Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Raub (§ 249 StGB)

Raub – Zueignungsabsicht bei Handeln in „Knast-Weh“?

Raub – Zueignungsabsicht bei Handeln in „Knast-Weh“?

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die kürzlich aus der Haft entlassene A möchte zurück in das "geregelte Leben der JVA". A beschließt hierfür einen Raub vorzutäuschen. Dazu sprüht sie der Passantin P Tierabwehrspray (="Pfefferspray") ins Gesicht und entwendet ihr das Handy. Wie geplant, wird A nach einigen Metern von Zeugen aufgehalten und später festgenommen.

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Einordnung des Falls

Raub – Zueignungsabsicht bei Handeln in „Knast-Weh“?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat eine fremde, bewegliche Sache weggenommen, indem sie der P das Handy entwendete und anschließend flüchtete.

Ja!

Das Handy ist ein im Alleineigentum der P stehender, tatsächlich fortschaffbarer, i.S.v. § 90 BGB körperlicher Gegenstand, also eine fremde beweglich Sache. Spätestens mit der Flucht ist nach allgemeiner Verkehrsanschauung davon auszugehen, dass A die P gegen deren Willen von jeder Einwirkungsmöglichkeit auf das Handy ausgeschlossen und selber die tatsächliche Sachherrschaft erlangt hat. Sie hat damit den ursprünglichen Gewahrsam der P gebrochen und neuen eigenen begründet, das Handy also weggenommen.
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2. Sie hat dabei auch Gewalt gegen eine Person angewendet (§ 249 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Gewalt ist jeder körperlich wirkender Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands. Gewalt gegen eine Person bedeutet, dass die Gewaltanwendung unmittelbar oder mittelbar auf den Körper des Opfers bezogen sein muss. Dabei genügt es auch, wenn der Täter zum Herbeiführen einer den Widerstand verhindernden körperlichen Reaktion des Opfers ein Mittel (fest, flüssig oder gasförmig) verwendet. A sprühte der P Pfefferspray ins Gesicht. Wie geplant, konnte P sich deshalb nicht gegen das Entwenden des Handys wehren.

3. A hat auch den objektiven Tatbestand des besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB erfüllt.

Ja, in der Tat!

Waffen sind körperliche Gegenstände, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet sind, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Ein gefährliches Werkzeug ist indes jeder körperlicher Gegenstand, der nur nach Art seiner konkreten Benutzung geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Verwenden ist jeder zweckgerichtete Gebrauch eines objektiven Tatmittels zur Verwirklichung der raubspezifischen Nötigung. Das Pfefferspray von A dient eigentlich der Abwehr von Tieren und ist daher gerade nicht dazu bestimmt, gegen Menschen eingesetzt zu werden. Durch das Sprühen des Reizgases in das Gesicht der P ist es gleichwohl geeignet, durch etwa Verätzungen erhebliche Verletzungen zu verursachen.

4. Der subjektive Tatbestand des Raubes setzt voraus, dass der Täter mit Zueignungsabsicht handelte.

Ja!

Neben Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale setzt der subjektive Tatbestand des Raubes voraus, dass der Täter mit Zueignungsabsicht handelte. Erforderlich ist dafür der Enteignungsvorsatz als der (mindestens Eventual-)Vorsatz dauerhafter Enteignung sowie die Aneignungsabsicht als die Absicht der (zumindest) vorübergehenden Aneignung.

5. A handelte mit Zueignungsabsicht.

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Eine Zueignungsabsicht scheidet aus, wenn der Täter das Tatobjekt nur wegnimmt, um sodann gestellt zu werden und die Sache sogleich wieder an den Eigentümer zurückgelangen zu lassen (RdNr. 6). A kam es gerade darauf an, nach ihrer Tat festgenommen zu werden. Sie ging also bei der Wegnahme davon aus, dass das Handy infolge ihrer Ergreifung in nächster Folgezeit wieder an die P zurückgelangt. Für eine Aneignungsabsicht wäre es darüber hinaus auch nicht ausreichend, wenn A es als mögliche Folge erwogen hätte, das Handy zu behalten, wenn sie am Tatort nicht festgenommen worden wäre. Vielmehr muss sie die Aneignung mit unbedingten Willen erstreben
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEL

gelöscht

17.3.2022, 12:04:32

Ich weiß, es ist kleinlich, aber hat sie streng genommen nicht

Zueignungsabsicht

, wenn sie laut SV einen Raub begehen will? Anhaltspunkte, dass sie das Telefon zurückgeben möchte, gibt es außer der beabsichtigten Stellung durch die Zeugen/Polizei im SV ja nicht, müsste man hier streng genommen nicht sogar über einen umgekehrten Tatbestandsirrtum gehen, um den Fall zu lösen, sodass sie jedenfalls über Versuch zu strafen ist?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.3.2022, 12:35:31

Danke für den Hinweis, streuner. Wir haben hier ergänzt, dass sie den Raub lediglich vortäuschen will. Daraus sollte nun deutlich werden, dass es ihr nicht tatsächlich darum geht, sich das Handy zuzueignen. Auf den umgekehrten Tatbestandsirrtum muss man dann insoweit auch nicht eingehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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