Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Raub (§ 249 StGB)

Raub – Zueignungsabsicht bei Handeln in „Knast-Weh“?

Raub – Zueignungsabsicht bei Handeln in „Knast-Weh“?

16. April 2025

6 Kommentare

4,8(20.624 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die kürzlich aus der Haft entlassene A möchte zurück in das "geregelte Leben der JVA". A beschließt hierfür einen Raub vorzutäuschen. Dazu sprüht sie der Passantin P Tierabwehrspray (="Pfefferspray") ins Gesicht und entwendet ihr das Handy. Wie geplant, wird A nach einigen Metern von Zeugen aufgehalten und später festgenommen.

Diesen Fall lösen 91,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Raub – Zueignungsabsicht bei Handeln in „Knast-Weh“?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat eine fremde, bewegliche Sache weggenommen, indem sie der P das Handy entwendete und anschließend flüchtete.

Ja!

Das Handy ist ein im Alleineigentum der P stehender, tatsächlich fortschaffbarer, i.S.v. § 90 BGB körperlicher Gegenstand, also eine fremde beweglich Sache. Spätestens mit der Flucht ist nach allgemeiner Verkehrsanschauung davon auszugehen, dass A die P gegen deren Willen von jeder Einwirkungsmöglichkeit auf das Handy ausgeschlossen und selber die tatsächliche Sachherrschaft erlangt hat. Sie hat damit den ursprünglichen Gewahrsam der P gebrochen und neuen eigenen begründet, das Handy also weggenommen.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Sie hat dabei auch Gewalt gegen eine Person angewendet (§ 249 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Gewalt ist jeder körperlich wirkender Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands. Gewalt gegen eine Person bedeutet, dass die Gewaltanwendung unmittelbar oder mittelbar auf den Körper des Opfers bezogen sein muss. Dabei genügt es auch, wenn der Täter zum Herbeiführen einer den Widerstand verhindernden körperlichen Reaktion des Opfers ein Mittel (fest, flüssig oder gasförmig) verwendet. A sprühte der P Pfefferspray ins Gesicht. Wie geplant, konnte P sich deshalb nicht gegen das Entwenden des Handys wehren.

3. A hat auch den objektiven Tatbestand des besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB erfüllt.

Ja, in der Tat!

Waffen sind körperliche Gegenstände, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet sind, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Ein gefährliches Werkzeug ist indes jeder körperlicher Gegenstand, der nur nach Art seiner konkreten Benutzung geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Verwenden ist jeder zweckgerichtete Gebrauch eines objektiven Tatmittels zur Verwirklichung der raubspezifischen Nötigung. Das Pfefferspray von A dient eigentlich der Abwehr von Tieren und ist daher gerade nicht dazu bestimmt, gegen Menschen eingesetzt zu werden. Durch das Sprühen des Reizgases in das Gesicht der P ist es gleichwohl geeignet, durch etwa Verätzungen erhebliche Verletzungen zu verursachen.

4. Der subjektive Tatbestand des Raubes setzt voraus, dass der Täter mit Zueignungsabsicht handelte.

Ja!

Neben Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale setzt der subjektive Tatbestand des Raubes voraus, dass der Täter mit Zueignungsabsicht handelte. Erforderlich ist dafür der Enteignungsvorsatz als der (mindestens Eventual-)Vorsatz dauerhafter Enteignung sowie die Aneignungsabsicht als die Absicht der (zumindest) vorübergehenden Aneignung.

5. A handelte mit Zueignungsabsicht.

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Eine Zueignungsabsicht scheidet aus, wenn der Täter das Tatobjekt nur wegnimmt, um sodann gestellt zu werden und die Sache sogleich wieder an den Eigentümer zurückgelangen zu lassen (RdNr. 6). A kam es gerade darauf an, nach ihrer Tat festgenommen zu werden. Sie ging also bei der Wegnahme davon aus, dass das Handy infolge ihrer Ergreifung in nächster Folgezeit wieder an die P zurückgelangt. Für eine Aneignungsabsicht wäre es darüber hinaus auch nicht ausreichend, wenn A es als mögliche Folge erwogen hätte, das Handy zu behalten, wenn sie am Tatort nicht festgenommen worden wäre. Vielmehr muss sie die Aneignung mit unbedingten Willen erstreben
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEL

gelöscht

17.3.2022, 12:04:32

Ich weiß, es ist kleinlich, aber hat sie streng genommen nicht

Zueignungsabsicht

, wenn sie laut SV einen Raub begehen will? Anhaltspunkte, dass sie das Telefon zurückgeben möchte, gibt es außer der beabsichtigten Stellung durch die Zeugen/Polizei im SV ja nicht, müsste man hier streng genommen nicht sogar über einen umgekehrten

Tatbestandsirrtum

gehen, um den Fall zu lösen, sodass sie jedenfalls über Versuch zu strafen ist?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.3.2022, 12:35:31

Danke für den Hinweis, streuner. Wir haben hier ergänzt, dass sie den Raub lediglich vortäuschen will. Daraus sollte nun deutlich werden, dass es ihr nicht tatsächlich darum geht, sich das Handy zuzueignen. Auf den umgekehrten

Tatbestandsirrtum

muss man dann insoweit auch nicht eingehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AME

Amelie7

12.1.2025, 16:25:31

Was wäre hier die Strafbarkeit? 223, 224 und nach Rechtsprechung 253, 255, vgl. zu dem Fall mit dem Auto was zurück gegeben werden soll?

AN

Annette123

3.2.2025, 12:59:15

Wieso fällt das Pfefferspray unter § 250 II Nr. 1? Als Waffe oder als Werkzeug? und wenn als Werkzeug, wie begründet man die fehlende Körperlichkeit?

pio1sn

pio1sn

15.2.2025, 12:30:35

Also man könnte erstmal an eine Waffe denken: Die Definition lautet: „Eine Waffe ist ein Gegenstand, der nach seiner Art dazu bestimmt ist, erhebliche Verletzungen von Menschen zu verursachen“ Man nimmt hier meistens das WaffenG zur Hand und guckt sich hier die Zweckbestimmung des jeweiligen Gegenstands an. Bei Pfeffersprays die man im üblicherweise im Handel kaufen kann, handelt es sich um Tierabwehrsprays. Das hat zur Folge, dass keine Waffe nach § 1 II Nr. 2a WaffenG vorliegt. Hier fehlt nämlich der Zweckbestimmung Menschen zu verletzen. Wenn man sich aber den § 1 II Nr. 2b WaffenG anschaut, dann könnte hierunter das Tierabwehrspray fallen, wobei dies daran scheitert, dass die Anlage bezüglich Reizstoffsprühgeräten nicht auf den 2b, sondern nur auf 2a bezieht. Folglich kann es sich nicht um eine Waffe handeln, wenn es als „Tierabwehrspray“ verkauft wird. In diesem Fall wird das benutzte Pfefferspray auch als Tierabwehrspray bezeichnet. So viel zum Waffenbegriff Sofern das Pfefferspray aber so gekennzeichnet wäre, dass sie sich primär gegen Menschen richtet, dann müsste man eine Waffe annehmen nach Gefährliches Werkzeug nach 250 II (-> weil es sich hier nicht um ein bloßes „

Beisichführen

“ handelt, sondern auch die Verwendung nötig ist, kann man die Definition aus dem § 224 anwenden (der Streit zwischen 250 I und 224 spielt hier also keine Rolle) Die Definition: ein gefährliches Werkzeugs liegt vor, wenn der Gegenstand nach seiner objektiven

Beschaffenheit

und seiner konkreten Art der Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen an Personen herbeizuführen. Dazu muss man wissen, dass ein Pfefferspray einen Reizstoff versprüht, der die Haut und Augen reizt und die Atemwege angreift. Also kann man schon von einer

Gesundheitsschädigung

ausgehen. Durch die stark gereizte Haut sollte auch eine

körperliche Misshandlung

vorliegen. Die

objektive Beschaffenheit

und Art der Verwendung sind das Sprühen des Reizstoffs ins G

esi

cht. Der Reizstoff an sich kann als Gift unter 224 I Nr. 1 Var. 1 subsumiert werden (er wirkt innerlich und äußerlich aufgrund der Augen). Man würde jetzt problematisieren, ob ein Pfefferspray auch unter 224 I Nr. 2 fällt, weil eigentlich das Reizgas und nicht die Flasche die Körperverletzung herbeiführt. Eine Ansicht nimmt aber an, dass es erst mit dem zielgerichteten Sprühen des Reizstoffes DURCH das Gerät ein sinnvoller Einsatz vorliegt, weshalb eine KV „

mittels eines gefährlichen Werkzeugs

“ vorliegt + es werden auch chemisch wirkende Mittel erfasst. Mit mehr Details in der NStZ 2009, 364 ganz ausführlich

AN

Annette123

15.2.2025, 13:55:48

Danke!


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen