1.2023, 15:31:19

Ist es nicht umstritten ob eine derartige Regelung wirksam ist? Ein Teil der L

ehre

geht ja von einem Verstoß gegen 307 II, I aus. Ganz genau hab ich die Gegenmeinung allerdings nicht verstanden, weswegen ich gehofft hatte, hier eine Erklärung zu finden 😅

Izapella

Izapella

27.2.2023, 20:59:16

Das würde mich auch interessieren, kann jemand helfen?

Juliaa

Juliaa

29.3.2023, 23:40:57

Mich auch 😅

Edward Hopper

Edward Hopper

3.5.2023, 22:53:41

Ist umstritten, aber durchaus vertretbar

A-MUC

A-MUC

26.7.2023, 21:24:00

„Umstritten ist, ob diese Klausel nicht unangemessen im Sinne des § 307 ist. Die herrschende Meinung (…) akzeptiert jedoch die Vereinbarung einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Kfz-Reparaturaufträge, die ein vertraglich vereinbartes Pfandrecht vorsehen.“ (Siehe BGHZ 101, 307 ff.; dagegen z.B.: Habersack Sachenrecht Rn. 195.) Quelle: Juracademy Sachenrecht 3 „Das Pfandrecht an beweglichen Sachen“

LASE

LaserLasse69

16.9.2024, 18:11:19

Dazu zwei Beiträge: "Solche [AGB-Pfandrechtsklauseln] Klauseln sind unwirksam. Wenn § 647 BGB bei Eigentum des Bestellers problemlos das Pfandrecht ermöglicht, es sonst aber grundsätzlich ausschließt, haben sie den primären Zweck, im Falle fehlenden Eigentums des Bestellers die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb am Pfandrecht des Pfandrechts zu schaffen. Das ist wegen der damit verbundenen Absicht, den wahren Eigentümer zu schädigen, für sittenwidrig zu halten; im Übrigen belegt es, dass der Unternehmer billigend in Kauf nimmt, dass es um bestellerfremdes Eigentum geht, er mithin bosgläubig ist." (Peters, in: Staudinger, Neubearbeitung 2019, § 647 BGB, Rn. 14) Dagegen: "Die Vereinbarung eines solchen Pfandrechts ist nach richtiger Ansicht auch in AGB möglich; es handelt sich nicht um eine

Übersicherung

des Werkunternehmers. (...) Dagegen [gegen die obige Gegenauffassung] spricht jedoch, dass AGB häufig aus Klarstellungsgründen Klauseln enthalten, die gesetzliche Bestimmungen wiederholen. Auf eine unredliche Absicht des Verwenders lässt sich infolge der standardisierten Verwendung solcher Klauseln nicht ohne Weiteres schließen, selbst wenn diese die gesetzlichen Bestimmungen in gewissem Umfang wiederholen und ergänzen." (Buchwitz, in: Soergel, 13. Auflage 2022, § 647 BGB Rn. 24) Ich persönlich muss gestehen, dass mich die im Soergel vertretene Auffassung überhaupt nicht überzeugt. Das gesetzliche

Werkunternehmerpfandrecht

ist in § 647 BGB ja gerade geschaffen worden damit Werkunternehmer nicht immer ein vertragliches Pfandrecht (zur Kompensation ihrer Vor

leistungspflicht

nach § 641 I 1 BGB) vereinbaren müssen. Hier davon auszugehen, dass die AGB schlichtweg gesetzliche Bestimmungen wiederholen wollen ist daher einfach quatsch. Dann ist m.M.n. das Argument aber auch nicht zu entkräften, dass wegen des weitestgehenden Gleichlaufs von gesetzlichem- und vertraglichem Pfandrecht (§ 1257 BGB) ein zusätzliches Interesse am vertraglichen Pfandrecht nur in der zusätzlichen Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs bestehen kann. Da hiervon aber letztlich nur der wahre Eigentümer betroffen ist, ist diese AGB-Klausel schon ihrer Konzeption nach schlichtweg ein Vertrag zu Lasten Dritter und kann deswegen nicht wirksam sein.

MAG

MagicMarv

29.8.2023, 17:07:57

Woraus ergibt sich, dass das

Werkunternehmerpfandrecht

dazu berechtigt, die Mitnahme des Bullis zu verweigern?

LUC1502

luc1502

29.8.2023, 20:49:19

Das

Werkunternehmerpfandrecht

nach §647 BGB ist ein beschränktes dingliches Recht und als dingliches Recht wirkt es - anders als schuldrechtliche Rechte - absolut, also gegenüber jedermann. Somit kann der Werkunternehmer v.a. iRd §985 dem Eigentümer das

Werkunternehmerpfandrecht

als Recht zum Besitz iSd §986 I 1 BGB entgegenhalten.

AS

as.mzkw

3.10.2024, 14:11:25

Wäre unter dem Punkt „Einigung über die Bestellung des Pfandrechts“ dann die Wirksamkeit der AGB-Klausel nach den §§ 305 ff. BGB zu prüfen?


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