Abgrenzung Verpflichtungsklage und Leistungsklage bei Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung: öffentlich-rechtlich organisiert
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Gemeinde G betreibt eine Bibliothek in öffentlich-rechtlicher Organisationsform. Weil Luise Liesviel (L) gegen die Tochter des Bibliothekars B im Lesewettbewerb gewonnen hat, verweigert B ihr den Zutritt. L will weiterhin in die Bibliothek gehen können.
Einordnung des Falls
Abgrenzung Verpflichtungsklage und Leistungsklage bei Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung: öffentlich-rechtlich organisiert
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist eröffnet. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor.
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Ja!
2. Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage, wenn L den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt.
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Nein, das ist nicht der Fall!
3. L begehrt den Zutritt zu einer öffentlichen Einrichtung. Dieser wird durch Erlass eines Verwaltungsakts gewährt.
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Ja, in der Tat!
4. L begehrt den Erlass eines Verwaltungsakts. Statthaft ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO).
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TeamRahad 🧞
25.4.2021, 11:52:20
Was heißt das, dass Zugang durch VA gewährt wird? Braucht es jedes Mal, wenn L die Bibliothek betreten will, einen eigenen VA? Oder handelt es sich um einen Dauer-VA? In der verlinkten Entscheidung des OVG Lüneburg ging es ja eher um die regelmäßige Nutzung eines Kurbades zu festgelegten Zeiten, wenn ich das richtig verstanden habe.

TeamRahad 🧞
25.4.2021, 11:55:35
Wenn es jedes Mal einzelne VAs sind, wie viel bringt es L dann, auf Erlass *eines* VAs zu klagen? Sie will künftig ja mehr als nur einmal Zugang zur Bibliothek bekommen.

Tigerwitsch
26.4.2021, 19:06:31
Nach Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 224: „Als begünstigende VA mit Dauerwirkung wurden angesehen: Genehmigungen und Erlaubnisse, soweit sie dauernde Rechte begründen, aber auch Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung [...]“. In dem Zusammenhang werden folgende Entscheidungen als Fundstellen zitiert: VGH Mannheim, B. v. 30.10.1986 - AZ.: 9 S 2497/86 (Städtische Musikschule); VGH München, U. v. 22.11.2006 - AZ.: 7 B 05.2273. So bezeichnete der VGH München einen Reservierungsvermerk (für hochschuleigene Räume) als „verbindliche Zulassungsentscheidung, die einen begünstigenden (Sammel-)Verwaltungsakt darstellt“.

Isabell
20.5.2021, 16:01:10
Ist es dafür egal, ob der B von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht hat und sich das Verbot gerade nicht auf öffentlich-rechtliche Normen stützt?

Lukas_Mengestu
23.7.2021, 11:30:58
Hallo zusammen, in der Tat dürfte es bei der Frage, ob die Zulassung jeweils "ad hoc" für den einzelnen Tag erfolgt oder als sog. "Dauer-VA" erlassen wird, von den konkreten Umständen der jeweiligen Einrichtung abhängen (zB gibt es häufig Benutzerausweise, die ein Jahresabo beinhalten bzw. bei Universitätsbibliotheken folgt das Nutzungsrecht bereits aus der Immatrikulation der Studierenden; öffentliche Theater bieten häufig Theaterabonnements an=Dauer-VA, ansonsten Zulassungs-VA jeweils mit Kauf der Theaterkarte). Im Hinblick auf eine Klage dürfte es sich jedenfalls anbieten die Erteilung eines "Dauer-VA" zu erstreiten. Im Hinblick auf das Hausrecht und die rechtliche Einordnung ist nach der Art der Zulassung zu differenzieren: Liegt eine bloße "ad hoc" Zulassung vor, so kommt dem Hausverbot in der Regel dennoch eine weiterreichende Wirkung zu, als eine einmalige Ablehnung der Zulassung. Es handelt sich bei diesem dann regelmäßig um einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt, dass auch zukünftige Zulassungsanträge des Störerers ohne nähere Sachprüfung nicht mehr stattgegeben wird. Dieses weitreichende Hausverbot wird sich in der Regel nicht auf die einfachen zivilrechtlichen Normen stützen lassen, wenn dem Nutzer tatsächlich im Grundsatz ein Benutzungsanspruch zusteht. Liegt dagegen bereits eine dauerhafte Nutzungsgenemigung vor, die durch das Hausverbot entzogen wird, so dürfte insoweit als rechtliche Grundlage der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG in Betracht kommen, sofern nachträgliche Tatsachen zur Versagung des Zugangs geführt haben. Eine sehr übersichtliche Zusammenfassung zu dem ganzen Themenkomplex rund um das Hausrecht und den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen findet ihr übrigens auch bei Stelkens, Das behördliche Hausrecht, Jura 2010, 363. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Juraluchs
1.9.2022, 15:35:30
Ich habe hier auch erhebliche Zweifel. Der Widmungsakt dürfte wohl nicht das Davorstehen des Bibliothekars, sondern im Voraus angesiedelt sein. Gegen sein Verhalten hätte ich dann eine Leistungsklage auf Unterlassen für statthaft gehalten.

Juraluchs
1.9.2022, 15:36:53
Ach mist, irgendwie wurde mir dein Kommentar nicht angezeigt, Lukas. Hat sich damit erledigt. Sorry

ri
8.3.2022, 02:21:20
Merkhilfe: Wabe W: Widmung A: allgemeine Be: Benutzung
Das_war_Kenny
4.7.2022, 11:45:29
Eselsbrücke 12/10, bitte mehr davon