Öffentliches Recht
VwGO
Verpflichtungsklage
Abgrenzung Verpflichtungsklage und Leistungsklage bei Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung: öffentlich-rechtlich organisiert
Abgrenzung Verpflichtungsklage und Leistungsklage bei Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung: öffentlich-rechtlich organisiert
19. Mai 2025
15 Kommentare
4,7 ★ (18.281 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Gemeinde G betreibt eine Bibliothek in öffentlich-rechtlicher Organisationsform. Weil Luise Liesviel (L) gegen die Tochter des Bibliothekars B im Lesewettbewerb gewonnen hat, verweigert B ihr den Zutritt. L will weiterhin in die Bibliothek gehen können.
Diesen Fall lösen 77,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Abgrenzung Verpflichtungsklage und Leistungsklage bei Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung: öffentlich-rechtlich organisiert
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist eröffnet. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage, wenn L den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. L begehrt den Zutritt zu einer öffentlichen Einrichtung. Dieser wird durch Erlass eines Verwaltungsakts gewährt.
Ja, in der Tat!
4. L begehrt den Erlass eines Verwaltungsakts. Statthaft ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TeamRahad 🧞
25.4.2021, 11:52:20
Was heißt das, dass Zugang durch VA gewährt wird? Braucht es jedes Mal, wenn L die Bibliothek betreten will, einen eigenen VA? Oder handelt es sich um einen Dauer-VA? In der verlinkten Entscheidung des OVG Lüneburg ging es ja eher um die regelmäßige Nutzung eines Kurbades zu festgelegten Zeiten, wenn ich das richtig verstanden habe.

TeamRahad 🧞
25.4.2021, 11:55:35
Wenn es jedes Mal einzelne VAs sind, wie viel bringt es L dann, auf Erlass *eines* VAs zu klagen? Sie will künftig ja mehr als nur einmal Zugang zur Bibliothek bekommen.

Tigerwitsch
26.4.2021, 19:06:31
Nach Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 224: „Als begünstigende VA mit Dauerwirkung wurden angesehen: Genehmigungen und Erlaubnisse, soweit sie dauernde Rechte begründen, aber auch Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung [...]“. In dem Zusammenhang werden folgende Entscheidungen als Fundstellen zitiert: VGH Mannheim, B. v. 30.10.1986 - AZ.: 9 S 2497/86 (Städtische Musikschule); VGH München, U. v. 22.11.2006 - AZ.: 7 B 05.2273. So bezeichnete der VGH München einen Reservierungsvermerk (für hochschuleigene Räume) als „verbindliche Zulassungsentscheidung, die einen begünstigenden (Sammel-)Verwaltungsakt darstellt“.

Isabell
20.5.2021, 16:01:10
Ist es dafür egal, ob der B von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht hat und sich das Verbot gerade nicht auf öffentlich-rechtliche Normen stützt?

Lukas_Mengestu
23.7.2021, 11:30:58
Hallo zusammen, in der Tat dürfte es bei der Frage, ob die Zulassung jeweils "ad hoc" für den einzelnen Tag erfolgt oder als sog. "Dauer-VA" erlassen wird, von den konkreten Umständen der jeweiligen Einrichtung abhängen (zB gibt es häufig Benutzerausweise, die ein Jahresabo beinhalten bzw. bei Universitätsbibliotheken folgt das Nutzungsrecht bereits aus der Immatrikulation der Studierenden; öffentliche Theater bieten häufig Theaterabonnements an=Dauer-VA, ansonsten Zulassungs-VA jeweils mit Kauf der Theaterkarte). Im Hinblick auf eine Klage dürfte es sich jedenfalls anbieten die Erteilung eines "Dauer-VA" zu erstreiten. Im Hinblick auf das Hausrecht und die rechtliche Einordnung ist nach der Art der Zulassung zu differenzieren: Liegt eine bloße "ad hoc" Zulassung vor, so kommt dem
Hausverbotin der Regel dennoch eine weiterreichende Wirkung zu, als eine einmalige Ablehnung der Zulassung. Es handelt sich bei diesem dann regelmäßig um einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt, dass auch zukünftige Zulassungsanträge des Störerers ohne nähere Sachprüfung nicht mehr stattgegeben wird. Dieses weitreichende
Hausverbotwird sich in der Regel nicht auf die einfachen zivilrechtlichen Normen stützen lassen, wenn dem Nutzer tatsächlich im Grundsatz ein Benutzungsanspruch zusteht. Liegt dagegen bereits eine dauerhafte Nutzungsgenemigung vor, die durch das
Hausverbotentzogen wird, so dürfte insoweit als rechtliche Grundlage der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG in Betracht kommen, sofern nachträgliche
Tatsachenzur Versagung des Zugangs geführt haben. Eine sehr übersichtliche Zusammenfassung zu dem ganzen Themenkomplex rund um das Hausrecht und den
Zugang zu öffentlichen Einrichtungenfindet ihr übrigens auch bei Stelkens, Das behördliche Hausrecht, Jura 2010, 363. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Juraluchs
1.9.2022, 15:35:30
Ich habe hier auch erhebliche Zweifel. Der Widmungsakt dürfte wohl nicht das Davorstehen des Bibliothekars, sondern im Voraus angesiedelt sein. Gegen sein Verhalten hätte ich dann eine
Leistungsklageauf Unterlassen für statthaft gehalten.

Juraluchs
1.9.2022, 15:36:53
Ach mist, irgendwie wurde mir dein Kommentar nicht angezeigt, Lukas. Hat sich damit erledigt. Sorry
Findet Nemo Tenetur
17.3.2025, 23:03:14
Wäre hier der Sache nach auch eine
Feststellungsklageim Interesse der L? (Die letztlich dann aber wegen der Subsidiaritätsprinzip nicht in Frage kommt?)

ri
8.3.2022, 02:21:20
Merkhilfe: Wabe W: Widmung A: allgemeine Be: Benutzung
Das_war_Kenny
4.7.2022, 11:45:29
Eselsbrücke 12/10, bitte mehr davon
Schwanzanwaltschaft
4.4.2024, 11:37:52
Moin, handelt es sich bei der Widmung nicht um einen Verwaltungsakt in Form einer
Allgemeinverfügungnach § 35 S.2 VwVfG, so das die Widmung den Regelungsgehalt hat, dass die Bibliothek öffentlich zugänglich ist und somit grundsätzlich auch von L besucht werden kann. Wenn jetzt L der Zugang verwährt wird, kann dies doch nur durch einen Verwaltungsakt, ein privatrechtliches
Hausverbotoder
Realaktgeschehen, so dass aufjedenfall keine
Verpflichtungsklageeinschlägig wäre. oder übersehe ich hier etwas :) ?

Sebastian Schmitt
12.2.2025, 17:43:11
Hallo @[Schwanzanwaltschaft](102976), der erste Absatz Deines Posts ist völlig richtig. Ich gebe allerdings schon hier zu bedenken, dass die Nutzungsmöglichkeit natürlich gewissen Grenzen unterliegt. Die "öffentliche Zugänglichkeit" darf also natürlich nicht dahingehend missverstanden werden, dass jeder zu jedem beliebigen Zeitpunkt real und faktisch Zugang hat, weil das sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist (Brüning/Brüning, Deutsches KommunalR, 5. Aufl 2024, § 15 Rn 23 ff). Im zweiten Absatz steckt dann Dein eigentliches Missverständnis: Das "ob" der Zulassung zu/Benutzung einer öffentlichen Einrichtung ist nach der Zweistufentheorie stets öffentlich-rechtlich ausgestaltet (Brüning/Brüning, Deutsches KommunalR, 5. Aufl 2024, § 15 Rn 18; exemplarisch für § 8 GO NRW BeckOK-KommunalR NRW/Peters, 30. Ed, Stand 1.1.2025, § 8 GO NRW Rn 20). Mit einem privatrechtlichen
Hausverbotkann G die Verweigerung der Zulassung also nicht begründen. Es handelt sich in unserem Fall auch nicht um einen bloßen
Realakt, sondern um eine rechtlich verbindliche Verweigerung des Zugangs ggü dem Bürger mit
Außenwirkung, also einen Verwaltungsakt (Brüning/Brüning, Deutsches KommunalR, 5. Aufl 2024, § 15 Rn 20 aE; alternativ: öffentlich-rechtlicher Vertrag, hier aber eher fernliegend). Zuletzt ist eine
Verpflichtungsklagehier ggü der Anfechtungsklage rechtsschutzintensiver und daher der richtige Weg. Eine Anfechtungsklage würde zwar die ergangene Nichtzulassung beseitigen, aber nicht verhindern, dass schlicht eine neuer VA gegen L ergeht, der ihr ebenfalls und erneut den Zugang verweigert. Sie muss vielmehr ihren grds bestehenden (gebundenen!) Anspruch auf Zulassung (iRd Kapazitäten) mit der
Verpflichtungsklagedurchsetzen (für § 8 II GO NRW: BeckOK-KommunalR NRW/Peters, 30. Ed, Stand 1.1.2025, § 8 GO NRW Rn 31 ff). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Zogoy
16.5.2025, 10:53:46
Hi, 1. wäre hier ein Hinweis auf die Zwei-Stufen-Theorie nicht sinnvoll? Es Geht ja um den Zugang zu Öffentlichen Einrichtung und solchen Konstellationen ist diese der modifizierten (meines Wissens nach) vorzuziehen. 2. Ich habe einen Fall im Schwabe Fallbuch bearbeitet, hier wurde einer Person vom Richter eines Gerichts ein
Hausverboterteilt hier wurde problematisiert, ob das ganze Privatrechtlich (Eigentumsschutz usw.) oder öffentlich-rechtlicher Natur ist. Der vorliegende Fall ist ähnlich gelagert. Müssten wir jetzt nicht auch ermitteln auf wessen Sicht wir abstellen müssen um die Natur des Streits zu ermitteln sowie in diesem Schwabe Fall? H.M. ist hier das wir auf den Zweck des
Hausverbots abstellen. Vorliegend verfolgt B mit dem
Hausverbotnicht die Sicherung der
Erfüllungöffentlicher Aufgaben im Gebäude, also ist der streit nicht öffentlich-rechtlicher Natur -> Wobei bei dieser art der Lösung die Frage aufkommt wofür die Zwei-Stufen-Theorie gut ist. Ich hoffe ihr könnt das ganze nachvollziehen.