„Stadionverbot-Fall“
9. Mai 2023
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
F ist Mitglied der gewaltbereiten Ultra-Szene. Nach Ausschreitungen im Stadion wird gegen F wegen Landfriedensbruchs ermittelt. Verein V erteilt ihm daraufhin ein bundesweites Stadionverbot für 2 Jahre. Wenig später sieht die StA wegen Geringfügigkeit von der Verfolgung ab (§ 153 StPO). F wehrt sich gegen das Stadionverbot.
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Einordnung des Falls
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018 zu Stadionverboten befasst sich mit der Frage, ob die Grundrechte des Grundgesetzes auch zwischen Privaten eine gewisse Wirkung entfalten können – man spricht von der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte im Zivilrecht bzw. der mittelbaren Drittwirkung zwischen Privaten. Im Fall hatte der Betreiber eines Fußballstadions gegen ein Mitglied der gewaltbereiten Ultra-Szene ein bundesweites Stadionverbot verhängt. Dagegen wehrt sich der Ultra erfolglos vor den Zivilgerichten und erhebt anschließend Verfassungsbeschwerde. Kern des Falles ist die Frage, ob der Ultra gegen den privaten Stadionbetreiber aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) einen Anspruch hat, genauso wie alle anderen Fußballfans ins Stadion eingelassen zu werden. Grundsätzlich binden die Grundrechte nur die Staatsgewalt, nicht jedoch Private. Anders ist es bei der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte. Das Bundesverfassungsgericht sieht hier einen Ausnahmefall, in dem der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) mittelbare Drittwirkung entfaltet, weil der private Stadionbetreiber sein Stadion einem großen Publikum ohne Ansehen der Person für den allgemein kommunikativen Gebrauch eröffnet hat. Will der Stadionbetreiber den Ultra dennoch ausschließen, muss ein sachlicher Grund hierfür vorliegen.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 16 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Binden die Grundrechte des Grundgesetzes ausschließlich den Staat?
Nein!
2. Ist F vor den Zivilgerichten erfolglos und erhebt Verfassungsbeschwerde? Ist diese begründet, wenn die Gerichtsentscheidungen der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte nicht hinreichend Rechnung tragen?
Genau, so ist das!
3. Ist Verein V Inhaber des privatrechtlichen Hausrechts in seinem Stadion?
Ja, in der Tat!
4. Ist die Verfassungsbeschwerde insbesondere dann begründet, wenn die Abwägung der Rechtspositionen im Rahmen des Hausrechts unter einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte leidet?
Ja!
5. Ist bei der Ausübung des Hausrechts (§§ 862, 1004 BGB) – aus verfassungsrechtlicher Sicht ¬– seitens des V die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen?
Genau, so ist das!
6. Ist auf Seiten des F vorliegend die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen, da dieses Grundrecht gegen unverhältnismäßige Verbote schützt?
Nein, das trifft nicht zu!
7. Ist auf Seiten des F das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) zu beachten, denn es besteht eine Ungleichbehandlung gegenüber all denjenigen, die das Stadion besuchen können?
Ja!
8. Enthält der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ein objektives Verfassungsprinzip, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten gleichheitsgerecht zu gestalten sind?
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Kann der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Ausnahmefällen mittelbare Drittwirkung entfalten? Gelten dann im Privatrechtsverhältnis gleichheitsrechtliche Anforderungen?
Ja, in der Tat!
10. Wenn der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ausnahmsweise mittelbare Drittwirkung entfaltet, besteht dann ein absolutes Unterscheidungsverbot, d.h. alle Ungleichbehandlungen sind unzulässig?
Nein!
11. Ist das Stadionverbot rechtmäßig, wenn bei Betrachtung der Umstände des Einzelfalls ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung besteht?
Genau, so ist das!
12. Ergeben sich aus dem Erfordernis eines sachlichen Grunds auch verfahrensrechtliche Anforderungen für Veranstalter, etwa zur korrekten Sachverhaltsaufklärung?
Ja, in der Tat!
13. Ein sachlicher Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigt, kann nur angenommen werden, wenn eine Straftat des F nachgewiesen werden kann.
Nein!
14. Stellt die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen F wegen Landfriedensbruchs (§ 125 StGB) einen sachlichen Grund für die mit dem Stadionverbot verbundene Ungleichbehandlung des F dar?
Genau, so ist das!
15. Ist der sachliche Grund jedoch durch die spätere Einstellung des Verfahrens gegen F (§ 153 StPO) entfallen?
Nein, das trifft nicht zu!
16. Ist die Verfassungsbeschwerde des F unbegründet? Tragen die Entscheidungen der Zivilgerichte der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in das Zivilrecht hinreichend Rechnung?
Ja!
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