Abgrenzung Verpflichtungsklage und Leistungsklage bei Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung: öffentlich-rechtlich organisiert


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Klassisches Klausurproblem

Die Gemeinde G betreibt eine Bibliothek in öffentlich-rechtlicher Organisationsform. Weil Luise Liesviel (L) gegen die Tochter des Bibliothekars B im Lesewettbewerb gewonnen hat, verweigert B ihr den Zutritt. L will weiterhin in die Bibliothek gehen können.

Einordnung des Falls

Abgrenzung Verpflichtungsklage und Leistungsklage bei Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung: öffentlich-rechtlich organisiert

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist eröffnet. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor.

Ja!

Nach der Sonderrechtstheorie / modifizierten Subjektstheorie ist eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die streitentscheidenden Normen einen Hoheitsträger einseitig berechtigen oder verpflichten. Streitentscheidende Normen sind hier solche des Kommunalrechts, weil die Bibliothek von der Gemeinde betrieben wird. Die Normen berechtigen und verpflichten die G als Hoheitsträger. Als streitentscheidende Normen kommen insbesondere die Gemeindeordnungen in Betracht (z.B. § 10 Abs. 2 BaWüGO, Art. 21 Abs. 1 S. 1 BayGO, § 20 Abs. 1 HessGO, § 8 Abs. 2 NRWGO).

2. Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage, wenn L den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO). Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft, wenn das Klagebegehren des Klägers gerichtet ist auf den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts. In Abgrenzung dazu ist die allgemeine Leistungsklage (vorausgesetzt u.a. in §§ 43 Abs. 2, 111, 113 Abs. 5 VwGO) statthaft, wenn der Kläger eine Vornahme, Duldung oder Unterlassung schlicht hoheitlichen Verwaltungshandelns begehrt. Zur Abgrenzung ist also maßgeblich von Bedeutung, ob der Kläger einen Verwaltungsakt oder einen Realakt von der Behörde fordert.

3. L begehrt den Zutritt zu einer öffentlichen Einrichtung. Dieser wird durch Erlass eines Verwaltungsakts gewährt.

Ja, in der Tat!

Eine öffentliche Einrichtung wird im öffentlichen Interesse unterhalten und durch einen Widmungsakt der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht. Der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wird stets durch den (konkludenten) Erlass eines Verwaltungsakts gewährt. Die von der Gemeinde betriebene Bibliothek ist eine öffentliche Einrichtung. WABE = Widmung zur allgemeinen Benutzung.

4. L begehrt den Erlass eines Verwaltungsakts. Statthaft ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO).

Ja!

Der Zugang zur Bibliothek wird durch den (konkludenten) Erlass eines Verwaltungsakts gewährt. Ein Verwaltungsakt ist (1) eine hoheitliche Maßnahme (2) einer Behörde (3) auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (4) zur Regelung (5) eines Einzelfalls (6) mit Außenwirkung. Vorliegend bestünde der konkludente Verwaltungsakt darin, dass der B die L die Bibliothek betreten lässt. B weigert sich jedoch, diesen Verwaltungsakt zu erlassen. Statthaft ist daher die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO).

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TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

25.4.2021, 11:52:20

Was heißt das, dass Zugang durch VA gewährt wird? Braucht es jedes Mal, wenn L die Bibliothek betreten will, einen eigenen VA? Oder handelt es sich um einen Dauer-VA? In der verlinkten Entscheidung des OVG Lüneburg ging es ja eher um die regelmäßige Nutzung eines Kurbades zu festgelegten Zeiten, wenn ich das richtig verstanden habe.

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

25.4.2021, 11:55:35

Wenn es jedes Mal einzelne VAs sind, wie viel bringt es L dann, auf Erlass *eines* VAs zu klagen? Sie will künftig ja mehr als nur einmal Zugang zur Bibliothek bekommen.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

26.4.2021, 19:06:31

Nach Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 224: „Als begünstigende VA mit Dauerwirkung wurden angesehen: Genehmigungen und Erlaubnisse, soweit sie dauernde Rechte begründen, aber auch Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung [...]“. In dem Zusammenhang werden folgende Entscheidungen als Fundstellen zitiert: VGH Mannheim, B. v. 30.10.1986 - AZ.: 9 S 2497/86 (Städtische Musikschule); VGH München, U. v. 22.11.2006 - AZ.: 7 B 05.2273. So bezeichnete der VGH München einen Reservierungsvermerk (für hochschuleigene Räume) als „verbindliche Zulassungsentscheidung, die einen begünstigenden (Sammel-)Verwaltungsakt darstellt“.

Isabell

Isabell

20.5.2021, 16:01:10

Ist es dafür egal, ob der B von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht hat und sich das Verbot gerade nicht auf öffentlich-rechtliche Normen stützt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.7.2021, 11:30:58

Hallo zusammen, in der Tat dürfte es bei der Frage, ob die Zulassung jeweils "ad hoc" für den einzelnen Tag erfolgt oder als sog. "Dauer-VA" erlassen wird, von den konkreten Umständen der jeweiligen Einrichtung abhängen (zB gibt es häufig Benutzerausweise, die ein Jahresabo beinhalten bzw. bei Universitätsbibliotheken folgt das Nutzungsrecht bereits aus der Immatrikulation der Studierenden; öffentliche Theater bieten häufig Theaterabonnements an=Dauer-VA, ansonsten Zulassungs-VA jeweils mit Kauf der Theaterkarte). Im Hinblick auf eine Klage dürfte es sich jedenfalls anbieten die Erteilung eines "Dauer-VA" zu erstreiten. Im Hinblick auf das Hausrecht und die rechtliche Einordnung ist nach der Art der Zulassung zu differenzieren: Liegt eine bloße "ad hoc" Zulassung vor, so kommt dem Hausverbot in der Regel dennoch eine weiterreichende Wirkung zu, als eine einmalige Ablehnung der Zulassung. Es handelt sich bei diesem dann regelmäßig um einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt, dass auch zukünftige Zulassungsanträge des Störerers ohne nähere Sachprüfung nicht mehr stattgegeben wird. Dieses weitreichende Hausverbot wird sich in der Regel nicht auf die einfachen zivilrechtlichen Normen stützen lassen, wenn dem Nutzer tatsächlich im Grundsatz ein Benutzungsanspruch zusteht. Liegt dagegen bereits eine dauerhafte Nutzungsgenemigung vor, die durch das Hausverbot entzogen wird, so dürfte insoweit als rechtliche Grundlage der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG in Betracht kommen, sofern nachträgliche Tatsachen zur Versagung des Zugangs geführt haben. Eine sehr übersichtliche Zusammenfassung zu dem ganzen Themenkomplex rund um das Hausrecht und den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen findet ihr übrigens auch bei Stelkens, Das behördliche Hausrecht, Jura 2010, 363. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Juraluchs

Juraluchs

1.9.2022, 15:35:30

Ich habe hier auch erhebliche Zweifel. Der Widmungsakt dürfte wohl nicht das Davorstehen des Bibliothekars, sondern im Voraus angesiedelt sein. Gegen sein Verhalten hätte ich dann eine Leistungsklage auf Unterlassen für statthaft gehalten.

Juraluchs

Juraluchs

1.9.2022, 15:36:53

Ach mist, irgendwie wurde mir dein Kommentar nicht angezeigt, Lukas. Hat sich damit erledigt. Sorry

ri

ri

8.3.2022, 02:21:20

Merkhilfe: Wabe W: Widmung A: allgemeine Be: Benutzung

DAS

Das_war_Kenny

4.7.2022, 11:45:29

Eselsbrücke 12/10, bitte mehr davon

SCH

Schwanzanwaltschaft

4.4.2024, 11:37:52

Moin, handelt es sich bei der Widmung nicht um einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung nach § 35 S.2 VwVfG, so das die Widmung den Regelungsgehalt hat, dass die Bibliothek öffentlich zugänglich ist und somit grundsätzlich auch von L besucht werden kann. Wenn jetzt L der Zugang verwährt wird, kann dies doch nur durch einen Verwaltungsakt, ein privatrechtliches Hausverbot oder Realakt geschehen, so dass aufjedenfall keine Verpflichtungsklage einschlägig wäre. oder übersehe ich hier etwas :) ?


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